BAND: MOTORPSYCHO
ALBUM:

LABEL: Stickman Rec./ Indigo - Vö 15.01.10
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Zuletzt aktualisiert am: 04. Juni 2010
Mit Gummistiefeln die Gehörgänge frei geschaufelt Wir schrieben das Jahr 2008 und die Welt war noch in Ordnung. Althaus konnte noch Ski fahren, im Sommer der Liebe schien die Sonne gar prächtig, die letzten aufrechten Hippies versammelten sich in der Nähe der Burg Herzberg und feierten mit Trampern, Ökobräuten, verstreuten Bluesern des Ostens und leicht bekleideten Blumenmädels ihr jährliches Fest mit Musik, ökologisch abbaubarem Kaffee und wunderbaren Pinkelstationen für Männer. An mehreren Tagen spielten übrig gebliebene Rockcombos vergangener Kulturen so eine Art „Best Of“, obwohl sie bis zu diesem Zeitpunkt keinen größeren Hit vorweisen konnten. Jedes verzerrte Gitarrensolo wurde gefeiert und jedes lau in die Nacht hinaus gebrüllte „Yo Man it`s Peace“ zurück geflüstert. Deutsche Gitarrenhelden frickelten bis der Arzt kam und Bluesmusiker der ersten Stunde zitterten sich von Song zu Song. Alle waren irgendwie auf dem ewigen Trip und wollten mit Einbruch der Dunkelheit einfach nur noch in ein Zelt kriechen und mit einem letzten (ersten?) Aufwärmer den neuen Tag gegen Mittag begrüßen. Ganz schlecht wurde es, wenn Herren aus Braunschweig Thüringer Würste essen wollten, aber überhaupt nicht mit dem blöden Grill zu Rande kamen. Dann ging man doch noch einmal zur fast letzten Band und erschreckte sich fast zu Tode. Mutig und vergnügt stand ich also mit dem Heavy-Menschen und Grillpfeife Frank Schäfer in der Nähe der großen Bühne. Wir warteten gemeinsam auf ein verrücktes Trio, das es uns so richtig geben sollte: MOTORPSYCHO. Wir wußten nicht, ob die umherstehenden Hippies überhaupt etwas mit Höhen, Tiefen, Rock, Pop, Jazz, Noise und Metal anfangen konnten, eines wussten wir aber: Wir konnten mit diesem Zeugs verdammt viel anfangen. Pünktlich vor Mitternacht begann der Boden zu vibrieren. Der Baß wummernte um die Ohren, das Herz legte rasend los und überhaupt der ganze Sound ließ Schäfermann vor Glück erstarren. Irgendwie wischte diese Band mit geringem Aufwand, aber mörderisch hohen Klängeburgen, alle liegen gebliebenen Flower-Power-Töne vom Festivalgelände. Die Gummistiefel, ja, so etwas hatten die „Besseren der Gesellschaft“ an, begannen samt Inhalt zu zucken und die Gehörgänge wurden von kleinen Bassarbeitern frei geschaufelt. Es war einfach nur MOTORPSYCHO, die gerade ihr Ding drehten und alle ziemlich alt aussehen ließen. Nun ist die Zeit reif für ein weiteres Kapitel MOTORPSYCHO: Das neue Album „Heavy Metal Fruit“ liegt abholbereit in jedem Drogeriemarkt mit Multimedia-Abteilung. Der Titel verwirrt, denn gar so viel Heavy Metal in Reinkultur ist nicht zu hören. Es kracht und klimpert aus den Boxen, aber alles ist wie bei den Vorgänger-Alben, bloß viel schöner: Jede Menge Bass kommt aus den Tiefen des Musikozeans, Gitarren sägen nur so an schwachen Nervenkostümen und irgendwie taucht ja doch Heavy Metal auf. Viele wunderbare Melodien sind zu erkennen, der Gesang ist lieblich und herzlich und sogar Gastmusiker (z.B. Sängerin Hanne Hukkelberg) dürfen die dunkle Seite des Trios mit Stimme, Keyboard und Trompete verfeinern. Vom Song „X-3“, der wie ein kleiner Hit beginnt und im Sologewitter der Zupfinstrumente endet. Bis hin zu gigantischen Tontürmen, die den Backenzähnen Schmerz zufügen, ist alles MOTORPSYCHO-Musik (sechs Lieder in 62 Minuten), wie die Gemeinde es liebt. So sollen die Norweger Bent S. (Bass), Hans Magnus „Snah“ Ryan (git) und Freunde den nächsten Deutschland Termin bekannt geben, damit zwei smarte Männer wieder ihrem Rhythmus lauschen können.
Thomas Behlert
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