spirit_festival_2.jpgPOGO, MATSCH und GUTE LAUNE!

Barby / 05.09.08 – 06.09.08: Letztes Jahr startete das Festival, fiel jedoch fast dem schlechten Wetter zum Opfer, denn es regnete fast durchgehend von Freitag bis Sonntag. Nach dem Motto „Einmal ist kein Mal“, ging es dieses Jahr in die zweie Runde. Die Wetteraussichten waren zwar nicht wirklich besser, aber dieses Mal wollten wir es wagen und fuhren nach Barby.
 
Freitag um 13.30 Uhr verließen wir die Großstadt Berlin, um ins Nest Barby bei Magdeburg zu fahren. Gegen 16.00 Uhr kamen wir auf dem Festivalgelände an und es wurde gerade ein Punkermädel in einen Krankenwagen verladen. Und das vor Beginn der ersten Band... Wir nahmen uns vor es nicht so krass anzugehen, parkten und brachten unsere sieben Sachen auf den Zeltplatz. Beim Spirit Festival ist Zelten und Parken getrennt, zumindest war es so vorgesehen. Dennoch sah man am Samstag Morgen doch einige Zelte auf dem Parkplatz. Nach dem Aufbau ging es gut gelaunt mit dem ersten Bier im Blut auf Erkundungsrunde. Der Zeltplatz füllte sich zusehends mit vielen Skins, vielen Punks, einigen Psychobillys und auch einigen ‚normal’ aussehenden Leuten. Die Stimmung war gut, das Wetter auch. Ein See war auch am Festivalgelände, und so stiegen die ganz Mutigen sogar in die kühlen Fluten.
 
So verging die Zeit und erst die vierte Band sah ich mir an: C.O.R. aus Rügen. Sie spielte viel zu früh, es war 18.20 Uhr und die Meute vor der Bühne gut gelaunt. Die Jungs von der Insel sahen noch etwas verschlafen aus, ließen sich aber von der guten Stimmung mitreißen und wurden von Song zu Song wacher. Sänger Friedemann beschwerte sich über die hohe Bühne, denn diese war für alte Leute, also über 30, nicht mehr so leicht zu erklimmen. Er ließ sich davon aber nicht abhalten und so sah man ihn oft im Graben vor die Bühne, um dort mit den ersten Reihen zusammen die Songs zu singen. Wie immer lieferte die Band eine super Show ab. Ihre Songs sind Infernale, ihre Musik der Soundtrack zum Untergang. C.O.R. sind einmalig! Kaum hatte man sich warm gepogt, war die Band auch wieder verschwunden. 25 Minuten sind definitiv zu wenig für eine Band dieses Kalibers. Das meinte auch die nächste Combo, D.D.P. Sie spielte ein Best Of-Set, was nicht nur mir sehr gut gefiel. Die Stimmung war super und stieg mit jeder Minute. Ihr werdet in unserer nächsten Ausgabe noch von der Band hören und lesen.

Der Auftritt der Berliner Oi-Punker BERLINER WEISSE folgte. Vor der Bühne war es gerappelt voll. Kaum betraten sie die Bühne und ließen die ersten Töne erklingen, ging der Pogo und das Mitsingen los. Melodischer, druckvoller Oi mit einer guten, humorvollen Portion Proll ist ihr Stil. Als Support von PÖBEL & GESOCKS und DIE KASSIERER stellten sie ihr Können bereits genauso unter Beweis wie an diesem Nachmittag. Natürlich durfte das beliebte Spiel “Prost Ihr Säcke…“ nicht fehlen! 30 Minuten prima Party. Und die Nacht war gerade erst angebrochen...

Es folgten die DÖDELHAIE. Als eine der Deutschpunkikonen hatten sie es nach BERLINER WEISSE leicht. Auch hier gab es eine bunte Mischung aus neueren Songs und alten Klassikern. Auch wenn die Band optisch vielleicht nicht so viel hermacht, sind die Songs nach wie vor aktuell und klasse. Und genau das zeichnet eine gute Band aus, nämlich zeitlose Songs zu schreiben. Um 21.20 Uhr gab es für die Oi – Fraktion mit den KRAWALLBRÜDERN aus dem Saarland ein weiteres Highlight. Die Band hat sich vor allem in den letzten 3 Jahren mit ihrem druckvollen, leicht prolligen Oi einen hohen Bekanntheitsgrad erspielt. Auch heute sah man, dass viele Festivalbesucher sich auf sie freuten. Die Stimmung war super und das Bier floss in Strömen. Man feierte zusammen. Nach der Band aus dem Saarland kam eine der bekanntesten Bands aus dem Psychobillybereich auf die Bühne: DEMENTED ARE GO. Besonders für die Psychobillys unter dem Publikum war die Band ein Highlight, aber auch unter den Punks und Skins haben sie viele Fans. Der schräge Gesang von Sparky, gepaart mit dem abgedrehten, leicht wahnsinnigen Sound ihrere Musik, macht DEMENTED ARE GO immer wieder zu einem Erlebnis. Da ich mir jetzt eine Pause gönnte, erlebte ich ihren Auftritt vom Zelt aus.
 
Leider wurde meine Pause etwas lang, denn im dunklen Zelt fielen mir die Augen zu. So nahm ich die folgenden, großartigen SPRINGTOIFEL aus Mainz nur noch kurz wahr und fiel in einen unruhigen Schlaf. Ab und zu weckten mit VOLXSTURM noch mit ihrer Musik, bevor ich bei den SKATOONS endgültig ins Reich der Träume driftete. Die letzte Band, die um 02.00 Uhr die Bühne betrat, war DRITTE WAHL. Ich wurde pünktlich zum Beginn wach, aber aufraffen konnte ich mich nicht mehr. So hörte ich mir “Greif ein“ und weitere klasse Songs der Rostocker Band in meinem Schlafsack an.
 
Gegen 09.00 Uhr am nächsten Morgen wachte ich auf. Einigermaßen fit krabbelte ich aus meinem Zelt und widmete mich der Morgentoilette. Mein Blick über den Zeltplatz zeigte viele Gesichter, die wie ich gerade wach wurden. Einige blickten mehr oder weniger verkatert gen Himmel und hofften, dass es trocken bliebe. Die Zeit bis zum ersten musikalischen Auftritt verbrachte man mit gepflegtem Rumhängen, Frühstück und dem ersten Bier. Ganz Mutige wagten auch wieder ein kleines Bad im See.
 
Mit HÖRINFARKT begann um 12.00 Uhr die erste Band, sie klang ziemlich rumpelig. Irgendwo zwischen Deutschpunk und Skapunk haben sie ihr Zuhause gefunden. Gefallen haben sie mir nicht wirklich gut, aber vielleicht war es auch einfach zu früh am Morgen...

spirit_festival.jpgAls zweite Band begab sich um 12.40 Uhr GLEICHLAUFSCHWANKUNG auf die Bühne. Innerhalb von 5 Minuten gesellten sich mehrere hundert Punks dazu. Die Band hat mit ihrem großartigen Mundartlied “Kotz in den Schrank (Punks understand no Fun)“ in der Szene einen kleinen Hit gelandet. Mit diesem Song eröffneten sie den Reigen an lustigen und kranken Stücken. Zu fast jedem Titel zogen sich Sänger und Sängerin etwas anderes an, und führten politisch korrekten Punk ad absurdum. Es erinnerte ein wenig an HEITER BIS WOLKIG, jedoch mit mehr Musik. Die 25 Minuten, die sie zur Verfügung hatten nutzten sie und kamen gut bei den Leuten an.
 
Weitaus politisch motivierter zeigte sich die nächsten Band, die DAILY TERRORISTEN. Teilweise mit Songs von DAILY TERROR und teils mit neuen Songs im Gepäck, lieferten sie gute 25 Minuten voll Deutschpunk mit einer Portion Rock ab.
 
Zum Fröhlich sein und Singen lud danach OXO86 aus Bernau bei Berlin ein. Trinkfester Party-Oi mit Texten zwischen Politik und Spaß, aber immer mit einem Augenzwinkern - so lässt sich ihre Musik wohl am besten beschreiben. Zur besten Kaffee- und Kuchenzeit gab es das erste Mal richtig Stimmung vor der Bühne.
 
SIK aus Stuttgart folgten. Trotz ihrem Bekanntheitsgrad konnte die Band nicht überzeugen. Einige Fans schauten sich das Set an, jedoch wurde wenig getanzt, und im Vergleich zu den Bands davor, war der Platz vor der Bühne recht leer. Nach SIK wurde aus unbekannten Gründen die Playlist geändert. Leider sah es der Veranstalter nicht als nötig an, dies zu verkünden oder neue Playlisten anzubringen. So musste man entweder auf die nächste Band warten oder andauernd zwischen Bühne und Zelt hin und her pendeln. Soweit ich weiß betraten die GUMBLES nach SIK die Bühne. Die Band aus dem hohen Norden hat in den letzten Jahren einen großen Sprung gemacht. Warum, das zeigten sie an diesem Nachmittag mit Nachdruck. Melodische Oi-Punk-Kracher wurden neben politischen Messages super rübergebracht. “OI, Mach´s Maul auf “ z.B. ist ein Song, der ganz klar Stellung bezieht und zeigt, dass Oi mehr ist als Saufen. Sie wären nicht die GUMBLES, hätte der Duff-Mann auf der Bühne nicht die Meute vor der Bühne angefeuert und mit leckerem Bier versorgt. Natürlich durfte der Song über Barney Gumble von den Simpsons auch nicht fehlen. Sie überzeugten total und legten ein wirklich tolles Set hin. Die Band wird von Gig zu Gig deutlich besser.
 
So langsam wurde es immer düsterer am Himmel und es fing an zu regnen. Da es noch einigermaßen warm war, störte das anfangs nicht. Doch es regnete immer mehr und der Platz vor der Bühne und vor dem Einlass verwandelte sich in eine glatte Matschfläche.
 
Als ich A.C.K. spielen sah stellte ich fest, dass sie ein tolles, wenn auch selten langsames Set hinlegten. Diesmal waren sogar die Texte gut zu verstehen. Ein bisschen baff war ich schon, muss aber sagen, dass mir dieser Gig von A.C.K. bisher am besten gefallen hat. Hochpolitische Texte muss man eben nicht immer schreien, dass keiner sie versteht. Die Stimmung war allerdings recht verhalten, was der Band nicht verborgen blieb. Die Kommentare der Band erspare ich mir an dieser Stelle, aber der Tenor war, dass wohl hier Bands mit politisch, sozialkritischen Texten nicht so gerne gesehen seien..

Dies kann ich so nicht stehen lassen, denn als FAHNENFLUCHT die Bühne betrat, wurde es davor mindestens doppelt so voll wie bei A.C.K.. FAHNENFLUCHT haben schon mit ihrem ersten Album “Beissreflex“ einen Meilenstein im Deutschpunk hingelegt. Die beiden weiteren Alben kamen zwar nicht ganz an dieses heran, sind jedoch besser als das meiste, was es im Deutschpunk momentan gibt. Sie spielten ein tolles Set, in dem Songs aller Alben platziert waren. Es wurde mitgesungen und ordentlich gepogt. FAHNENFLUCHT konnte also auch an diesem Tag wieder überzeugen. Am vierten Album wird gebastelt. Großartiger Deutschpunk, der besser kaum sein kann.

ZAUNPFAHL hatte ich mir ein knappes Jahr nicht mehr gegeben und so war ich gespannt, was die Band aus Teterow in Mecklenburg-Vorpommern zu bieten hat. Besonders beim jüngeren Publikum kam ihre Mucke fantastisch an. Sie spielten einen bunten Mix ihrer bisherigen Alben, ein wirklich gut zusammengestelltes Set. Die Stimmung war toll und der Band machte es sichtlich Spaß. Danach kamen, glaube ich, DIE TORNADOS mit schönem, tanzbaren Ska. Ich hörte sie mir von meinem Zelt aus an, denn es war der einzige Platz, der noch trocken war und wo noch ein paar Dosen Gerstensaft nach Leerung schrieen. Flaschen waren auf dem Gelände tabu, so musste man auf Plastikflaschen oder Dosen ausweichen. Obwohl nur gehört, gefielen mir DIE TORNADOS sehr gut. Einige Coverversionen bekannter Klassiker lockerten die Playlist auf.
 
Der Regen ließ nicht nach. Trotzdem trieb der BETONTOD mich aus dem Zelt. Die wollte ich mir trotz des widrigen Wetters ansehen. Und da meine Begleitung einen Regenschirm mithatte (natürlich nur, damit der Iro nicht nass wird und abknickt) wurde ich den Abend über nicht allzu nass. Allerdings hätte ich mir die Band aus Rheinberg auch vom Zelt aus anhören können. Dann wäre mir das Posing des Sängers nicht aufgefallen, das fast komplett von TOTEN HOSEN Sänger Campino geklaut war. Es gab alles, was man von Campino auch kennt, inklusive Traverse-Klettern. Musikalisch und textlich ist die Band nicht übel, aber ich kam mir schon manchmal vor wie im Kindergarten. Irgendwie bin ich zu alt dafür. Und wenn ich mir Campino ansehen will, gehe ich zum Original.
 
Danach kamen THE METEORS, wenn ich mich recht entsinne. Wegen dem schlechten Wetter hörte ich mir die Band aus meinem Zelt an. Noch dort bekam ich vom Sound Gänsehaut. Sänger P. Paul Fenech schafft es immer wieder, mit seiner Stimme einen in seinen Bann zu ziehen!! Der düstere Psychobilly–Sound tat sein übriges. Gesehen habe ich definitiv noch FUCKIN´ FACES. Die Band ist an mir bis dato komplett vorbeigegangen. Seit ein paar Jahren spielen sie ausgewählte Konzerte, aber irgendwie hatte ich sie nie gesehen. Eine Schande, denn sie sind wirklich gut - textlich wie musikalisch. Trotz ihres Alters sind FUCKIN´ FACES immer noch eine verdammt gute Deutschpunkband.

Ich erlebte noch PERKELE aus Göteborg/Schweden. Sie genießen im Oi–Bereich absoluten Kultstatus, wurden aber nicht nur von den Skinheads frenetisch empfangen. Die Rockstarallüren beim Aufbau hätten nicht sein müssen, aber was es dann eine Stunde zu hören gab, war feinster Working Class Oi, der seine Wurzeln in den vergangenen Zeiten hat.
PERKELE spielten absolut sauber ein Set, was mich umhaute, auch wenn es aufgrund mangelnder musikalischer Abwechslung zum Ende hin etwas langweilig wurde. Von der Message her wurde ich stark an THE MOVEMENT erinnert, die es leider nicht mehr gibt. PERKELE haben ihren Status absolut verdient, wobei ich mir hier und da etwas mehr Tempo gewünscht hätte...

Als letzte Band spielten THEE FLANDERS aus Potsdam. Mit düsterem, sehr horrorlastigem Psychobilly schlief ich in meinem Zelt ein, während der Regen unablässig auf das Zeltdach trommelte.

Der nächste Morgen: Sonnenschein und nasse Wiese. Große Schlammflächen beim Eingang sowie auf den Hauptwegen des Platzes. Wir packten unsere sieben Sachen und machten uns auf den Weg nach Berlin. Fazit: Tolles Festival, absolut vorbildliches Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein super Line-Up und dazu noch durchgehend gute Stimmung. Wäre das Wetter noch besser gewesen, hätte es noch mehr Spaß gemacht. Nächstes Jahr bin ich mit Sicherheit wieder dabei! Das Spirit Festival ist eine echte Alternative zum großen Force Attack.