THOMAS HECKEN
Theorien der Populärkultur. Dreißig Positionen von Schiller bis zu den Cultural Studies

transcript
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Zuletzt aktualisiert am: 19. Februar 2008
Der Begriff „Pop“ ist seit Ende der 70er Jahre ein mehr oder weniger schwammiger Allerweltsbegriff geworden, der alles und nichts aussagt. Der Hype des Begriffs war und ist unüberschaubar. Das Präfix „Pop“ musste seitdem für die unterschiedlichsten Bereiche herhalten – auf einmal gab es einen Forschungszweig zu „Pop-Theorie“, der von (ehemaligen) Spex-Journalisten als ein neuer geístiger Spielplatz erobert wurde, und in den 90ern mutierte selbst die an traditioneller autonomen Politik orientierte Antifa zu einer „Pop-Antifa“ – statt schwarz-weißer Plakate leuchteten einem auf einmal die Demoaufrufe in knalligen Neonfarben im Stadtbild entgegen. Wo „Pop“ anfängt und wo er aufhört ist umstritten - genauso was „Pop“ eigentlich ist. Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch die Frage, was „Popkultur“ auszeichnet bzw. ausmacht. Versuche, diese Fragen zu beantworten, füllen mittlerweile meterweise die Regale von Bibliotheken. Selbst renommierte Verlage wie Suhrkamp haben sich bereits dazu durchgerungen, Sammelbände mit Beiträgen selbsternannter ExpertInnen hierzu zu publizieren. Thomas Hecken versucht sich in seiner Studie gar nicht erst an einer näheren Definition des Begriffs. Lapidar schreibt er: „Mit dem Bild einer Volkskultur hat diese Populärkultur offensichtlich wenig zu tun“ (S. 7). Munter und fröhlich fährt er fort, in seiner Einleitung von der populären Kultur und ihren Ausdrucksformen zu schwafeln, ohne diese näher einzuordnen und verweist auf die zentrale Bedeutung der Forschung zu „populärer Kultur“ in unterschiedlichen wissenschaftlichen. Anhand 30 unterschiedlicher (meist aus männlicher Sicht geschriebenen) Theorien versucht er dieser Unübersichtlichkeit Herr zu werden. Im Zuge von 17 Kapiteln, in denen er die Wahrnehmung und Annäherung an populäre Kultur von Friedrich Schiller, über Susan Sontag und Roland Barthes bis Jürgen Habermas nachzeichnet, erschöpft sich seine Studie weitgehend. Bezüglich seines erkenntnisleitenden Interesses schreibt er in der Einleitung: „Die Frage ist dann, ob sich Theorien der Populärkultur in der Schematisierung solcher Einordnungen [z.B. Genres] und Merkmalslisten [z.B, Veröffentlichungsformen] erschöpfen müssen. Ein genauer Blick in die Geschichte verschiedener Disziplinen zeigt jedoch, dass es eine ganze Reihe interessanter theoretischer Ansätze gibt, die solche Klassifikationen mit Herleitungen, Begründungen und Differenzierungen versehen, welche ebenfalls zur Analyse einzelner Werke oder Rezeptionsakte äußerst fruchtbare Beschreibungsmuster und Ansätze zu empirischen Studien liefern – selbst wenn sie manchmal noch einen großen Teil ihrer Energie für die Durchsetzung ästhetischer Vorlieben bzw. elitärer oder manchmal auch angeblich volksnaher Machtansprüche aufwenden und oftmals ohne Abgleich mit anderen, benachbarten Ansätzen entstanden sind.“ (S. 9). Dem eigenen Anspruch, wichtige und lesenswerte Beiträge zur Theorie populärer Kultur darzustellen, wird er leider nur bedingt gerecht. In dem mit sechs Seiten Umfang nur sehr mageren ersten Kapitel, das die Überschrift „Friedrich Schiller: Popularität als Bildungsaufgabe“ trägt, taucht erst in den letzten Zeilen der dritten Seite sein Name überhaupt auf, dessen Theorie er unausgesprochen auf seine Kritik an der Poesie Gottfried August Bürgers aufbaut und reduziert. Die folgenden Beiträge sind zwar teilweise etwas ausgereifter, bleiben aber dennoch weitestgehend oberflächlich. Ärgerlich wird es vor allem, wenn Hecken versucht, die Komplexität von der Kulturkritik von Denkern wie Kracauer, Benjamin und Adorno in einem gemeinsamen Kapitel auf zehn (!) Seiten herunterzubrechen. Dabei zeigen sich auch deutlich seine blinden Flecken in der Theorie. Bezogen auf einzelne Werke wie z.B. Bourdieus „La Distinction“ lassen sich vielleicht erste Anregungen für eine Auseinandersetzung mit der Thematik „Populärkultur“ finden, aber bei weitem liefert er für den eigenen Anspruch sehr dürftige Ergebnisse. Sein Fazit biete dementsprechend auch keine neuen Erkenntnisse: „Der Begriff der populären Kultur ist oftmals ein wertender Begriff, der hohen Kultur entgegengesetzt. Die Gegenstände der populären Kultur gelten zumeist als oberflächlich, standardisiert, vulgär, trivial oder allzu reizvoll“ (S. 179). Ebenso fällt eine Einordnung jener Theorien für die Erfassung moderner Populärkultur aus, was eines der erklärten Ziele der Arbeit sein sollte. Keiner seiner Beiträge erreicht den Tiefgang, den mensch von einem habilitierten Wissenschaftler erwarten kann. An vielen Stellen tauchen zudem ärgerliche Formfehler (z.B. uneinheitliche Zitierweise) auf. Mehr Stringenz bei der Analyse und eine enger formulierte Fragestellung wären wünschenswert gewesen. Ebenso hätte mehr Transparenz bezüglich der ausgewählten Texte, ihre Brisanz und die zugrundeliegenden Kriterien ihrer Wahl Not getan. In der vorliegenden Form ist diese Darstellung ohne nennenswerte Relevanz und trägt keinesfalls zur Beantwortung der Frage bei, was „Populärkultur“ ist bzw. wie uns die Klassiker bei der Einordnung des Phänomen eine Hilfe leisten können.
chaos maurice
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