Wo das Grauen der Nacht Party feiert

PsychomaniaRumbleNo4_Flyer

Potsdam / 01.05.2010 im Lindenpark:
Nachdem ich in 2009 verhindert war, hab ich es zumindest im Jahr 2010 geschafft, an einem der größten und besten Psychobilly-Festivals in Deutschland teilzunehmen.

Am Samstag war das Line-Up mit GUANA BATZ und COFFIN NAILS sowie THEE FLANDERS schon hochkarätig besetzt und die Stimmung wohl auch sehr gut. Konnte das Sonntag noch gesteigert werden?
Das Line-Up dieses Tages versprach keine geringeren als MAD SIN und KING KURT, aber auch einige andere Bands, so dass sich das frühe Kommen lohnte. Das beschauliche Griebnitzsee mit seinen großen Grundstücken und gediegenen Häusern wollte an diesem Tag gar nicht zu dem anwesenden Publikum aus jeder Menge Psychobillys, Rockabillys und Rock´n´Rollern passen. Im Lindenpark war es noch sehr ruhig, als wir gegen 17.30 Uhr eintrafen. Wir sahen uns die kleinen und größeren Veränderungen an, die der neue  Träger vollzogen hatte und machten es uns im Biergarten hinter dem Haus gemütlich. Langsam trudelten immer mehr freakige Gestalten ein, manche noch gezeichnet vom Vorabend und manche frisiert und geschminkt, wie frisch aus dem Ei gepellt.

Als erste Band des Abends betraten BROWN VAMPIRE CATZ aus Brasilien die Bühne des Saals. Zu Beginn der Show waren vielleicht 50 Leute anwesend, was natürlich ein trauriger Anblick war. Als erste Band des Abends hat man es immer schwer. Davon ließen sich die drei Brasilianer jedoch nicht aus der Ruhe bringen und spielten ein gutes Set. Ihr Stil ist eher dem klassischen Billy zuzuordnen, mit dem Druck der heutigen Tage. Sänger und Gitarrist Preto gab sowohl mit seiner guten und variantenreichen Stimme, als auch mit seinem virtuosen Gitarrenspiel den Songs die Akzente, die ihnen eine eigene Note verleihen. Der Sound war sehr gut, und für einen Opener war die Band nicht übel.

Die zweite und dritte Band bekomme ich nicht mehr ganz zusammen, aber es traten noch SURF RATS und RAMPIRES auf. Die SURF RATS spielten traditionellen Billy, jedoch mit einer ordentlichen Prise Country und einem kleinen Schuss Hillbilly. Also eher was für die countryliebende Fraktion - wobei der Slap-Bass den Songs ordentlich Druck gab. Die Ratten gaben insgesamt eine gute Vorstellung ab.

Die RAMPIRES aus Münster spielten im Gegensatz zu den bisherigen Bands neuzeitlichen Psychobilly mit viel Druck. Der Sound vor der Bühne klang allerdings so, als ob die Band einfach zu viel will. Aus dem Soundbrei war kaum noch herauszuhören, ob das jetzt Punk, Psychobilly, Punkabilly oder artverwandtes mit Einflüssen von Rock und Hardcore war. Schade, denn die Band gab sich Mühe. Insbesondere der Sänger hüpfte auf der Bühne herum und tat alles, um das anwesende Publikum (das mittlerweile die Zahl von ca. 150 – 250 Leuten erreicht hatte) zu animieren. Leider konnten die RAMPIRES nicht richtig überzeugen.

Als vierte Band - und als kleiner Höhepunkt des Abends - betraten BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE die Bühne. Über die Band aus Wien freuten sich die meisten Anwesenden im Saal, besonders die anwesenden Frauen. Vor der Bühne wurde es das erste Mal etwas enger. Die Untoten aus Österreicher waren alle schön schaurig geschminkt, wobei Sänger und Stand-Up-Drummer Dead "Richy" Gein besonders blutig zugerichtet war. Auch im Billy ist Stand-Up Drum spielen nicht mehr so häufig, und so war die Band auch abgesehen von ihrem Aussehen sehenswert. Es gab feinsten melodischen Psychobilly / Horrorpunk mit blutrünstigen Texten. Die Band, die für Geschwindigkeit und Melodie bekannt ist, gab ordentlich Gas und das Publikum dankte es mit Beifall und den ersten Tänzchen. Leider war der Sound wieder nicht ganz optimal. Trotzdem war es ein toller Auftritt, der (nicht nur für mich) als erster Höhepunkt des Abends galt.

Danach begaben sich die drei Ungarn von GORILLA auf die Bühne. Sie brachten sehr cleanen Psychobilly neuester Schule. Der Sound war trocken und auf den Punkt genau gespielt. Sänger und Gitarrist Pete sang die Songs mit hoher Präzision und trotzdem mit viel Charisma. Manchmal kam es mir so vor, als ob Bands wie BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE mit dem Horrorklischee nur spielen, die GORILLAS das aber ernst nehmen. Es war schon manchmal beängstigend. Dem Publikum schien es aber zu gefallen. Mittlerweile waren der Saal und auch der Biergarten gut gefüllt.

Nun kamen auch die Headliner auf die Bühne, und die wollte schließlich keiner verpassen: SPELLBOUND aus Irland. Jetzt gab es richtig was Gutes auf die Ohren. Gegründet 1986, viele Höhen und Tiefen erlebt, sind SPELLBOUND aus Dublin seit ein paar Jahren wieder aktiv. Dass die Band nix von ihrer alten Klasse verlernt hat, merkte man von den ersten Sekunden an. Die eindringlich, charismatische Stimme des Sängers gibt den Songs etwas, das Gänsehaut erzeugt und unter die Haut geht. SPELLBOUND spielen eher Neo-Rockabilly, sie bezeichnen es auch gerne als Rockin´Psychobilly. Auf jeden Fall klingt es nach Billy der älteren Schule. Dieser kam während des ganzen Sets perfekt rüber. Abwechslungsreich, atmosphärisch und richtig in die Beine gehend. Zu SPELLBOUND gab es das erste Mal an diesem Abend einen recht guten Wrecking-Pit.

Jetzt standen nur noch zwei Bands auf der Playlist. Als nächstes gab es dann Punkabilly, Psychobilly und Neo-Rockabilly von den wahnsinnigen Mannen rund um Sänger Köfte... Die Rede ist von MAD SIN! Nach einem kurzen Intro kam MAD SIN auf die Bühne. Ohne Luft zu holen ballerte die Band erstmal drei Songs ins Publikum. Mittlerweile waren ungefähr 450-550 Leute im Saal. Mit den ersten Tönen lebte ein großer Wrecking-Pit auf. Die ersten Songs waren größtenteils vom aktuellen Album. Insbesondere "Cursed" und "Last Gang Standing" sind live richtige Kracher. Sicher wird "Cursed" ein All-Time Favorite werden. Die Band gab dem Publikum kaum Zeit, Luft zu holen. Die erste halbe Stunde wurde ein heißer Mix aus Punkabilly und Psychobilly geboten, der einen mit offenem Mund vor der Bühne stehen ließ. Die Stimmung war grandios und die MAD SIN waren gut drauf. Schön war auch die Frage von Köfte, ob Berliner da wären. Daraufhin meldete sich der halbe Saal. Selten, dass mal so viele Berliner nach Potsdam kommen. Im Laufe des Konzertes zerkloppte der verrückte Köfte sein Gesangsmikro an seiner Stirn. Ein neues Mikro war schnell gefunden, dieses wurde aber auch nicht verschont. Wenig später gab es ordentliche Pyros aus dem Kontrabass, welche die vorderen Reihen noch zusätzlich erwärmte. Erst zum Ende des Sets wurde das Tempo etwas gedrosselt. Hellvis sang dann noch sein bekanntes Elvis-Cover und einen weiteren Song, halb im Duett mit Köfte. Und dann war die Band auch wieder weg. Die Zeit verging superschnell. Haben sie eine Stunde gespielt? Oder nur 20 Minuten? Vom Set her hatte mir die Band in Krakau dieses Jahr noch fast besser gefallen, aber es waren nur Nuancen. Das anwesende Publikum war nass geschwitzt und sehr glücklich.

Jetzt schnappte man draußen noch mal kurz Luft, bevor KING KURT den Abend beenden würde.
Der ließ sich lange Zeit. Als Schlagzeuger und Kontrabasser auf die Bühne kamen, gab es ein musikalisches Intro, bei dem Sänger Smeg erst mal die Playlist seinen Bandkollegen vorlegte. Dann stellte er fest, dass er kein Mikro hatte, was ihn zu fragwürdigen Kommentaren zu Köfte von MAD SIN hinreißen ließ. Die beiden scheinen an dem Abend nicht die besten Freunde geworden zu sein... Als dann endlich ein Mikro gefunden war, fand KING KURT überraschend schnell zu sich und sie spielten zur Begeisterung aller ein schnelles, druckvolles Set, welches beeindruckte. Das Publikum gab noch mal alles und feierte diese alten Helden des Psychobilly.

Später in der Nacht zog der Mob der Untoten wieder in ihre Löcher. Auf dass sie im nächsten Jahr wieder anwesend sind. Das PSYCHOMANIA-FESTIVAL war wieder mal sehr gut, von den Bands her, der Organisation und auch den Preisen im Club. Perfekt wäre es, wenn der Lindenpark noch einen besseren Boden hätte. 8 Stunden stehen geht hier ganz schön in die Knochen...