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„Ich bin es ein bisschen leid, mich dafür rechtfertigen zu müssen“


Powerchords dröhnen aus den Boxen und stehen zunächst mal einfach nur eine Weile mächtig im Raum. Unheil verkündend gesellt sich die Leadgitarre dazu, während die Drums einer Untotenarmee den schleppenden Marschrhythmus vorzugeben scheinen. „Hellfire“ heißt der erste Song des ersten Albums mit komplett neuem Material von THE CARBURETORS seit neun Jahren. Wer auf den Fast Forward Rock&Roll der Norweger gewartet hat, muss sich weitere 40 Sekunden gedulden. So lange dauert es, bis ein Riff in den Song sägt, das den Motor auf die gewohnte Tourenzahl bringt.

THE CARBURETORS klingen 2015 ein bisschen anders als gewohnt, aber so laut und breitbeinig wie erhofft. Ein gut gelaunter Sänger Eddy Guz erklärt uns, warum wir so lange warten mussten, weshalb man ihn zwischenzeitlich feuerte und was das aktuelle Album von seinen Vorgängern unterscheidet.

WAHRSCHAUER: Ihr habt Euch viel Zeit gelassen für „Laughing in the Face of Death“. Was ist passiert?

Eddie Guz: Zunächst mal waren wir viel auf Tour. Gleichzeitig gab es Nachwuchs in der Band, und wenn du viel unterwegs bist, brauchst du natürlich auch ein bisschen Zeit für deine Familie – da kannst du unmöglich ständig im Studio verschwinden.

W: THE CARBURETORS spielen eine ziemlich einmalige Mischung aus klassischem Rock&Roll, Hardrock und Metal. Wie hat sich euer Stil entwickelt?

„Die Vision war, CHUCK BERRY und MOTÖRHEAD miteinander zu verbinden, mit ein bisschen KISS und AC/DC obendrauf.“

Eddie: Die Vision von Kai Kidd (gt) war es, CHUCK BERRY und MOTÖRHEAD miteinander zu verbinden, mit ein bisschen KISS und AC/DC obendrauf. Ich habe meine IRON-MAIDEN-Einflüsse mitgebracht, Stian Krogh (gt) welche von JUDAS PRIEST, und das alles zusammen ergibt im Wesentlichen das, was man heute hört. Das sind THE CARBURETORS.

W: Ihr spielt schon sehr lange zusammen, ohne dass es Wechsel in der Band gab.

Eddie: Ich denke, das hört man uns auch an. Unsere Geschichte begann tatsächlich vor sehr langer Zeit. Kai und ein paar seiner Kumpels hatten in den 90ern eine Band gegründet, die fast nur Coversongs spielte. Chris Nitro (dr) stieß um 1994 dazu, das war ein Schulfreund von mir. Dann stieg King 'O Men ein, der eigentlich erst in der Band gelernt hat, Bass zu spielen, hähähä! Ich hatte mit Chris immer rumgewitzelt, dass sie mich fragen können, wenn sie mal einen Sänger suchen – womit ich nicht rechnete: dass er das wirklich tut! Ende 2000 war es dann so weit, ich bin zur Audition gegangen und das hat offensichtlich ziemlich gut funktioniert. Kurz nach mir stieß Stian dazu, und seitdem sind wir die fünf Typen, die heute zusammen auf der Bühne stehen. Eine der ersten Sachen, die wir uns damals geschworen haben, war: Wenn wir das machen, machen wir es richtig. Wir schreiben unsere eigenen Songs, wir werden eine echte Rockband.

„Die Lösung unserer Probleme lag darin, anders miteinander zu arbeiten.“

W: Vor ein paar Jahren gab es Gerüchte, du hättest die Band verlassen.

Eddie: Tatsächlich wurde ich gefeuert! Das war nicht nur meine Schuld, aber ich habe meinen Teil dazu beigetragen. Wir hatten eine sehr negative Phase um 2009, verbunden mit großer Frustration - die Jahre gingen ins Land, es gab keine neue Veröffentlichung. Letztlich musste jemand schuld sein, und das war zunächst mal ich. Es hat nicht lange gebraucht um zu merken, dass das nicht die Lösung der Bandprobleme war. Die Lösung lag darin, anders miteinander zu arbeiten.

W: Du warst zwischen 2006 und 2009 bei CHROME DIVISION aktiv (gegründet von DIMMU-BORGIR-Frontman Shagrath) und hast in der Zeit zwei Platten mit ihnen aufgenommen. Spielte das bei den Problemen eventuell eine Rolle – musstest du dich zwischen zwei Bands entscheiden?

Eddie: Da ist schon ein bisschen was dran. Die CARBURETORS waren nicht ganz so glücklich damit, dass ich mich bei CHROME DIVISION engagierte, gleichzeitig war ich nicht mehr in der Lage, mich bei CHROME DIVISION so einzubringen, wie sie es verdient hätten. Ich steckte da ein bisschen in der Klemme. Wenn ich jetzt auf die Aufnahmen von „Laughing in the Face of Death“ zurückschaue, denke ich, dass es uns als Band geholfen hat, diese echt harte Zeit gemeinsam durchzustehen.




CHROME DIVISION: Serial Killer

W: Das heißt, ihr seid an dieses Album anders herangegangen, als an die anderen?

Eddie: Allerdings! Das soll nicht heißen, dass ich die anderen Platten nicht mag, ganz im Gegenteil. Aber wir hatten immer ein bisschen das Gefühl, dass wir die Energie unserer Liveshows nicht 1:1 aufs Band bringen. Dass wir noch kraftvoller klingen können. Der Sound war super, aber es fehlte dieses kleine Extra. Letztlich gab es dafür eine sehr einfache Lösung: Wir haben alles auf diesem Album live aufgenommen. 5 Typen in einem Raum, die Songs spielen. Die Energie, die dabei entstand, hört man dem neuen Album an.

„Ich möchte mich nicht vom Fast Forward Rock&Roll entfernen, sondern dessen Grenzen ausloten.“

W: Ich hatte den Eindruck, dass „Laughing in the Face of Death“ etwas komplexer als die Vorgänger ist.

Eddie: Echt?! Vielleicht liegt das daran, dass der Heavy-Metal-Einfluss im Vergleich zu den anderen Platten gestiegen ist. Wenn du Songs schreibst, brauchst du manchmal einen anderen Blickwinkel. Wir hätten auch ein weiteres „Pain is temporary, Glory is forever“ (Debüt, 2004) aufnehmen können, aber das wäre eben einfach nur ein weiteres „Pain is temporary, Glory is forever“ gewesen – also eigentlich überflüssig. Gleichzeitig wollten wir nicht den selben Fehler machen wie andere Bands, die verzweifelt ihren Stil zu wechseln versuchen. Ich möchte mich nicht vom Fast Forward Rock&Roll entfernen, sondern dessen Grenzen ausloten.

W: In der Pressemitteilung stand etwas darüber, dass ihr eure Zielgruppe vergrößern wollt – bei der Formulierung stellen sich gewöhnlich sämtliche Nackenhaare des Musikjournalisten auf.

Eddie: Wir wollen uns niemandem anbiedern. Es geht darum, dass wir in der Metal-Szene kaum wahrgenommen werden, was ich ein bisschen schade finde, weil wir ihr eigentlich einiges zu bieten hätten. Das war auch eine der Ideen hinter dem neuen Album: die Leute neugierig machen, unter deren Radar wir bisher geflogen sind.

W: Was vermutlich schwierig ist, weil gerade in Norwegen die Konkurrenz im Bereich harter Rockmusik nicht gerade klein ist....

Eddie: In der Tat, und das beschränkt sich nicht nur auf HardRock und Heavy Metal. Trash Metal, Black Metal – ich glaube nicht, dass wir DIE Leute überzeugen können, uns zu mögen, hehe. Das ist eine ganz andere Art, Songs zu schreiben. Ich verstehe sehr genau, wohin sie mit ihrer Musik wollen und was die Hörer daran mögen. Aber mich persönlich berührt das nicht so wie Rock&Roll.

W: Man hört immer wieder, dass Pop- und Rockmusik in Norwegen öffentlich stark gefördert wird. Habt ihr davon auch profitiert?

Eddie: Ganz ehrlich: Es gibt hier eine Menge Leute, die wirklich gut Anträge schreiben können. Die mit einer Menge Equipment in dicken Bussen durchs Land fahren, aber vor wesentlich kleinerem Publikum spielen als wir. Wir hatten da einen anderen Ansatz. Wir sind eine Self-Made-Band.

Was ich wirklich gut am norwegischen System finde, ist das, was bei euch... (muss kurz überlegen, sagt dann auf Deutsch) Jugendhaus heißt, oder? In Norwegen kann man hier Equipment leihen und kriegt alles was man braucht, um loszulegen – ein guter Weg, um die Entstehung neuer Bands zu fördern und Leute dazu zu bringen, Musik zu machen. Was den Rest angeht – keine Ahnung, ob ich das so gut finde. Vielleicht, weil ich so verbittert bin, dass ich selber nie irgendwelche Fördermittel bekommen habe, HAHAHAHAHA!

Aber im Ernst: Wenn ich 4000 Euro kriegen kann, um meine Europatour zu finanzieren, wäre ich sicher nicht so doof, das abzulehnen. Es sollte nur nicht unfair sein: Wenn ich dort von Clubs gebucht werde, die mich auch bezahlen, ist das cool. Wenn ich das aber nicht hinbekomme, liegt es vielleicht an dem Zeug, das ich so produziere.

W: Könnt ihr von eurer Musik leben?

Eddie: Wenn wir dazu bereit wären, die ganze Zeit auf Tour zu sein: Ja. Angesichts unserer Familiensituation ist es jedoch notwendig, noch einen anderen Job zu machen. Kein Grund, sich zu schämen.

W: Du musst mir natürlich nicht sagen, was ihr für Jobs habt...

Eddie (lacht): Stimmt. Muss ich nicht.

W: Habt ihr einen Plan B?

Eddie: Wir hatten einen, als wir in unseren Zwanzigern waren. Mittlerweile wollen wir so lange Musik machen, bis wir es nicht mehr können. Wir haben zu viel Spaß dabei. Und so lange Fans da sind, die schreien, rufen, tanzen und unseren Rock&Roll wollen, habe ich überhaupt kein Problem damit, auch mit 60 noch auf der Bühne zu stehen.

W: Was insbesondere in Deutschland immer noch häufig negativ betrachtet wird: Wenn eine Band versucht, sich für den Eurovision Song Contest zu qualifizieren...

Eddie: Du bist nicht der erste, der uns danach fragt, und ich bin es ein bisschen leid, mich dafür rechtfertigen zu müssen – „wie konntet ihr das tun? Ihr seid eine Rockband!“ und so. Ich erklär dir das: In Norwegen ist es seit vielen Jahren Tradition, dass bei den Ausscheidungsrunden viele verschiedene Musikstile vertreten sind. Wir haben Black-Metal-Bands in den Vorrunden! Es ist völlig selbstverständlich, und ich finde das super. Und jetzt kommen wir zurück zum finanziellen Aspekt der Sache. Der Song Contest ist eine riesige PR-Möglichkeit. Die Show wird von Millionen gesehen. Wenn du hart mit deiner Band arbeitest, Erfolg mit ihr haben möchtest und dann diese Möglichkeit verstreichen lässt, solltest du deine Band aufgeben. Mach was anderes. Sagen wir, du spielst ein größeres Festival mit 50.000 Besuchern. Beim Contest hast du 20 Mal so viele Zuschauer. Wenn du nur 10% der Zuschauer neugierig machen kannst, sind das eine Menge Leute.

W: Ich hab mir 3 Songs vom neuen Album rausgesucht, über die ich gern mit dir sprechen würde. Der erste ist „Lords of Thunder“.

Eddie: Schön, dass du mich danach fragst, denn das ist einer der Songs, mit denen ich sehr viel zu tun hatte. Den Groove in den Versen wollte ich ein bisschen langsamer, stampfend, right in your face. Zum Chorus hin sollte sich der Song dann öffnen und etwas Hymnisches bekommen, was uns, denke ich, gut gelungen ist. Als ich an „Lords of Thunder“ arbeitete, wusste ich gleich, dass ich Shagrath (DIMMU BORGIR) darauf singen hören wollte. Ich hatte seine Stimme in meinem Kopf, während ich schrieb.

W: Als nächstes „Shot full of Noise“ – klassisch THE CARBURETORS, oder?

Eddie: Als Stian mit der Grundidee ankam war unsere erste Reaktion: Done. Deal. Got it. Genau sowas brauchen wir auf dem Album.

W: Hier überrascht die exzessive Slide-Gitarre...

Eddie: Es war nicht von Anfang an so viel Slide-Gitarre drin. Wir hatten beim Spielen aber eine Menge Spaß, unter dem Motto: Hängen wir noch diesen Part an den Schluss? Hell yeah, go for it!

W: Zum Schluss der letzte Song des Albums: „(Tonight we're gonna) Die like Heroes“ – eine Premiere: Der erste langsame Song der Bandgeschichte.

Eddie: King kam damit an, ein altes, amerikanisches Soldatenlied hatte ihn inspiriert. Wir haben ein bisschen damit rumgespielt, während die anderen Soundcheck machten und gemerkt, dass das eine gute Grundlage für etwas Eigenes wäre. Als ich daran schrieb entwickelte sich ein sehr dunkler, ernsthafter Song daraus. Tatsächlich war ich mir nicht sicher, ob „Heroes“ auf ein CARBURETORS-Album gehört. Wir haben viel darüber gesprochen. Wenn ich es jetzt höre, finde ich, dass es ein idealer Abschluss des Albums ist. Insbesondere wenn man berücksichtigt, was er bedeutet.

W: Was bedeutet er?

Eddie: Der Song beginnt mit sehr kriegerischen Motiven, ist aber kein Kriegslied. Krieg ist eine starke Metapher. „Heroes“ handelt eigentlich davon, sich seinen Dämonen zu stellen, seinen Depressionen, seiner Alkoholsucht, was immer dich belastet. Jeder hat seine eigenen Dämonen, mit denen man sich auseinandersetzen muss, will man inneren Frieden finden. Das ist sehr wichtig. Gerade in Zeiten wie diesen...

THE CARBURETORS

„Laughing in the Face of Death“

Label: Steamhammer / SPV VÖ: 20.11.2015

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Tourdaten (wird fortgesetzt)

23.03.16 - Köln, MTC (Germany) 
24.03.16- Hagen aTW, Stock (Germany) 
25.03.16 - Hamburg, Logo (Germany) 
26.03.16 - Berlin, Wild at Heart (Germany) 
27.03.16 - Lichtenfels, Paunchy Cats (Germany)
01.07.16 - Bingen, Binger Open Air (Germany)
01.10.16 - Geiselwind, FEK9 Monster Festival (Germany)


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Von links nach rechts: Kai Kidd (gt), Stian Krogh (gt), Chris Nitro (dr), King O'Men (bs), Eddie Guz (voc)