KURT TUCHOLSKY & GERHARD GLÜCK
Haben. Sein. Und gelten.

Lappan Verlag Oldenburg – VÖ: 02.10.2013
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Zuletzt aktualisiert am: 01. Januar 2014

Gleich am Anfang dieses Artikels soll der Leser mit einer Frage getestet werden: Aus welcher Zeit stammen die folgenden, aus einem Gedicht gerissenen, Zeilen?

Jeder Filmfitze sagt: „Was soll ich machen? Das Publikum wünscht diese zuckrigen Sachen!“ Jeder Verleger zuckt die Achseln und spricht: „Gute Bücher gehen eben nicht!“ Sag mal, verehrtes Publikum: bis du wirklich so dumm?

So dumm, dass in Zeitungen, früh und spät, immer weniger zu lesen steht? Aus lauter Furcht, du könntest verletzt sein; aus lauter Angst, es soll niemand verhetzt sein.

Diese immer noch zutreffenden Reime schrieb Kurt Tucholsky zu Zeiten der Weimarer Republik. Sie stehen nun wieder in dem etwas zu dünnen, aber wunderbar gestalteten Buch „Haben.Sein.Und gelten.“, das in der neuen Buchreihe „LappanArt“ veröffentlicht wurde. Auf wenigen Seiten werden Autoren „von früher“ und Zeichenkünstler der heutigen Zeit zusammengefasst und einem hoffentlich großen Publikum näher gebracht. Neben dem bereits zitierten Gedicht „An das Publikum“ kann man noch Gereimtes über den Kölner Karneval, einen Badbesuch und das unsägliche Weihnachten in der Großstadt nachlesen. Alles ist wunderbar lustig, auf das Feinste gereimt und jeder Zeit für einen öffentlichen Auftritt geeignet. Glücks Cartoons bilden einen hervorragenden Rahmen, der bunt und verdammt witzig ist.

Der in Berlin geborene Kurt Tucholsky war der bekannteste Publizist der Weimarer Republik. Er schrieb nicht nur Gedichte, sondern vor allem war er Satiriker, Kabarettautor, Liedtextverfasser, Romanautor und Kritiker für die fortschrittliche Wochenzeitung „Weltbühne“. Nach dem Besuch des Gymnasiums steuerte Tucholsky eine juristische Karriere an, veröffentlichte aber auch schon Artikel in der SPD-Zeitung „Vorwärts“. Berühmt wurde er dann mit dem immer noch lesenswerten und als fortschrittlich und frisch geltenden Roman „Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte“, der verspielt-erotisch daherkommt und sich an die Jugend wendet. Um dem Buch hohe Verkaufszahlen zu bescheren, eröffnete Kurt Tucholsky für kurze Zeit am Kurfürstendamm eine Bücherbar, in der es beim Kauf des Buches einen Schnaps dazu gab. Danach schrieb er fleißig für die „Schaubühne“, die sich später in „Weltbühne“ umbenannte und von Siegfried Jacobsohn herausgegeben wurde. Von 1918 bis 1920 übernahm er auch die Redaktion des Humorblattes „Ulk“. Da der überzeugte Antimilitarist und Pazifist zu jedem Thema etwas schrieb, ob nun politische Leitartikel, Gerichtsreportagen, Glossen, Satiren, Rezensionen oder Gedichte, legte er sich gleich mehrere Pseudonyme zu, wie etwa: Ignaz Wrobel, Theobald Tiger, Peter Panter und Kasper Hauser. Unvergesslich sind seine Kabaretttexte für das Kabarett „Schall & Rauch“ und die Lieder für Claire Waldorff und Trude Hesterberg. Gerne und viel verfasste Kurt Tucholsky gegen den militärischen Geist, gegen die aufkommende Hetze und gegen die Kriegsideen.

Mitte der 1920er Jahre ging er dann als Mitarbeiter der hoch angesehenen „Vossischen Zeitung“ nach Frankreich, um dann ab 1927 dauerhaft in Schweden zu leben. Hier verfasste Tucholsky auch seinen Roman „Gripsholm“, der durch jugendliche Unbeschwertheit und Leichtigkeit besticht. Schweden wurde seine neue Heimat, weil in Deutschland langsam aber sicher Hitler die Macht übernahm, der Chef der „Weltbühne“, Carl von Ossietzky, auf der Anklagebank saß und man auch Tucholsky wegen seines geschriebenen Satzes „Soldaten sind Mörder“ vor Gericht zerren wollte.

Danach verstummte der große Schriftsteller fast. Das Ende seiner Beziehung zu Lisa Matthias, der Tod eines engen Freundes und ein chronisches Atemwege- und Nasenleiden verschlimmerten seine resignative Stimmung noch.

Schließlich verboten die Nationalsozialisten in Deutschland die „Weltbühne“ und verbrannten Tucholskys Bücher. Nach der Einnahme einer Überdosis Tabletten verstarb Kurt Tucholsky am 21.12. 1935. In 25 Jahren schrieb er mehr als 3000 Artikel in 100 Publikationen und veröffentlichte dutzende Bücher.

Wer sich nun an den vorliegenden Gedichten, die leicht und vergnügt daher kommen, ergötzt hat, sollte unbedingt zu weiteren Tucholsky-Büchern greifen. Keiner wird es bereuen.

ThoBe
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