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„Die einzigen coolen Leute waren Hardcore Kids und linke Ostberliner Skinheads“

THE DETAINED aus Berlin sind Basti (Gesang), Gert (Schlagzeug), Mac (Gitarre) und Felix (Bass). Die sind seit 2015 unterwegs und ihre brachiale Mischung aus Oi!, Hardcore und Punk ist definitiv nichts für Freunde der sanfteren Töne. Sie haben mittlerweile 3 EPs und eine Langspielplatte herausgebracht. Ihre letzte VÖ war eine 7-Inch-Split mit den BROKEN HEREOS aus New Jersey und erschien bei Contra Records (Link zum Review). Und nun habe ich mich mit Felix zum Interview getroffen…


Wahrschauer (Martin K.): Zuerst einmal möchte ich etwas zu Eurer Entstehung hören. Ihr habt alle vorher in anderen Bands gespielt und kanntet euch, aber wie ist THE DETAINED entstanden?

Felix (THE DETAINED): Gert, Basti und Dave, unser erster Gitarrist der 2017 ausgestiegen ist und ich kannten uns alle über drei Ecken über die Musik und von Konzerten. Die Hardcore- und Punkszene ist ja mehr oder weniger wie ein Dorf. Gert, Basti und Dave hatten schon gequatscht und auf der Geburtstagsparty von Stefan, dem Sänger von FINAL PRAYER, traf ich Ende 2014 dann Dave. Der erzählte mir, dass sie irgendwie eine Band machen wollen und noch einen Bassisten brauchen. Ich hatte vorher drei Jahre nicht in Berlin gelebt und hatte total Lust Musik zu machen. Dave hat mich dann einfach zur ersten Bandprobe mitgenommen und so ging es mehr oder weniger los. Das ich dazugekommen bin, war also eigentlich Zufall. Es gab generell keinen Masterplan. Es war eher eine Kette von Zufälligkeiten. Wir haben dann einfach im Probenraum angefangen zu jammen.

Basti (THE DETAINED): Das war bisschen anders, Dave hat zuerst Felix auf dieser Party angesprochen, von ihm kam die Initialzündung. Dann hat er mich gefragt und ich dann Gert. Gert hatte einen Proberaum und dort haben wir uns dann getroffen.

Mac kam dann 2017 zu uns nachdem Dave aus Zeitmangel ausgestiegen war. Mac hatte schon mit Felix zusammen bei Final Prayer gespielt und hatte gleich Bock als wir ihn fragten.

Hardcore-Oi!-Crossover: Verschwörung oder Zufall?

Wahrschauer: Du sagst, Ihr habt gejammed. Wie kam es dann zur Mischung aus Oi!, Hardcore, Punk? Ich meine, ihr kamt alle aus der Hardcore-Ecke, bzw. Gert, glaube ich, aus dem Trashmetall. Ist das mit dem Oi!-Einflüssen Zufall gewesen?

Felix: Ne, ne, nicht wirklich. Wir hatten alle Bock zumindest solche Einflüsse auch zu verarbeiten. Es war nie der Plan eine reine Oi! Band zu machen, dass wäre, glaube FullSizeRender 1 kleinich, auch mit unseren Backgrounds und der credibility etwas fehl am Platze gewesen, sich in einer Szene etablieren zu wollen, in der man nicht mit beiden Beinen fest verwurzelt ist. Aber die Einflüsse waren bei uns allen da und das ist Musik, die wir alle mögen und wir wollten in diese Richtung offen sein, ohne unsere Hardcore-Wurzeln hintenanzustellen oder zu verleugnen. Wir haben nicht gesagt, wir wollen klingen wir Band X, Y oder Z. Wir hatten einfach Lust beim Songwriting mit Oi!- oder Streetpunk-Elementen zu arbeiten, weil das eben Musik ist, die wir alle geil finden, die wir alle hören und die wir alle so in einer Band noch nicht verarbeitet und benutzt hatten. Das macht es ja auch noch mal reizvoller, weil es etwas Neues ist. Aber auf der anderen Seite, wenn wir Bock haben ein Hardcore-Riff zu spielen, dann machen wir das auch. Es gab kein Schema F, nur einfach kreativ sein und die Musik für sich sprechen lassen. So ist der Stil entstanden.

Basti: Für mich ist die Musik, die mir mit The Detained machen eine logische Schlussfolgerung aus unseren Geschmäckern und der Subkultur, in der wir uns bewegen.  Wir sind da überhaupt nicht eingeschränkt, da das alles irgendwo den gleichen Ursprung hat und beim genaueren Hinsehen überhaupt nicht so verschieden ist, wie es manchen Kleingeistern lieb wäre.

Wahrschauer: Ihr seid aber witzigerweise nicht die einzigen „Quereinsteiger“, wenn man sich das mal in einem größeren Rahmen anguckt. Ich denke an Bands wie NO TIME. Auch Leute aus anderen musikalischen Richtungen scheinen sich dieses Genre ein Stück weit zu „erobern“.

Felix: Ja, wobei wir ja nichts erobern oder uns in eine Szene reinschmuggeln wollen. Wir haben schon vor DETAINED die entsprechende Musik gehört, waren auf den entsprechenden Konzerten und sind gleichzeitig aber auch immer noch auf Hardcore oder zum Teil auch Metall-Konzerte gegangen. Für uns schließt sich das nicht aus, man unterschreibt ja nicht einen Vertrag und geht dann nur auf Oi! oder geht nur auf Hardcore oder geht nur auf Crust oder was auch immer. Mir persönlich, aber da spreche ich wahrscheinlich auch für die anderen, ist es ziemlich scheißegal, welches Label da draufgepfropft wird, wenn ich Musik geil finde. Deshalb ist es nicht so, dass wir etwas erobern oder uns da reinzecken, so sehe ich das nicht.

Basti: Ich bin subkulturell im Leipzig der frühen 90er Jahre geprägt worden. Da gab es eine große Punk- und Skinheadszene, ebenso wie eine sehr aktive Hardcoreszene. Und gerade zwischen den älteren Leipziger Skinheads und den Hardcore-Leuten gab es Überschneidungen. Die Ami HC Bands, die dann im Conne Island fast wöchentlich aufgespielt haben, waren ebenso oft Skinheads oder Ex-Skins. Somit hat das für mich schon immer alles zusammengehört, Hardcore ist US-amerikanische Skinheadmusik, egal ob das jemandem jetzt wieder nicht passt. Ich find’s gut, dass die Szene-Grenzen wieder verschwimmen und man das auch musikalisch merkt.

Wahrschauer: Vielleicht werden die Genres ja auch „durchlässiger“ und es ist nicht mehr ganz so streng.

Felix: Das kann schon sein, aber ehrlich gesagt, eine Band die ich vor 15 Jahren total geil fand, 86 MENTALITY, haben diesen Hardcore-Oi!-Mix schon damals gemacht. Und eine Band mit der ich aufgewachsen bin, WARZONE, die haben das schon vor fast 30 Jahren gemacht. Ich weiß also ehrlich gesagt nicht, ob das alles so neu ist. Aber ich FullSizeRender 2 kleinweiß worauf Du anspielt. Du meinst Bands wie CONCRETE ELITE, NO TIME und auf URBAN SAVAGE usw. an. Alles interessanterweise Bands mit denen wir auch schon gespielt haben, wenn du dich mit denen unterhältst, dann waren das witziger Weise früher alles Hardcore Kids.

Basti: Ja, das ist genau das was ich meine. Es gibt Leute, die sind festgefahren auf nur eine Schiene. Sollen sie machen, aber dann gibt es auch jemanden wie Matt Kelly, den Drummer der DROPKICK MURPHYS. Der war auch Sänger in der HC Band FIT FOR ABUSE und trommelt bei HAMMER AND THE NAILS. Mit dem kann man sich von Metal über Britpop bis hin zu Northern Soul über alles unterhalten und der hat Plan. Solche Leute machen nicht einen auf Über-Skinhead, weil sie das nicht nötig haben. Da steckt mehr dahinter.

Wahrschauer: Ja, oder so eine Band wie BATTLE RUINS, so eine Art Side Project, wo man auf die Oi-Schiene geht.

Felix: Es ist ja nicht nur auf die Oi!-Schiene gehen. Es ist einfach eine Entwicklung. Am Anfang um die 17, 18 spielt vielleicht mehr so Hardcore-Krams eine Rolle. Später kommt man dann mit Leuten zusammen, die sagen, lass uns auch mal solche Elemente integrieren und in die Richtung Songs schreiben. Wenn man in einer Band spielt, in der die Chemie stimmt und alle haben Bock drauf, dann passiert das einfach organisch. Wie gesagt, bei uns war das auch kein Masterplan. Eher so: fuck, das klingt geil, lass mal machen. Oder: Oh, das Riff klingt auch geil, lass mal einbauen. Und wenn es dann nach - keine Ahnung – AGNOSTIC FRONT klingt oder nach COCKNEY REJECTS, dann klingt es so einfach halt. War jetzt vielleicht ein scheiß Vergleich, weil wir, glaube ich, keine Songs haben, die nach AGNOSTIC FRONT oder REJECTS klingen. Aber das soll nur ein Beispiel sein. Entweder die Mucke hat Power oder nicht. Wenn man seinen Stil gefunden hat, auf den man Bock hat, dann ist man natürlich schon ein Stück weit limitiert. Wenn jetzt irgendjemand mit einen krassen Metallica-Gedächtnis-Riff ankommen würde, wüsste ich nicht, ob wir so open minded sind, das wir so was einbauen. Oder so irgendeinen richtig stumpfen HATEBREED-Mosh-Part würden wir jetzt auch nicht so per se einbauen, weil wir mittlerweile ungefähr wissen, wie wir klingen wollen. Aber nichtsdestotrotz würde ich sagen, wir sind in dem Bereich, in dem wir Musik machen, nicht auf ein bestimmtes Formular festgelegt. Und die Songs die wir z. B. jetzt im Moment für unsere nächste Veröffentlichung schreiben, haben noch mal andere Elemente. Sie sind, würde ich sagen, ein bisschen rock’n’rolliger und langsamer.

Wahrschauer: Du sagtest, ihr wart vorher schon auf Konzerten in der Richtung. Kanntet ihr die „Oi!-Szene“ also schon vorher und wusstet ihr, worauf ihr euch einlasst?

Felix: Ja klar, ich bin schon mit Anfang 20, d.h. Ende der 1990er, damit in Berührung gekommen, weil ich auf einem Campingplatz auf Korsika war und dort waren irgendwie total viel so Disco-Leute mit denen ich nichts anfangen konnte. Die einzigen coolen Leute waren so ein paar Kumpels, halt so Hardcore Kids wie ich und dann waren da noch FullSizeRender kleinlinke Ostberliner Skinheads. Mit denen hat man halt Tapes getauscht und so habe ich dann zum ersten Mal bewusst COCKNEY REJECTS, COCK SPARRER und dieses ganze englische Zeug gehört. Davor kannte ich nur so Standard-Hardcore-Zeug wie CRO MAGS, BAD BRAINS oder WARZONE. Die hatten ja, wie gesagt, auch Oi!-Einflüsse, aber das habe ich damals nicht so eingeordnet. Und seitdem finde ich bestimmte Bands geil, die aus der Oi!-Szene kommen geil. Und andere halt nicht. Genauso finde ich bestimmte Hardcore Bands gut und manche auch nicht. Überwiegend höre ich zwar nach wie vor mehr Hardcore, aber ich habe auch immer Oi! und Streetpunk gehört. So krass sind die Unterschiede ehrlich gesagt auch nicht.

Basti: Ich gehe seit Anfang der 90er auf Konzerte, Oi!, Hardcore, Punk, Metal und auch Ska. Mein erstes „richtiges“ Oi!-Konzert war glaube ich PÖBEL UND GESOCKS 1995. ANTI NOWHERE LEAGUE, COCK SPARRER, OXYMORON, RED LONDON, MR. REVIEW, BITTER GRIN: die Liste könnte ich noch ewig weiterführen und die habe ich alle ungefähr in der gleichen Zeit gesehen. Die Hardcore Shows von AGNOSTIC FRONT, WARZONE, SHEER TERROR usw. waren von der Stimmung her mehr mein Ding, aber wie ich bereits gesagt hab, für mich hat das alles schon immer zusammengehört.

Wahrschauer: Es ist ja schon etwas anderes auf ein Oi!-Konzert oder auf ein Hardcore-Konzert zu gehen, oder?

Felix: Ja klar, aber das hast Du ja generell. Wenn Du jetzt auf ein Crust-Konzert in die Köpi gehst, dann ist das ja auch anders, obwohl das eigentlich auch Drei-Akkorde-Punk ist, nur mit einem anderen Sound. Die Leute sehen anders aus, die Szene hat zum Teil vielleicht andere Normen und Werte. Das Verhalten auf Konzerten ist anders. Aber das ist ja immer so: Ob du nun zu AGNOSTIC FRONT ins SO gehst oder auf einen Straight Edge Gig oder eben zu einem Oi!-Konzert. Alle spielen zwar vielleicht nur dieselben drei Akkorde, aber die Leute ticken zum Teil anders, sehen anders aus. Aber ich finde, genauso könntest du auch die Gemeinsamkeiten betonen. Und die Grenzen sind ja manchmal auch nicht so trennscharf, wie sie manchmal erscheinen. Wir betonen halt mehr die Gemeinsamkeiten, musikalisch, wie auch von unserer Attitüde her. Aber es gibt natürlich auch viele Leute, die ihre Nische wollen und die auch am liebsten für sich alleine hätten.

Politik, Stolz und Heimat: Die Frage hat uns jetzt ehrlich gesagt noch niemand gestellt

Wahrschauer: Ein nicht ganz unbekanntes Fanzine für Punk, Hardcore und Rock & Roll hat mal in einem Interview eine Oi!-Band gefragt, was sie zu den Themen „Politik, Stolz und Heimat“ sagt, „die allesamt seit jeher eine gewisse Rolle im Oi!-Genre spielen“. Ihr seid ja vielleicht bei diesem Thema etwas außen vor, aber das kommt ja in diesem Genre immer wieder hoch - selbst wenn man sich textlich gar nicht groß mit solchen Sachen beschäftigt. Werden einem solche Fragen gestellt? Und: War euch das klar, dass die Szene teilweise so politisiert ist?

Felix: Die Frage hat uns jetzt ehrlich gesagt noch niemand gestellt. Aber wir haben auch noch nicht so viele Interview-Anfragen gehabt. Wir sind alle politisch denkende Menschen. Unsere Texte sind teilweise politisch und wir haben eine ganz klare antifaschistische Einstellung in der Band und das vertreten wir auch offen nach außen. Das kann jeder in unseren Texten nachlesen. Wir halten damit nicht hinterm Berg und von daher braucht man uns das vielleicht auch nicht zu fragen.

Basti: Natürlich war mir das bewusst und es war auch klar, dass manche Leute sich das Maul über uns zerreißen werden. Aber wie Felix schon sagte: wir haben einen klaren Standpunkt der von uns sehr offen vertreten wird. Soviel zu Politik. Stolz bin ich auf Sachen, die ich erreicht bzw. erschaffen habe und auf meine Tochter. Für meine Herkunft kann ich nichts, bin aber logischerweise froh darüber, dass ich mittlerweile in einem freien Land lebe, das mir einen gewissen Wohlstand bietet. Kulturell, materiell und was Bildung angeht. Das sehe ich als DDR-Kind nicht als selbstverständlich.

Wahrschauer: Ich habe halt manchmal den Eindruck, dass schnell Missverständnisse entstehen.

Felix: Ja, aber wir haben bisher noch keine entsprechenden Erfahrung gemacht. Auch wenn wir PÖBEL & GESOCKS covern sieht ja jeder, dass wir die Asozialität mit einem dicken Grinsen im Gesicht tun. Und das wir dieses Lied abfeiern heißt das ja nicht, dass wir alle Texte, Aussagen oder Dinge, welche die Band je gemacht haben, 100% unterschreiben. Wir covern ja auch CRO MAGS und finden deswegen nicht alle Aussagen gut, die John Joseph und Harley Flannegan machen. Das gilt auch für andere Bands, die wir covern. Wir haben früher mal NEGATIV APPROACH gecovert. THE BUSINESS covern wir heut noch. Und eine Band mit einem rassistisch und sexistisch diskriminieren Text würden wir halt auch nicht covern. Jeder mit einem gesunden Menschenverstand sollte gewisse Werte und Normen haben, z. B. Antifaschismus. Und dafür stehen wir auch ein und sind ganz klar in unserer Aussage.

Basti: Was wäre Punk ohne Missverständnisse?! Das ist doch gut, wenn eine Band mit ihren Texten, ihrer Musik, ihrem Auftreten und Artwork aneckt. Ansonsten wäre das doch alles nur noch langweiliger Scheiss. Und warum muss man denn immer einer Meinung sein?

Wahrschauer: Ihr habt zuletzt zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz eine Single auf Bandcamp rausgebracht, auf der ihr „Holocaust“ von CRISIS gecovert habt. Da hatte ich schon das Gefühl, ihr wollt aktuell ein klares Statement setzen.


Felix: Es freut mich, dass es so bei dir angekommen ist. Aber bei uns hat sich da nichts geändert. Wir hatten den Song schon vor über einem Jahr aufgenommen. Es war ein guter Anlass ein Statement zu machen und den Song zu veröffentlichen. Aber dieses Statement ist für uns Standard und entspricht unserer Grundeinstellung.

Die Zukunft ist unsicher, aber: Sehr wahrscheinlich dieses Jahr neue DETAINED-VÖ

Wahrschauer: Wie ist bei Euch der Prozess, wie entsteht neues Material?

Felix: Wir sind alle schon über 40 und daher sehr alte Schule. Bei uns sitzt niemand am Rechner, nimmt Riffs auf und e-mailt die dann rum an die Kollegen. Wir sind da sehr konservativ in der Beziehung und treffen uns noch wöchentlich im Proberaum. Das klappt natürlich nicht immer jede Woche, weil manchmal der Job oder Kinderbetreuung dazwischenkommen. Zum Teil jammen wir dann wirklich ganz klassisch und einer beginnt und die anderen steigen ein. Manchmal bringt aber auch einer einen Riff oder eine Strophe oder einen Chorus mit. Dann wird das die Ausgangsbasis. Manchmal sind wir, wie gesagt, auch so richtige Opis uns jammen halt einfach.

Wahrschauer: Gibt es dann viele Diskussionen zum Stil oder die musikalische Weiterentwicklung?

Felix: Nee, das kommt eher so organisch, da gibt es keine großen Diskussionen.

Wahrschauer: Eure Cover sind nicht unbedingt typisch und sehr unterschiedlich. Viele Motive, oder sogar alle, werden von Basti Eurem Sänger angefertigt. Wie entstehen die Motive/ Ideen?

Felix: Ja, genau. Das erste hat Basti nicht gemacht, aber die anderen alle. Das erste Cover hat ein Kumpel von Basti auf der Basis eines Fotos gemacht, das während des armenischen Genozids aufgenommen wurde. Na klar, die Motive sind alle sehr dunkel und da sind keine Bierhumpen oder Lorbeerkränze drauf. Oder wenn man Richtung Hardcore guckt, gibt es bei uns keine Sänger mit einem Pile-up vor der Bühne, wo die Leute noch über ihn stage diven, sondern es ist immer von Basti gezeichnet und das macht er auch sehr gerne und ist da sehr kreativ. Dabei lässt er sich meistens von der Grundstimmung der Songs inspirieren. Wir haben jetzt keine Konzept-Artworks, wo man sagt, Thema ist A und jetzt zeichne mal was. Er kennt natürlich die Texte und kennt die Songs und lässt sich davon inspirieren. Die Band macht da eigentlich keine Vorgaben und es wird auch nicht ausgiebig diskutiert. Meistens kommt er und hat etwas zu unseren neuen Songs gezeichnet und fragt, ob wir das nehmen wollen für unser neues Cover.



Wahrschauer: Die Neue Split ist ja in zwei Varianten mit begrenzter Stückzahl herausgekommen. Vorher hattet ihr auch schon ein limitiertes Siebdruck-Cover zu Eurer LP. Das ist ja in gewisser Weise auch schon zum Trend geworden: einerseits limitierte Auflagen, zum Teil auch nur bei Nachfrage, andererseits ist Musik immer und unbegrenzt digital verfügbar.

Felix: Das mit der künstlichen Verknappung sehe ich auch kritisch. Das ist nichts, was für mich Sinn ergibt. Aber wir finden es immer geil etwas Besonderes zu machen, für einen Auftritt oder eine Record-Release-Party, z. B. ein T-Shirt oder ein Cover. Wir haben halt das Glück, dass unser Sänger nicht nur sehr kreativ ist, sondern auch noch Siebdrucker und wir deswegen nicht nur von Bastis Seite die Ideen bekommen, sondern Dinge auch in sehr kleiner Auflage umsetzen können, weil er das nebenbei, nach seiner regulären Arbeit machen darf. Aber das machen wir aus Fun und nicht aufgrund von Strategien, wie Marketing oder künstlicher Verknappung oder weil wir die Vinylsammler bedienen wollen.

Basti: Ja, so ein kleines Special für unsere Freunde, wenn wir ein Konzert spielen ist etwas, das uns selbst irgendwie erfreut. Sei es ein Shirt, ein Siebdruckposter oder ein extra Cover, das ist ein schönes Kleinod in dieser tristen Welt. (lacht)

Was die verschiedenen Versionen einer Platte angeht bin ich auch sehr kritisch. Aber die Verkaufszahlen von 7“ sind soweit zurückgegangen, dass die Labels limitierte Versionen anbieten müssen, um Sammler anzusprechen. Ich bin selbst Plattensammler und manchmal überkommt mich auch der Wahnsinn und ich hol mir mehrere Versionen einer Platte. Aber ich hasse mich dafür. Eigentlich ist mir klassisches schwarzes Vinyl am liebsten.

Wahrschauer: Was sind Eure derzeitigen musikalischen Empfehlungen?

Basti: die neue 12“ von CONCRETE ELITE, PRESSURE PACT, CHAIN WHIP, DEATH RIDGE BOYS und BRUTAL BRAVO.

Gert: PIZZA TRAMP - Grand Relapse

Mac: CODE ORANGE

Felix: Hinsichtlich Oi/ Streetpunk finde ich CONCRETE ELITE aus Texas auch gut. SQUELETTE aus Paris sind super, BRUTAL BRAVO auch. Und DIVIDED mag ich auch gerne. Hardcore: Die neuen AS FRIENDS RUST Songs rocken finde ich. DRAIN machen guten Crossover, fetzt! Metal: Die letzte EXHORDER ist zwar schon etwas draußen, aber ich feiere sie immer noch!

Wahrschauer: Ihr nehmt gerade neue Songs auf, was können wir noch erwarten?

Felix: Das ist noch nicht ganz raus. Wir schreiben im Moment einfach Songs und haben schon echt viele Entwürfe. Zum Teil nur instrumental, aber viele auch schon mit Text und Gesang. Wir machen jetzt weiter bis die Kreativität zu Ende ist. Uns ist es egal ob dabei dann eine 12 Inch oder eine ganze LP herauskommt. Wir touren ja auch nicht viel. Musik ist unser Hobby. Manchmal entsteht ein halbes Jahr gar nichts. Aber zurzeit haben wir halt so eine Phase in der all Bock haben und viel entsteht. Wir hoffen, dass wir Mitte des Jahres ins Studio gehen können, um neue Songs aufzunehmen, mit denen wir dann happy sind. Ob sich das dann verkauft oder den Leuten gefällt, ist erst einmal nebensächlich. Aber natürlich ist es schön, wenn die Songs bei den Leuten dann auch gut ankommen. Ich habe zwar keine Kristallkugel, aber im Moment sieht es so aus, als würde dieses Jahr noch etwas passieren. Aber zum Format kann ich noch nichts sagen. Früher haben wir immer gesagt, wir schreiben jetzt vier oder sechs Songs. Dieses Mal überlassen wir das dem kreativen Prozess und schauen am Ende wie viele Songs wir gut genug finden, um sie zu veröffentlichen.


Wahrschauer: Kann man euch dieses Jahr noch live in Berlin sehen.

Felix: Ich denke schon. Wir spielen immer einmal im Jahr im Wild at Heart, das ist so unser Lieblingsclub in Berlin, weil wir die Besitzer schon ewig kennen und auch sehr schätzen. Dort fühlen wir uns sehr wohl und es stimmt immer alles für uns - auch der Sound. Im Moment steht aber Songschreiben im Vordergrund. Wir spielen ja nicht so viel live. Aber ein paar Gigs werden wir dieses Jahr bestimmt noch machen. Und wenn wir angefragt werden, machen wir auch Festivals. Aber das ist auch alles durch die Corona-Pandemie massiv determiniert im Moment. Wir hoffen es...

Basti: Hoffentlich…

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Fotos: Mike Auerbach