BAND: LUCRATE MILK
ALBUM:

LABEL: Atypeek Music – VÖ: 30.05.2014
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Zuletzt aktualisiert am: 11. Dezember 2014

Nichts ahnend schlendere ich mal wieder zum Briefkasten, um doofe Rechnungen und allerlei Werbungszeugs gleich einige Meter weiter in der gelben Tonne meines Vertrauens zu versenken. Aber was ist denn das? Ein unscheinbares schmales Päckchen strahlt mich regelrecht an. Da kann doch nur eine Schallplatte drin sein, so ein altertümliches Abspieldings, das so herrlich knackt und auch noch in 50 Jahren angehört werden kann. Und wirklich: Es ist eine! Nein, nicht einfach eine im dezenten Schwarz gehaltene Schallplatte, nein verdammt, das Dings ist herrlich grün, so grün wie ein Frosch, der vom Aussterben bedroht ist. Aber was ist nicht vom Aussterben bedroht? Bestimmt und vor allem die Punkmusik mit all ihrem ausführenden Personal.

Ich halte also die grüne Langrille von LUCRATE MILK in den Händen und freue mich gar fürchterlich. Bei genauerem Betrachten fällt mir gleich das Cover auf, das jede Menge Frösche enthält und außerdem noch einige fiese Spielfiguren, die wohl an das Ensemble gemahnen sollen und eigentlich mal im Horror-Überraschungs-Ei auftauchen könnten. Schon alleine die aus Erdöl geformte Langrille und die dazu gehörige bunte Pappe machen sehr deutlich, dass hier ein Gesamtkunstwerk vorliegen muss.

Also schnell zum gerade aufgemotzten Plattenspieler gesprintet und LUCRATE MILK mit „I Love You Fuck Off“ vom ersten bis zum letzten wilden Ton angehört. Let`s go, ihr herrlichen Punksäcke! Natürlich hat man ihn schon erkannt, den wilden Haufen französischer Studenten, der von 1980 bis 1984 das Heimatland aufmischte, bei Hausbesetzungen und in Museen spielte, sich um keine Mode oder eingängige Melodien kümmerte, sondern mit Instrumenten umging, die keiner beherrschte. Weder konnten sie Saxophon spielen, noch die Kindertröte bedienen, und doch wurden sie die Helden der Pariser Punkszene. Immer mit dabei ihr „Hit“ „I Love You Fuck Off“. Wenn sie denn in der alternativen Musikszene zu sehen und zu hören waren, kam aus krächzenden Boxen eine Mischung aus schrägem Jazz, der an die freie Szene erinnerte, und Punk`n Pop, der nur so in die Welt hinaus geschrien und vor allem gequiekt wurde. Als Vorband von den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN durften Nina Childress, die jetzt als Malerin arbeitet, Raoul Gaboni und Helno fungieren und damit ihre herrlich verrückten musikalischen Ergüsse und Filmsequenzen einem breiten Publikum vorführen. Auf der vorliegenden grünen und streng limitierten Schallplatte sind noch einmal die ungewöhnlichsten Lieder vereinigt. Neben Schreisongs, die sich mit der einzig echten Sache (Fuck/fuck/fuck/fuck) beschäftigen, hört man ein jazziges Instrumental, das im Chaos endet, das deutsche Kinderleid (nicht Lied!) „Hänschen klein“ und viele weitere eigenwillige Punkstücke. Unbedingt bei „Ricos“ mittröten, -schreien und –feiern.

LUCRATE MILK sei allen Biertrinkern unbedingt empfohlen.              

ThoBe
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