LABEL: Spinefarm Records / Universal – VÖ: 02.04.2012 |
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Zuletzt aktualisiert am: 17. April 2012
Nach KILLING JOKEs Reunion in Originalbesetzung und dem folgenden Album „Absolut Dissent“ von 2010 gibt es eineinhalb Jahre später nun den Nachfolger. Mit der Ur-Konstellation scheint die Band ein Dauer-Kreativitätshoch zu haben, denn war schon der Vorgänger ein Meilenstein, so schaffen es KILLING JOKE mit „MMXII“ (lateinisch für 2012), noch mal eine Schippe draufzulegen.
Musikalisch war „Absolut Dissent” eine Sammlung von Sounds, die KILLING JOKE über die Jahrzehnte ausmachten - eine Art „Best Of“ mit neuen Songs, bei denen auch mal ein Track mit vordergründig elektronische Elementen neben einem reinen Hardcore-Gitarrenbrett stand. Auf „MMXII“ ist der Sound einheitlicher. Elektronische Elemente werden durchgehend, aber dezenter, eher unterstützend und weniger als Stilmittel, eingesetzt. Die CD startet mit „Pole Shift“ - einem epischen, knapp neun Minuten langen Song, der verhalten mit wabernden Synthies und ruhigen Gitarrensounds startet, dann einen Gang hoch schaltet, wieder runter in ruhige ambientartige Gefilde wechselt und so mehrmals Geschwindigkeiten und Stimmungen ändert. „Fema Camp“ ist ein düstererer Koloss von einem Rock-Ungetüm, der sich mit quälend langsamem Rhythmus, tonnenschwerem Schlagzeug und stumpf sägenden Gitarren nach vorne schiebt und alles zermalmt, was ihm im Weg steht. Mit industrial-blechern tönenden Sequenzerklängen und hallenden Vocals, die sich anhören als seien sie in einer Tiefgarage aufgenommen, kommt „Rapture“ daher. „Colony Collapse“ ist eine Postpunk-Hymne mit dumpfem Bassrhythmus, der fast wie Marschmusik stampft. Neben harten, düster-apokalyptischen Klängen gibt es auf „MMXII“ auch immer wieder Licht am Ende des Tunnels. „In Cythera“ geht treibend nach vorne und der bis dato schwere Sound wird plötzlich federleicht. Der Bass tänzelt geradezu leichtfüßig und Colemans Stimme klingt klar, jung und zuversichtlich wie die eines leicht verschnupften Sängerknaben. Mit seinen sakralen Glockenklängen verströmt „Primobile“ positive Energie. Die krachigen Gitarrensounds von „Geordie“, die immer ohne technische Gimmicks wie Sounddopplungen auskommen, klangen nie beeindruckender. „Trance“ hat eine simple „Kinderliedmelodie“ und der hüpfende Rhythmus des Songs verführt geradezu zum Pogo tanzen.
Die Stimmung des Albums zwischen Untergang und Aufbruch passt perfekt zu den Lyrics und der gegenwärtigen Situation in Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt, mit Finanzkrise sowie Natur- und hausgemachten Umweltkatastrophen im vergangenen Jahr. KILLING JOKE waren ja schon immer kapitalismuskritisch und wurden nie müde davor zu warnen, dass unser wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Weg in naher Zukunft in den Untergang führen wird. Dementsprechend kreist auch „MMXII“ um diese düsteren Visionen, aber auch um positive Ausblicke auf die Möglichkeit einer besseren Zukunft. Die Botschaft ist, dass alles im Fluss ist, wir am Scheideweg stehen und entweder weiter in den Abgrund treiben oder umschalten und zur Besinnung kommen: “If we can concentrate on what it can be, the dream of clean streams, of re-forestation, of permaculture, of disengaging all the banks - identifying all the majority shareholders of the top 100 corporations and dismantling them. If we start dreaming of a fairer system and defining what an elite should be - an intellectual powerhouse and not international bankers.” (Jaz Coleman).
Schade, dass ich nur eine Promotion-Version ohne Texte vorliegen habe, denn die Lyrics einer Band, die Zeilen wie 'Five corporations earn more than forty six nations – You’ve got blood on your hands' (von „Blood On Your Hands“ vom schlicht „KILLING JOKE“ betitelten 2003er Album) zustande bringt, hat man gerne auch noch mal gedruckt zum Nachlesen. Zumal “MMXII” ein echtes Meisterwerk ist.
Jo Neujahr
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