FREYGANG
XXX-Songs incl. Bonus-DVD

Buschfunk
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Zuletzt aktualisiert am: 04. Februar 2008
Wenn eine Musikrichtung vor genau so und so vielen Jahren erfunden oder zum ersten Mal gespielt wurde, geht es zum Jahrestag hoch her. In diesem Jahr ist es die Punkmusik, von der nun wieder jeder spricht und über die wichtige und unwich-tige Kenner verdammt dicke Bücher voll geschrieben haben. Besondere Würdigung erfahren die Punkbands aus dem Osten Deutschlands, denn sie hatten wenigstens richtig Staat und Regierung gegen sich. Da wurde verboten, bespitzelt und eingesperrt, von der Bühne geholt und am Ende doch zuge-lassen. Bands, wie SANDOW und DIE SKEPTIKER machten sogar die Drohung wahr, sich wieder zu reformieren und mit neuen Songs und alten Mitgrölern alle Fans von einst noch einmal zu beglücken. Christian „Flake“ Lorenz, der mittlerweile mit RAMMSTEIN Blut und Eisen vergöttert, veröffentlichte die Buch-CD „Grün & Blau“ mit alten Liedern und interessanten Geschichten. Nicht vergessen darf man in diesem ganzen Punkreigen die Band um Andrè Greiner-Pol: FREIGANG. Seit genau 30 Jahren spielen sie nun in der Republik rauf und runter; mal ohne Spielerlaubnis, dann durch Verhaftungen kurz unterbrochen, aber immer ungebrochen und mit der besten Musik. Zunächst hielt sich die Band am Blues fest, bis es zu einigen spektakulären Konzerten mit anschließenden Verboten kam, weil man sich nicht konform zum sozialisti-schen Kulturbetrieb verhielt. Nach dieser Unterbrechung entschloss sich Greiner-Pol, die Texte selbst zu verfassen und die Musik in die Punkrichtung zu lenken. Bis zum unwiderrufli-chen Aus 1986 kamen einige Verhaftungen und Verbote hinzu. Dann hatte man eine Verbotsbegründung auf dem Tisch, die Schmierbands wie KARAT, PUHDYS und CITY nie bekommen haben: „wegen obszöner Äußerungen und Belästigung des Publikums, wegen Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen und Störung des sozialistischen Zusammenlebens“. Von der Bühne weg kam Greiner-Pol in vergitterte Räume, die Türen ohne Griffe besaßen. Seit der Wende spielt das Quintett nun überall wo man will und wo man sie mag. Pünktlich zum 30. Jahrestag des Musikerkollektivs gibt es ein Liederbuch der Extraklasse. Die über 120 Seiten sind nicht nur für Musiker geeignet, sondern für alle Fans, die etwas über die Geschichte der Band erfahren möchten. Da Käpt`n Flint, wie Andrè Grei-ner-Pol wegen seines Aussehens gerne von seinen Fans genannt wird, auf Konzerten immer wieder von jungen Musi-kern gefragt wurde, ob sie seine Lieder spielen dürfen, ist er jenen nun ein Stück entgegen gekommen. Im Buch „XXX-Songs“ sind 30 Lieder mit Noten und Griffen vereint. Los geht alles mit dem Uraltsong „Der Schwätzer“ und dem kleinen Hit „Haste was, biste was“. Hier wird beschrieben, dass der Deutsche, ob nun Ost oder West, nur etwas gilt, wenn er Geld und Güter besitzt: „Ich hatte mal `nen Kumpel, der war ganz o.k./ ... / Über Luxus und Reichtum hat er nur gelacht, / da haben sie ihn fertig gemacht.“ Alles endet dann mit einem neuzeitlichen Song, der im 2. Vers das ausdrückt, was wir Lohnarbeiter schon immer dachten, aber nie zu sagen wagten: „Eure Zeit geht mal vorbei , /das müsst ihr schwer bedenken. / Alle Jahre vor der Wahl / das Stimmvieh reich beschenken. / Malt euch einen Dollarschein / schwarz oder rot hin. / Ihr könnt mit meiner Stimme rechnen, / wenn ich tot bin.“ Da FREYGANG in der hiesigen Musiklandschaft etwas Besonde-res sind, musste dieses Buch es ebenfalls werden: Zu den auserwählten Songs kamen viele passende Fotos, Zeichnun-gen und behördliche Weisungen. Man kann sich sogar richtig fest lesen, denn die einzelnen Musiker schrieben ihre Gedan-ken auf, erzählten Anekdoten oder Witze und gaben die richti-ge Spielanleitung. Außerdem ist dem Buch eine DVD beigege-ben, die FREYGANG live präsentiert. Das streng limitierte Buch erinnert auf jeder Seite an ein Fanzine, es ist alles so schön anarchistisch.
Thobe
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