BAND: THE INSURGENCE
ALBUM:

LABEL: Razorblade Music – VÖ: 04.05.2010
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Zuletzt aktualisiert am: 28. Mai 2011
Insurgence bedeutet „Aufstand“ bzw. „Aufruhr“. Schön, wenn sich eine Band mal treffend betitelt. Das Thema des Fünfers aus Seattle, Washington, ist so eindeutig wie der Plot eines Actionfilms mit Jason Statham: Die da oben sind böse und belügen und unterdrücken uns, Schlagwörter: Überwachungsstaat, Propaganda, Waffenhandel. Wir da unten müssen uns gegen die bestehenden Verhältnisse zur Wehr setzen, Schlagwörter: Revolution, Kampf, Insurgence. Soweit, so übersichtlich. Musikalisch könnte das Ganze konsequenterweise dann auch als Soundtrack von zum Beispiel „Crank“ herhalten: Ähnlich wie beim Film gibt’s hier keine Verschnaufpause, die 14 Tracks sind in nicht einmal 27 Minuten vorbei, da ist kein Platz für Überflüssiges, keine Zeit für Experimente und auch kein Sinn für Humor – was das Album dann doch von „Crank“ unterscheidet. Eine prima Platte für schlechte Laune, zum Dampf ablassen (oder, wie ich auch festgestellt habe: zum Wohnung aufräumen). THE INSURGENCE gibt es bereits seit 2004, das selbstbetitelte neue Werk ist jedoch die erste Veröffentlichung, die es nach Europa geschafft hat. Produziert hat Jack Endino, der schon mit anderen, nicht unwesentlichen, Bands aus Seattle gearbeitet hat. Genau, mit NIRVANA zum Beispiel oder SOUNDGARDEN und MUDHONEY. THE INSURGENCE allerdings sind weit weg vom Grunge, stehen mit einem Bein sicher im Hardcore, während das andere lässig zum Rock’n‘Roll wippt. Schön zu hören etwa in „Blood Money“: mehrstimmiger Screamo-Gesang, Hardcore-Attitüde, hier und da ein paar Punkakkorde und ein rockiges WahWah-Solo als Sahnehäubchen obendrauf. „Honor Killing“ überzeugt durch zahlreiche Tempiwechsel, „Images Of The Apocalypse“ ist eine dieser Hymnen, die man doch zu gerne mal in einem verschwitzten Moshpit miterleben würde, Fleischwunden und Knochenbrüche inklusive. So gesehen machen THE INSURGENCE fast alles richtig, keine Gefangenen und unterm Strich sogar mir eine Menge Spaß, der mit Hardcorebands oft nicht so viel anzufangen weiß. Es klang oben schon an, langweilig finde ich allein die Texte. Allzu schnell wird deutlich, dass THE INSURGENCE auf der richtigen Seite stehen (also grob gesagt: auf meiner und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf Deiner). Diese schön diffuse richtige Seite, auf der äußerst komplexe Sachzusammenhänge in einige wenige Schlagwörter gepresst werden (gegen das Schweinesystem halt irgendwie) nervt mich zunehmend, wahrscheinlich weil ich mich in immer kürzeren Abständen dabei ertappe, genau so einfach zu denken (wollte hier erst „argumentieren“ anstatt „denken“ schreiben, merke jetzt, dass beides falsch ist und ersetze „denken“ durch empfinden). Mir ist also durchaus klar, dass dies kein Problem ist, das THE INSURGENCE exklusiv haben. Nur stoßen mir politische Parolen, die mir das Denken abnehmen, die nur darauf ausgerichtet sind, gegen etwas zu sein, sauer auf – auch wenn sie eigentlich gegen das Richtige (also das Falsche) gerichtet sind. Kürzlich hatte ich das Glück, die neue FLOGGING MOLLY rezensieren zu dürfen, und da ist mir aufgefallen, was für mich einen guten politischen Songtext ausmacht: Der Bezug auf den konkreten Einzelfall, der den Zuhörer dazu bringt, selbst über die großen Zusammenhänge nachzudenken, der es schafft, weder dem hasserfüllten Dagegensein zu verfallen, noch einer betroffenheitsheischenden Denkerpose. Der einfach ehrlich ist. Ich glaube, es ist schwieriger, einen solchen Text zu schreiben. Ich glaube auch, dass ein solcher Text dem Hörer mehr abverlangt. Aber letztlich auch mehr bewirkt, wenn Popmusik denn überhaupt etwas bewirkt (woran ich zutiefst glaube). Wenn THE INSURGENCE das noch hinbekommen, wird’s eine neue Lieblingsband.
Jay
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