WAHRSCHAUER-Gig-Party 2024 mit HASS & LEISTUNGSTRÄGER!
Review der Woche: HUMAN EATING MONSTER - "Asymmetry"
Review der Woche: HOME FRONT – "Games Of Power"
Review der Woche: THE EVERETTES – "Soul Steps"
Videointerview mit HAERESIS
Krieg in der Ukraine:
previous arrow
next arrow
ArrowArrow
Slider

DT_Press_Foto_2010_web

„Ich finde den Gesang bei THE CLASH schrecklich!"

THE CLASH waren Ende der 70er sicher die populärste Schnittstelle zwischen Punk und Reggae, deren Anhänger damals ihre zum Teil sehr ähnlichen Lebensauffassungen erkannten und beispielsweise bei den "Rock Against Racism"-Veranstaltungen auch gemeinsam auftraten.

 

Bei Joe Strummer & Co. fand die Faszination für Reggaemusik auch stark musikalisch statt, was zeitlose Hits wie „Guns Of Brixton" beweisen. Cover- und Dubversionen ihrer Lieder gibt es bereits einige, die nun von DUB SPENCER & TRANCE HILL eingespielte Scheibe „The Clashification Of Dub" kann man wegen ihrer sehr freien Herangehensweise dennoch als wirklich herausragend bezeichnen. Die Schweizer bewiesen schon auf ihrem Vorgänger „Riding Strange Horses", wie entspannt und spannend zugleich man Rock- und Popklassikern neues Leben einhauchen und sie teilweise fast bis zur Unkenntnis verfremden kann. Puristen sollten demnach die Finger von ihren Veröffentlichungen lassen. Der gutgelaunte Bassist Marcel Stalder erzählte mir netterweise, wie es zum CLASH-Tribute-Album kam.

Wahrschauer: Gibt es wirkliche (Ex-)Punks bei euch in der Band?
Marcel: Nein, aber wir haben natürlich alle unsere Berührungen mit Punk gehabt, eigentlich vor allem durch den Sedel in Luzern. Das ist so ein großes Gefängnisgebäude am Stadtrand. In den ehemaligen Zellen sind seit Anfang der 80er Proberäume, in denen zu unserer Zeit vor allem Punkbands geprobt haben. Wir selbst waren allerdings nie Punks. Ich habe Ende der 80er mit Hardcore angefangen, als Bands wie PRO-PAIN oder SUICIDAL TENDENCIES sehr angesagt waren. Unser Keyboader hat schon früh mit Dub, unser Schlagzeuger mit Funk und unser Gitarrist mit Rock angefangen. Ursprünglich kommen wir also alle aus anderen Richtungen.

W: Wer kam auf die Idee, „The Clashification Of Dub" einzuspielen?
M: Nicolai Beverungen von unserem Label Echo Beach war von unserem letzten Album „Riding Strange Horses" so angetan, dass er uns quasi angestellt hat, dieses CLASH-Tribute einzuspielen. Wir haben dieses Angebot gerne angenommen, aber mit dem Vorbehalt, dass wir uns mehr Freiheiten rausnehmen wollen als beim letzten (Cover-)Album. Da hatten wir aufgrund der Verwendung der Originalvocals gewisse Leitplanken, was das Tempo und die Tonart betrifft. Mit den CLASH-Liedern wollten wir im Grunde genommen genau so arbeiten wie mit unseren eigenen Stücken. Diese jammen wir live im Studio, bis das Grobgerüst steht. Diesmal war es eigentlich genau das Gleiche, bloß dass wir gewisse Motive schon hatten. Manche Songs orientieren sich am Basslauf, wie beispielsweise „Guns Of Brixton", und sind demnach schneller zu erkennen, andere wie „This Is England" und „Lost In The Supermarket" sind deutlich weiter weg vom Original.

W: Ihr habt diesmal komplett auf Vocals verzichtet. Warum?
M: Unsere letzte Scheibe führte vielleicht in eine etwas missverständliche Richtung, weil sie viele Vocals enthielt, obwohl wir live zu 90 Prozent eine instrumentale Dub-Band sind. Deshalb haben wir diesmal komplett drauf verzichtet, wobei wir live wiederum bei „London Calling" und „Bankrobber" zumindest kurze Gesangsparts haben.

W: Ein paar Songs sind schon im Original Reggaestücke und daher nahe liegend für eine Dubversion. Wie verlief die Auswahl der restlichen Songs?
M: Wir hatten eine Wunschliste von Nicolai, die vor allem aus diesen Reggaenummern bestand. Dazu haben wir uns durch eine Menge anderer Lieder durchgehört. Entscheidend war eigentlich immer nur, ob wir eine Idee zum jeweiligen Originalstück hatten.

W: Welches Album von THE CLASH findest du persönlich am stärksten?
M: Vielleicht wäre es besser, wenn du das gar nicht schreibst, aber ich muss gestehen, dass ich persönlich gar kein großer CLASH-Fan bin und selbst nur eine Best-Of-Compilation besitze. „London Calling" und „Should I Stay Or Should I Go" kenne ich natürlich schon seit meiner Kindheit, aber ich stehe da nicht wirklich drauf. Lustig ist, dass einige Schreiber uns dafür loben, dass wir auf der Scheibe auf den Gesang verzichtet haben, weil man sowieso an die Qualität des Originals nie rankommen würde. Ich persönlich finde den Gesang bei THE CLASH schrecklich! Eigentlich ist keiner von uns der Überfan, es ist ein klarer Wunsch von Nicolai gewesen. Wir hatten auch ein bisschen Bedenken, nach einer reinen Coverplatte direkt noch eine weitere zu veröffentlichen. Wir dachten, dann haben wir endgültig Stempel weg, dass wir eine Coverband sind. Das wollten wir eigentlich nicht und haben es dann trotzdem gemacht. (lacht)

W: Reine Coverprojekte haben es oft schwer, sich zu halten, weil entweder schnell der Gag durch ist oder keiner die eigenen Songs hören will. Meiner Meinung nach habt ihr dieses Problem nicht, da eure Versionen sehr frei sind und dadurch den eigenen Stücken ähneln. Was steht als Nächstes an?
M: Sicher kein weiteres Coveralbum. (lacht) Wir werden wohl gemeinsam mit Umberto Echo zusammen eigene Stücke aufnehmen. Es könnte sein, dass auch mal eine Liveplatte erscheint. Da würden sich dann eigene Stücke mit Coverversionen abwechseln. Momentan haben wir sieben CLASH-Songs im Liveset, klar verändert sich das mit der nächsten Platte wieder. Eigentlich ist das aber auch alles gar nicht so wichtig, weil unser Publikum bei den Coversongs ja auch nicht mehr oder weniger abgeht als bei unseren eigenen. Und vielen, die sich nicht so mit THE CLASH oder dem Roots-Reggae der 70er auskennen, fällt es auch gar nicht weiter auf, wenn wir „Police & Thieves" spielen.