LABEL: New Music – VÖ: 15.02.2013 |
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Zuletzt aktualisiert am: 21. Dezember 2013
Wer schon immer gern durch die Natur stiefelte und sich an satten Wiesen und weiten Bergen erfreute, muss irgendwann auch die Kappeler Alp ansteuern. Und dann wird ihn ein blaues Wunder, ein nicht alltägliches Fest für die Zunge und vor allem für die Ohren, erreichen. Auf 1350 Meter steht eine in den 1950er Jahren erbaute Hütte. Die bauen die jeweiligen Besitzer bis heute schonend um, immer nur so, dass sie genau in die Gegend mit ihren vielen Wander- und Bergsteigwegen passt. Wer sich ganz genau umsieht und die liebe Sonne erwischt, hat einen märchenhaften Blick auf die Ostalgäuer Seenplatte, auf Königswinkel und Zugspitze und vor allem auf die Tiroler Alpen, die Schnee bedeckt und verkitscht, aber wahr, zum Himmel hoch leuchten. Sechzehn Personen können in der Hütte auf einem Matratzenlager übernachten und bis zu 70 in der gemütlichen Gaststube die erlebten Anstrengungen bei einer hausgemachten Mahlzeit noch einmal Revue passieren lassen. Ob der deftige Kartoffelsalat, der Hirschgulasch oder der immer frisch zubereitete Hüttenkäs`, alles bringt die Geschmacksnerven zum Jubilieren. Der Käse wird vom Wirt und Betreiber der Berghütten „Kappeler Alp-Gitarren-Bergkäs´“ genannt. Und da wären wir schon bei unserem eigentlichen Anliegen, nämlich die musikalische Leidenschaft des munter agierenden Wirtes, Karl Gehring, näher zu beleuchten. Vor acht Jahren begann der Karl, der seit 35 Jahren in den Bergen lebt und sich auf der Kappeler Alp ab 1999 einen Traum erfüllt, Gitarre zu spielen. In jeder freien Minute greift er zur Klampfe und spielt für die Gäste manch lustige Weise. Jeden Sonntag veranstaltet Gehring mit Freunden nicht alltägliche Konzerte. Da sich das mittlerweile rumgesprochen hat und jeder gerne mal auf der höchsten Freilichtbühne spielen möchte, kommen oft einheimische Bands und „zu a`gereiste“ Kapellen hinzu. Aus Berlin waren beispielsweise schon dabei: DER SINGENDE TRESEN, das SWING TRIO und die STREET DOGS. Nun ist alles noch zwei Zacken schärfer, denn der ehemalige Extremskifahrer Karl nennt sich nun El Carlos und musiziert auf verdammt verquere Weise mit Punks auf Teufel komm raus. Singen kann der Hüttenwirt zwar nicht, aber das dafür gut, oder wie er es in einem Interview auf den Punkt brachte: ‚Niemand kann nicht singen. Deshalb sing ich.‘ Mit Zylinder, Skihose, Schlangenlederboots und roter Ansteckblume bekleidet, schloss sich El Carlos mit den waschechten Punks Siphone (Bass), Kloake (git.) und Milbe (dr) in der Alphütten ein, um selbst entwickelte Songs aufzunehmen. Nichts wurde dabei vergessen: Es gab Dosenbier, Müll verschandelte die Gegend und alle verwendeten die schönsten Ausdrücke. Na, inszenierter Punk eben. Die Musik knallt rein, man geht mit dem Hammer dran und später mit der Sichel. Die Produktion ist ein Gesamtkunstwerk und der Effekt so, als wenn man den Jäger bei seinem Mädel trifft (doppeldeutig!!). Der Titelsong „El Carlos“ ist verdammt reizend, da alle wohl durch eine Blechbüchse singen. Die Gitarre wummert, das Schlagzeug kreischt und ansonsten grölt das Quartett immer ordentlich den Punk in die herrliche Natur hinaus. Und wenn alle schließlich noch zu fiesen Texten jodeln, die Volksmusik quiekt, der Dialekt sprudelt und immer wieder der harte Rock’n‘Roll einsetzt, merkt ein jeder, dass Mut, Konsequenz und Abstraktionsvermögen auf der Alp gezüchtet wurden und zornige junge Männer mindestens eine Woche zornig waren. ThoBe
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