61YEoUqQv-L._SL500_AA300_Auch Günter Jauch ist mit Fragen populär geworden und nicht mit Antworten!

Das vierte Album der Band aus Rheinberg - ein Ort im Ruhrpott zwischen Kamp-Lintfort und Bottrop. Irgendwie mitten drin und doch voll daneben. Ich meine... wer kennt schon dieses Nest? Eigentlich nur, wer sich mit der Band FAHNENFLUCHT beschäftigt...
Vor einigen Jahren setzte die Combo mit ihrem Debütalbum "Beissreflex" starke Akzente und es ist nicht untertrieben, wenn man es als eins der besten Deutschpunkalben ever bezeichnet. Da stimmte einfach alles. Das sah auch die Szene so, und so wurde FAHNENFLUCHT

innerhalb kurzer Zeit bekannt. Die darauf folgenden Alben "K.O. System" und "Wer Wind sät..." kamen nicht an den Meilenstein "Beissreflex" heran, waren jedoch auch nicht so plakativ. Insgesamt waren sie aber immer noch besser als 80 % von dem, was heute im weitesten Sinne Deutschpunk ist.

Nun steht mit "Schwarzmaler" das vierte Album in den Startlöchern, was nach Aussage der Musiker mehr in Richtung der "Beissreflex" geht. Mit zwei neuen Leuten und neuem Schwung heißt es also: auf zu neuen Taten!

"Augen auf und durch, es gibt noch viel zu tun. Auf Frustration und Ohnmacht sollten wir uns nicht ausruhen" heißt es im ersten Song "Augen Auf" - ein Stück, das einem die Sprache verschlägt. Ein Text, der Wort für Wort und Zeile für Zeile genau den Nerv derer trifft, die noch nachdenken, überlegen und nicht alles akzeptieren. Außerdem wirft der Song die Frage auf, warum wir nicht endlich mit den Religionen und dem Denken in Nationen aufhören - ein Text der unglaublich intelligent ist und trotzdem nicht verkopft oder kryptisch. Als zweiten Song gibt es den titelgebenden Track mit dem Refrain "Bis hier hin ging es gut, doch vermutlich wird es schlimm. Meine Welt hat keine Farben, weil ich Schwarzmaler bin." Das klingt sehr depressiv, verstört und... ja, hoffnungslos. Textlich und musikalisch auch hier wieder ganz großes Kino.

Die Musik und die Aufnahme gehen bei diesem Album tatsächlich wieder mehr in Richtung des Debütalbums, wobei die Melodien noch etwas ausgefeilter sind. Die Aufnahme ist differenzierter und trotzdem fett und knallig, ohne übersteuert zu sein. Hier hat das Aufnahmestudio DocMaKlang Studio ein Meisterarbeit abgeliefert. Damit kann man schon angeben.

Auch die weiteren Songs auf "Schwarzmaler" behandeln komplexe Themen, die zwischen aktuellen Geschehnissen, generellen gesellschaftlichen Problemen und persönlichen Empfindungen hin und her pendeln oder sogar alle diese Themen innerhalb eines einzelnen Stückes behandeln. Textlich ist das intelligent, radikal, persönlich und provokant. FAHNENFLUCHT stellen die richtigen Fragen. Allerdings haben sie darauf selten Antworten. Zumindest präsentieren sie uns diese nicht in ihren Texten. Aber auch Günter Jauch ist mit Fragen populär geworden und nicht mit Antworten. Dabei möchte man genau diese Antworten gerne mal hören! Hinterfragen kann man viel (eigentlich alles), aber es braucht auch mal Antworten, Ideen, Utopien, um auch andere Menschen dafür zu begeistern und um so vielleicht die Welt etwas besser zu machen.

Trotz dieser Kritik bleibt "Schwarzmaler" ein vielseitiges Album, das sowohl textlich als auch musikalisch absolut überzeugt. Ich höre es jetzt bestimmt schon zum zwanzigsten Mal und mich langweilt es bisher nicht. Keine Sekunde. FAHNENFLUCHT ist eine Band, die einem aus der Seele spricht.


Aggressive Punk Produktionen / Edel VÖ: 11.03.2011