BAND: MOTORPSYCHO
ALBUM:

LABEL: Stickman Records – VÖ 28.03.2008
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Zuletzt aktualisiert am: 19. März 2008
Wer an dieser Stelle objektiven Musikjournalismus erwartet – ach, der soll ganz einfach nach Hause gehen. Denn er oder sie hat anscheinend noch nie MOTORPSYCHO gehört und damit etwas ganz Entscheidendes im Leben versäumt, das dringend nachgeholt gehört. Knapp zwanzig Jahre musikalischen Schaffens an der Grenze zum Unbegreiflichen warten nur darauf, entdeckt zu werden: von der schroffen, atemberaubenden Schönheit von ‚Timothy’s Monster’, über den ewigen Frühjahrsanfang auf ‚Blissard’ und die blühenden Pop-Felder auf ‚Let Them Eat Cake’ bis hin zur düsteren Götterdämmerung auf ‚Black Hole/Black Canvas’. Hinzu kommen Dutzende EPs, Live-Scheiben und Kollaborationen – das Output der norwegischen Band sucht in Punkto Häufigkeit und schierer Masse noch heute seinesgleichen. Man braucht also nur irgendwo anzufangen und hat für Wochen eine ganz fabelhafte Entschuldigung, nicht zur Arbeit zu gehen. Mit Erscheinen von ‚Little Lucid Moments’ könnte diese Regel allerdings ihre erste Ausnahme bekommen, denn das neue Werk der ‚Psychonauten’ – zugleich das erste mit Neuzugang Kenneth Kapstad am Schlagzeug – weigert sich beharrlich, mehr als das Versprochene preiszugeben: kleine lichte Augenblicke. So zielstrebig und erhebend, wie die Platte mit ‚Lawned’ startet, so schnell entpuppt sie sich als scheinbar end- wie zielloser Strudel mal episch rockender, mal jazzig rumpelnder Jam-Sessions – und lässt einen zunehmend ratlos zurück. Dies muss kein Makel sein, ist doch die ständige musikalische Selbsterneuerung und eine damit einherzugehen scheinende Lust an der Herausforderung ihrer Fans ein Markenzeichen der Band: MOTORPSYCHO-Platten muss man sich ‚erarbeiten’. Dieser Prozess jedoch wird auf dem neuen Album schon durch dessen unkonventionelle Anlage erschwert: trotz einer Laufzeit von knapp einer Stunde finden sich nämlich nur vier (!) Songs darauf, von denen keiner unter zehn Minuten lang ist. Das Problem dabei: es fehlen die musikalischen Haltepunkte bei diesem chaotischen Ritt ins MOTORPSYCHO-Nirwana. Ich meine damit all die großartigen Songs, welche auf früheren Alben wie kleine Inseln aus dem von der Band so gerne entfesselten Noise-Maelstrom herauszuragen pflegten – und den Boden bereiteten, von dem aus sich einem irgendwann auch die abgefahrensten Space-Orgien erschlossen. ‚Kleine lichte Augenblicke’ – von denen die neue Platte durchaus einige hat – reichen dazu vielleicht nicht aus. Ich sage bewusst: vielleicht. Denn ich bin ja nicht objektiv. Vielmehr hege ich die Hoffnung, dass ich mich irre – hat diese Band doch nicht nur mir mehr als einmal das Leben gerettet. Ich hoffe also, dass auch ‚Little Lucid Moments’ sich irgendwann als klassischer ‚Grower’ entpuppt – und sich all die zerhackten, schrägen, krachigen, ausgeflippten Soundscapes zu einem schlüssig-hörbaren Gesamtbild fügen, das mir keine andere Wahl lässt, als der Band auch diesmal in die von ihr angepeilten Gefilde nachzufolgen. Meine Hoffnung ist indes nicht unbegründet, ist dies doch MOTORPSYCHOs Spezialität: neue musikalische Welten zu erschließen und so die Grenzen des Hörbaren immer wieder neu zu definieren. Ist es also das helle Strahlen einer unentdeckten Galaxie, das sich in den ‚kleinen lichten Augenblicken’ seinen Weg zu uns bahnt? Ich bleibe skeptisch – ziehe aber trotzdem schon mal meinen Raumanzug an. Schließlich gilt: have spacesuit, will travel. Nachtrag aus dem Logbuch (zwei Wochen später): meine Hoffnung hat mich nicht getrügt – das Album ist ein Monster. Verdammte, schnellebige Rezensions-Kultur! Verflucht sei das schnelle Durchhören! Aber das liegt jetzt alles hinter mir. Gut, dass ich den Raumanzug schon anhatte...
dvf
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