Nick Cave SkeletonÜberwältigend düster

Das neue Album „Skeleton Tree“ von NICK CAVE & THE BAD SEEDS hat kaum etwas gemein mit dem erfolgreichen, von der Kritik gelobten, fast schon „edelpoppigen“ Vorgänger „Push The Sky Away“. CAVE und seine Band haben sich auch in früheren Werken in Abgründe der Düsternis begeben, aber „Skeleton Tree“ ist zu einem Destillat aus Schmerz und Trauer geworden – mit einem tragischen Hintergrund.

Während die Band im vergangenen Jahr schon am Album arbeitete, kam einer von NICK CAVEs 15-jährigen Zwillingssöhnen beim Sturz von einer Klippe ums Leben. Das änderte alles. CAVE tat, was ein Künstler eben tut, um seine Gefühle auszudrücken: Er versuchte, das schwere, persönliche Trauma, den Schmerz in seiner Arbeit auszudrücken und zu verarbeiten. Dementsprechend blieben die BAD SEEDS beim Songwriting außen vor und fungierten für „Skeleton Tree“ lediglich als Begleitband, während CAVE die insgesamt acht Songs des Albums zusammen mit Warren Ellis erarbeitete. Ellis ist bereits seit längerer Zeit CAVEs musikalischer Partner und engster Vertrauter. So haben die beiden etwa schon hervorragende Film-Soundtracks geschrieben – unter anderem für den Australien-Western „The Proposition“ oder „The Assassination of Jesse James“. Dementsprechend klingt das Album auch eher nach diesen Arbeiten, als nach der Band NICK CAVE & THE BAD SEEDS.

Die Songs sind sehr direkt, roh, wirken teils unfertig und vor allem düsterer und melancholischer als die BAD SEEDS der letzen Dekade. Es ging bei „Skeleton Tree“ offensichtlich weniger um klassische Songs, als um den Ausdruck schwer fassbarer Gefühle. Am ehesten passen die Songs bezogen auf die BAD SEEDS noch zu den zwei Extrastücken „Needle Boy“ und „Lightning Bolts“, die der Deluxe-Version von „Push The Sky Away“ auf einer Bonus-CD beigefügt waren. Sie passen nicht zum restlichen Album, da Sie sehr sperrig sind und ohne klassische Songstruktur auskommen. Dennoch sind sie düster-faszinierend und intensiv.

„Skeleton Tree“ startet mit „Jesus Alone“ und dessen elektronischen, geisterhaft-wabernden Klängen. CAVE rezitiert ausdruckslos, direkt Bezug nehmend auf den Tod seines Sohnes Arthur: „you fell from the sky, crash landed in a field near the river Adur…“. Das jagt einem sofort Schauer über den Rücken. Beklemmend. Intensiv. Dieses Gefühl hält einen über das gesamte Album gefangen. „Rings of Saturn“ klingt schräg, mit verfremdeten Kirchenorgel-Klängen und einem erschreckend kraftverlassenen, gebrochenen Sprechgesang. Auch im weiteren Albumverlauf windet und klagt sich CAVE bedrückend authentisch durch acht Songs, welche die Trauer spür- und nachvollziehbar machen, wenn man sich darauf einlässt.

Der Höhepunkt ist sicher „I need you“, auf dem NICK CAVEs Verzweiflung derart schwer zu ertragen ist, dass man schon aus Stein sein muss, um nicht berührt zu werden. Danach spendet „Distant Sky“ mit der angenehm umschmeichelnden Sopranstimme von Gastsängerin ELSE TORP Trost. Erst dann entlässt einen der getragene Abschluss- und Titelsong „Skeleton Tree“, der andeutet, dass das Leben immer irgendwie weitergehen kann, egal wie schmucklos und karg es sich anfühlt. Ein unglaublich intensives, starkes und berührendes Album, das allerdings nichts für Leute ist, die sich nicht auf die Düsternis und Melancholie einlassen können.

Bad Seed Ltd. via Kobalt Label Services/Rough Trade - VÖ: 09.09.2016

- Jo Neujahr