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amandapalmerGanz großes Theater!

Nach wochenlanger Heavy Rotation im heimischen CD-Player ist eine Sache klar: „The Killing Type“ überstrahlt die anderen Songs von „Theatre Is Evil“. Kein Wunder: Selbst unter den denkbar schlechtesten Hörvoraussetzungen - also als 20-Sekunden-Snippet in mieser Tonqualität über die verfilzten Kopfhörer einer seelenlosen Elektronikmarktkette - trifft es dich ins Mark. Vielleicht ist es der Kontrast zwischen melancholisch-mitreißender Melodie und äußerst straightem Beat. Vielleicht ist es der Text, der auf beruhigend klare Weise ein sehr kompliziertes Gefühl erklärt. Vielleicht ist es Amanda Palmers Stimme, die direkt aus ihrem Herzen zu sprechen scheint. Vielleicht ist es alles zusammen und wahrscheinlich ist es noch viel mehr als das...

 

 

 

Dass ein Lied das ganze Album überstrahlt, bedeutet in diesem Fall nichts Negatives. Im Gegenteil: Man beginnt, die Magie aus „The Killing Type“ in den anderen Songs zu suchen - und sie in den erstaunlichsten Winkeln zu entdecken. Ob im punkigen „Do It With A Rockstar“, das an Marc Bolans Glamrock erinnert, im seltsamen Synthiefanfarenintro von „Want It Back“, in der Schwermut von „Grown Man Cry“ - man kann sie spüren, die Magie, in jedem einzelnen Song. Es ist gut, dass das instrumentale „A Grand Theft Intermission“, das einzige nicht von Amanda Palmer komponierte Stück, das intensive Hörerlebnis genau in der Mitte des Albums orchestral unterbricht, ohne dabei den Fluss zu stören.

 

Einen entscheidenden Anteil daran dürfte das Grand Theft Orchestra haben. Jherek Bischoff, Komponist der „Grand Theft Intermission“, spielt meistens Bass und ist außerhalb des GTOs Produzent, Komponist und sein eigener Aufnahmeleiter. Multiinstrumentalist Chad Raines, hier hauptamtlich Gitarrist, macht sonst partytauglichen Discorock mit seiner Band THE SIMPLE PLEASURES. An den Drums sitzt Michael McQuilken, Komponist, Regisseur, Autor. Allesamt Künstlerpersönlichkeiten also, die der Autorin, Sängerin, Pianistin, Schauspielerin und Performancekünstlerin Amanda Palmer auf Augenhöhe begegnen können. Sie alle sind hungrig auf Kunst. Das macht das Grand Theft Orchestra nicht nur zu einer Band, sondern zu einem entscheidenden Bestandteil des Sounds und des Vibes von „Theatre Is Evil“. Im Hinblick auf den hemmungslosen, kreativen und vor allem spielerischen Eklektizismus des Albums kommt einem unweigerlich Prince in den Sinn, in dessen Werk man seine musikalischen Vorbilder wie SLY & THE FAMILY STONE, Little Richard, SANTANA oder James Brown hören kann - dem es aber im Gegensatz zu Amanda Palmer nie gelungen ist, auf seine Mitmusiker zu hören.

 

 

Auch „Theatre Is Evil“ hört man seine musikalischen Wurzeln an. Es erinnert an Tori Amos („The Bed Song“), die alternativen 80er, die DRESDEN DOLLS (Bottom Feeder), und, wirklich, auch an Prince - insbesondere im verschachtelt-treibenden „Massachusetts Avenue“, das mit der THE-KNACK-Hommage „Melody Dean“, dem autobiographischen „Berlin“ und dem musikalisch ausgelassenen „Olly Olly Oxen Free“ das furiose Finale eines furchtlosen Albums einleitet. Fast ein bisschen traurig, dass die Öffentlichkeit sich von den Begleitumständen, unter denen das Album entstanden ist, von der Musik hat ablenken lassen - denn die Begleitumstände sind auf dieser Wahnsinnshochzeitstorte von einer Platte gerade mal ein Sahnehäubchen. Man muss also nicht wissen, dass ´“Theatre Is Evil“ von Amanda Palmers Fans via Crowdfunding finanziert wurde. Außer, man will ihnen dafür danken. Und das wiederum wäre angebracht. Also THANK YOU, Amazing Fucking Fans of Amanda Fucking Palmer!


TIPP: In der nächsten WAHRSCHAUER-Ausgabe (Frühjahr 2013): Interview / Story mit und über Amanda Palmer!

 

(Cooking Vinyl / Indigo - VÖ: 14.09.2012)