fernsehbild.jpgWahnsinn oder Strategie?

Berlin: Man sieht sich immer zweimal im Leben. Erst unterstützte der Westen auf serbischem Boden die albanischen Unabhängigkeitskämpfer mit Waffen und Geld, dann bombte die NATO ihnen im Jahr 1999 den Weg frei und besetzte nach einem Waffenstillstand mit Serbien selbst das Kosovo. Weder für den Angriffskrieg, noch für die diesjährige Unabhängigkeitserklärung gab es eine Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat. In diesem saß nämlich ...

... Russland mit einem Vetorecht und vertrat unerschütterlich die Meinung, dass der Konflikt eine innerserbische Angelegenheit sei. Doch darüber setzte sich der Westen einfach hinweg. Dies war ein Präzedenzfall. Russland hielt still und ließ sich demütigen, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass die Situation zum Beispiel in Georgien ähnlich ist – allerdings mit anderen Vorzeichen - und Russland sich dort gegebenenfalls genau so verhalten könnte wie die NATO im Kosovo. Russland steht im Kaukasus auf der Seite der Separatisten in Südossetien, einem Teil Georgiens, welches wiederum früher zur Sowjetunion gehörte. Obwohl Südossetien formal zum georgischen Staatsgebiet gehört, konnte Georgien von Anfang an dort keine Kontrolle ausüben. Am 20. September 1990 erklärte sich Südossetien, das im Norden an Russland grenzt, für unabhängig. Daraufhin marschierten damals georgische Milizen in das Gebiet ein und es kam zum ersten Krieg, in dessen Folge 20.000 Georgier und 100.000 Osseten aus dem Gebiet flohen. Nach dem Waffenstillstandsabkommen am 24.Juni 1992 zwischen dem damaligen georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadseersten und dem russischen Präsidenten Boris Jelzin lebte Südossetien in einer faktischen, aber international nicht anerkannten Unabhängigkeit, die durch zwei Referenden der südossetischen Bevölkerung bestätigt wurde.
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Der Westen wiederum sympathisiert mit Georgien, dem Land, das nun einen Krieg zur Wahrung seiner territorialen Integrität begonnen hat. Allerdings kann sich Russland in diesem Konflikt darauf berufen, eigene Staatsbürger zu schützen, da es an die sich mehrheitlich zu Russland zugehörig fühlende Bevölkerung in Südossetien russische Pässe vergeben hatte.

Wie auch immer... Im Kaukasus treffen westliche und russische Interessen aufeinander. Es geht um geostrategische Interessen und den Transit wichtiger Öl- und Gaspipelines. Der georgische Präsident Saakaschwili ist ein strammer Versal des Westens, studierte in den USA, holte amerikanische Militärberater ins Land und will mit Georgien in die NATO. Die wenigen nationalen Ressourcen wurden durch Korruption in wenigen Händen privatisiert, während weite Teile der Bevölkerung in großer Armut und Hoffnungslosigkeit leben.

Am ersten Tag des Kriegs schienen unsere Medien vollkommen überfordert mit der Situation. Zunächst erkannten wenige die Ausmaße, dann waren keine eigenen Korrespondenten vor Ort und auf die russischen wollte man offensichtlich nicht zurück greifen. Im Ergebnis flossen die Details durch die deutschen Medien sehr spärlich. Am wenigsten konnten diese hier aber anscheinend damit umgehen, dass sie keine moralisch abgesicherte antirussische Position fanden. Zum einen argumentierte Deutschland in jedem Konflikt auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts für die jeweilige Minderheit und zum anderen war Georgien auch noch der eindeutige Aggressor. Es hat den Militärhaushalt von 2006 auf 2007 verdoppelt (FAZ, 11.8.2008) und in den letzten Wochen die Offensive gezielt vorbereitet, indem es durch seine Armee in kleineren Scharmützeln die strategisch wichtigen Höhen um die Hauptstadt Zchinwali einnahm. Wenige Stunden vor der massiven georgischen Offensive hatte der georgische Präsident einen einseitigen Waffenstillstand verkündet, um so außerdem einen Überraschungsmoment zu generieren (junge welt).


Der Angriff erfolgte mitten in der Nacht ohne Warnung. In den ersten Stunden der Auseinandersetzung wurde durch schwere Artillerie, Raketenwerfer und Luftwaffe der georgischen Armee die Hauptstadt Südossetiens bombardiert und dabei „beinahe vollkommen“ zerstört (Russische Agentur Interfax). Nach Angaben des Präsidenten Südossetiens starben am ersten Tag 1400 Menschen, hauptsächlich ossetische Zivilisten. Da im Krieg als erstes die objektive Berichterstattung stirbt (sollte es sie vorher überhaupt gegeben haben), bleibt einem auf der Suche nach der Wahrheit nur die Möglichkeit beide Sichtweisen zu betrachten und dann ab zu wägen. Während unsere Medien über die Opfer in der südossetischen Hauptstadt weitgehend schweigen, finden sich auf dem Fernsehsender Russia Today einige Berichte, wie zum Beispiel folgender:


Ebenfalls starben in dem Beschuss der ersten Stunden 15 russische Friedenssoldaten. Von den Opfern und Zerstörungen in Zchinwali gibt es auf Spiegel-Online keine Fotos. Stattdessen gibt es eine Fotostrecke mit medienwirksamen Bildern über die Opfer eines russischen Luftangriffs vom zweiten Kriegstag auf die georgische Stadt Gori, die am am dritten Kriegstag dann auch von den meisten Tageszeitungen hier gedruckt wurden.

Die spannende Frage ist nun, ob der für seine Koksermentalität bekannte georgische Präsident ein weiteres Mal durchgeknallt ist (man weiß, dass er seine Emotionen nicht immer unter Kontrolle hat) und sein kleines Land aus Dummheit in einen hoffnungslosen Krieg gegen Russland geschickt hat, oder ob er für seinen Überfall auf Südossetien grünes Licht aus Washington hatte. Und sollte letzteres zutreffen: Welche Ziele verfolgt Washington mit der aktuellen Eskalation? Werden die Amerikaner zusehen, wie Georgien der Verlierer dieser Auseinandersetzung wird? Während Russland noch in den ersten Stunden des Krieges für eine sofortige Einstellung der Kampfhandlung plädierte, will es inzwischen wohl die Gelegenheit nutzen, um mindestens die Gebiete Südossetiens, die zuvor von Georgien besetzt wurden, zu befreien und darüber hinaus die Lektion erteilen, mit wem man sich in dieser Region besser nicht anlegen sollte. Allerdings sollte beachtet werden, dass Russland im UN-Sicherheitsrat für einen Waffenstillstand lediglich die Bedingung stellte, dass der „Status Quo“ vor dem georgischen Angriff auf Südossetien wieder hergestellt wird. Nach Angaben des US-Botschafters seien an dieser Forderung die Gespräche gescheitert (Spiegel-Online und n-tv). Das heißt aber, dass der Westen den Versuch der militärische Beseitigung der faktisch unabhängigen Republik Südossetiens unterstützte.
 
Fest steht, dass Saakaschwili bereits am ersten Kriegstag im Fernsehsender CNN um amerikanische Unterstützung bettelte, nachdem ein massiver russischer Truppenkonvoi die Grenze nach Südossetien überquert hatte. Erstes Ziel der russischen Truppen: den Belagerungsring um die Provinzhauptstadt Zchinwali zu sprengen. Was ihnen nach ein paar Stunden wohl gelungen sein muss. Saakaschwili berief am gleichen Tag 2000 Soldaten aus Afghanistan und dem Irak an die Heimatfront zurück. Und zwar mit der Hilfe von amerikanischen Transportflugzeugen und Personal (n-tv). Ist die Konfrontation zwischen den USA und Russland in eine neue Phase eingetreten?
 
Am zweiten Kriegstag versucht Saakaschwili seinen massiven militärischen Angriff auf Südossetien als „Krieg Russlands gegen Georgien“ zu verkaufen und berichtet von angeblichen „ethnischen Säuberungen“ der Russen. Außerdem behauptet er, dass Russland eine für den Westen wichtige Ölpipeline angegriffen hätte (n-tv). Mit diesen Geschichte wäre in unseren Medien die antirussische Propaganda wieder gesichert. Ebenfalls heute hat das georgische Parlament das Kriegsrecht ausgerufen. Mal sehen wie es weiter geht…



- > Krieg im Kaukasus Teil II: Rambo auf russisch!