BAND: TONIA REEH
ALBUM:

LABEL: Clouds Hill / Rough Trade - VÖ: 06.09.2013
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Zuletzt aktualisiert am: 19. Februar 2014

Nachdem Tonia Reeh alias Monotekktoni mit mehreren Alben mit Strom und Elektronik um ihre Stimme herum diese drei Dinge sehr schön zur Geltung brachte, ist der zweite Output unter ihrem „richtigen" Namen wieder eine Klavier-Platte geworden. Natürlich ist die Nähe zu Punk und Underground noch immer da. Neben gewöhnlichen Songstrukturen und hübschen Dur- und Moll-Akkorden findet sich auch immer mal Noise-Gefrickel. Diverse Brüche machen den Sound interessant, die Wandelbarkeit von Tonias Stimme war selten so beeindruckend wie auf „Fight Of The Stupid". Die klassische Musikausbildung macht sich genau so bemerkbar wie die Jahre in der Berliner Subkultur. Einzelne Göttinnen sind ab und an rauszuhören - wie zum Beispiel PJ und Patti. Aber Tonia hat genug Eigenständigkeit und braucht keine Kopie zu sein – das Wandeln der Song-Persönlichkeit wie auch der Stimme gehört dazu - wie das Wechselspiel von laut und leise und den fein gestreuten Synthie- und Elektronik-Einsprengseln. Besonders gut wird die Platte durch einige Lockerungs-Übungen wie das Handclapping bei „The Defeated Woman“ oder der mehrmalige musikalische Wetterumschwung bei „Cancer Dancer".

Ein großartiges Pandemonium, was ich mit „Hexensabbat" übersetzen möchte und natürlich ein Kompliment ist. Mein Lieblingssatz des Albums: ‘Too late for therapy, not too late for surgery’. Das steht symbolisch für „Fight Of The Stupid", was manchmal schön ist und auch ab und zu einen Schlag in die Magengrube verursacht.

Begleitet wird Tonia dieses Mal unter anderem von Omar Rodríguez-López, der schon bei THE MARS VOLTA mitwerkelte. Außerdem ist eine Bläser-Sektion von DIE VÖGEL zu vernehmen – ein feiner Kontrast zu Stimme und Piano! Und was THE BREEDERS mit der Nähmaschine können, kann Tonia mit einem Kaffee-Automaten schon lange: kreative Verwendung als Sound- und Rhythmus-Gerät.
Das im Clouds Hill-Studio aufgenommene Werk ist keinesfalls für nebenbei gedacht. Gut funktioniert es unter dem Kopfhörer und mit Sicherheit auch live. Bei „Boykiller" hatte ich bereits das Vergnügen, ein Konzert zu sehen, und ich bin gespannt, wie „Fight Of The Stupid" sich auf der Bühne macht.
Die Scheibe wirkt teilweise echt schön, aber noch öfter wie ein böser Dämon, welcher in der Herbstdämmerung drei Zentimeter vor einem vom Baum fällt, dabei faucht und einem ins Gesicht rotzt. Wunderbar für Menschen mit einem etwas extravaganten und eventuell düsteren Kulturverständnis.

Natürlich ist hier kein Underground-Easy-Listening-Rockisten-Quark zu erwarten, wozu so genannte alternative Musik im letzten Jahrzehnt häufiger verkommen ist. Tonia Reeh macht Musik, die kratzt und die beißt - und das ist Musik, die wirklich berührt.

El_Nico
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