Nachdem Universal Music die gesamten Vermarktungsrechte inklusive des kompletten Back-Kataloges der wichtigsten Punkband überhaupt erworben haben soll, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Investition in bare, wohlklingende Münze verwandeln sollte. Pünktlich zum 35. Jubiläum der Veröffentlichung des Originalalbums „Never Mind The Bollocks...“ haut Universal eben dieses „Super Deluxe Box Set“ zum stolzen Preis von ca. 110,00 EUR auf den Markt – selbstverständlich erscheinen dazu parallel weniger aufwendige und somit preiswertere Versionen und Formate, beispielsweise die limitierte Vinylversion. Allerdings wird sehr schnell klar, an welche Käuferschicht sich diese Veröffentlichungen richten: Nicht etwa alte Fans oder junge Interessierte (die die SEX PISTOLS jetzt erst entdecken), sondern senile Rockopas, zu deren Lektüre der Rolling Stone und Musik Express gehören, die Bruce Springsteen zu ihrem „Boss“ gekürt haben und die die ROLLING STONES noch immer für die größte Rockband der Welt halten.

Zum Produkt selbst: Wenn auch aufwendig und liebevoll gestaltet, bietet das „Super Deluxe Box Set“ bis auf eine einzige Ausnahme (dazu später!) nichts wirklich Neues. Auf CD 1 findet sich die hinlänglich bekannte „Never Mind The Bollocks...“-LP. CD 2 beinhaltet Single B-Seiten, Demos und „Raritäten“ – wenn auch von den originalen Studioaufnahmen neu und qualitativ hochwertig re-mastered, in anderer Form (legal, semi-legal und illegal) bereits schon dutzende Male veröffentlicht, ebenso wie die Liveaufnahmen, die sich auf CD 3 wiederfinden. Das SEX PISTOLS-Konzert in Trondheim vom 21. Juli 1977 lag schon vor einigen Jahren offiziell der „Kiss This“-Best Of-Compilation bei, nachdem es vorher schon auf unzähligen Bootlegs erhältlich war. Ähnlich verhält es sich auch mit den Aufnahmen aus Stockholm, ebenfalls von 1977 („Bad Boys In Sweden“, „Anarchy In The U.K. Live“, „Scandinavian Tour“, „Anarchy In Sweden“, ...).

Auch die DVD enthält nichts Neues, oder gar bahnbrechendes – sämtliche Filmaufnahmen wurden schon unzählige Male in verschiedenen Dokumentationen veröffentlicht bzw. sind seit Jahren auf Youtube und anderen Plattformen verfügbar. Beigelegt sind der Box noch ein 100 Seiten starkes Buch (mit angeblich bisher unveröffentlichten Fotos), Repliken diverser Werbeartikel und –graphiken sowie die exakte Kopie der damals von A&M-Records eingestampften Single „God Save The Queen“ b/w „No Feeling“. Alles in Allem eine überflüssige Sache, auch wenn sich auf CD 2 unter den angeblichen Raritäten eine wirkliche Perle findet: Beim Aufräumen des Archivs wurde eine bis dato tatsächlich unveröffentlichte Demo-Version der Sid Vicious-Komposition „Belsen Was A Gas“ gefunden, die durch ihren unausgereiften, monoton-blechernen und klaustrophobischen Sound besticht – allerdings findet sich dieser Song (zusammen mit drei bekannten Versionen) auch auf einer zeitgleich inoffiziell veröffentlichten EP.