BAND: BOB MOULD
ALBUM:

LABEL: Merge Records / Cargo Records - VÖ: 06.06.2014
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Zuletzt aktualisiert am: 15. Juli 2015

Die schönste Verneigung vor der sehr wichtigen Punk- und Prä-Alternative-Band HÜSKER DÜ findet aus meiner Sicht in dem äußerst düsteren und ziemlich brutalen Queer-Punk-Roman "Try" von Dennis Cooper statt. Im Mittelpunkt steht unter anderem ein Punk, für den HÜSKER DÜ so etwas wie den Lebensmittelpunkt darstellen. Der junge Mann bringt ein Fanzine (ach was?) namens "I Apologize" (yes - genau so wie das Lied auf "New Day Rising") heraus.

Vom legendären Album "New Day Rising" zu Bob Moulds neuer und zehnter Solo-Platte (insofern wir BLOWOFF nicht mitzählen) ist es wenigstens teilweise nur ein Katzensprung, denn gar nicht so selten erinnern die Songs an selige Zeiten, als American Underground Punk noch nicht in vermarktbare Förmchen gegossen war sondern wild (und in diesem Fall stilbildend) wucherte. "Kid With Crooked Face" oder "Hey Mr. Grey" lassen mit ihren Räume voll machenden Gitarren HÜSKER DÜ-Herzen höher schlagen, wobei Bob Mould natürlich auch ganz andere musikalische Gefilde beschreitet, die er aus dem Effeff beherrscht. Ein Höhepunkt ist die Single-Auskopplung nebst tollem Video mit THE WIPERS-Anspielung: "I Don't Know You Anymore", denn hier bringt Bob Mould punktgenau aufs Tablett, was er vielleicht etliche Jahre nicht wollte. Musikalisch und textlich entsteht ein punkiges Konglomerat mit ausgeprägtem Pop-Appeal. Das Ganze wirkt wie ein Hybrid aus "seinen" zwei vorherigen Bands SUGAR und HÜSKER DÜ.

Auf der anderen Seite kommen locker flockige und poppige Songs wie "Forgiveness" oder das folkig angehauchte "Let The Beauty Be" dazu, bei denen Bob Mould entspannt wie selten zuvor klingt und wunderschöne Melodien aus dem Ärmel schüttelt, die gleich im Ohr hängen bleiben. Ob es an dem neuen ... nun ja, nennen wir es mal "Bandgefüge" liegt? Denn eigentlich hätte das Album auch als Band-Werk und nicht als Solo-Scheibe erscheinen können, entstand es doch in Zusammenarbeit mit Jason Narducy und Jon Wurster. Diese sind eine feste Größe im Kosmos von Bob Mould, da sie bereits auf der Tour wie bei den Aufnahmen zum 2012er-Album "The Silver Age" dabei waren. Genau jene Platte führte ihn vorwärts to the roots, was nach etlichen selbstverständlich guten Platten aber auch einigen Schlingerkursen wie AutoTunes oder allzu poppigem Zuckerguss eine erfreuliche Angelegenheit war. Ob Bob Mould nach SUGAR und HÜSKER DÜ keine neue Band am Start haben möchte? Schließlich nahm es mit der letztgenannten Truppe nicht unbedingt das beste Ende: sein Counterpart Grant Hart und er sprachen viele Jahre nicht miteinander, bis sie dann im Jahr 2004 bei einem Benefiz-Konzert plötzlich gemeinsam auf der Bühne standen.

Übrigens: bei Bob Mould ist es schon lange eine öffentliche Sache, dass er schwul ist. Bei Grant Hart war es so was wie eine Überraschung, als das vor ein oder zwei Jahren ein bisschen durch die (alternativen) Medien ging. Da es sympathisch laissez-faire abgehandelt wurde, bekamen es viele Leute gar nicht mit. Grant Hart ist wohl kaum beim Kaffeetisch aufgestanden, hat auch nicht mit dem Löffel an die Tasse geklopft und hat schon mal gar nicht gerufen: Jetzt hört mir mal einen Moment zu, seid mal ruhig! Ich hab euch was Wichtiges zu sagen!'

Kommen wir zurück zu "Beauty & Ruin": Bob Mould verarbeitet hier unter anderem den Tod seines Vaters, welcher 2012 von ihm und aus der Welt ging. Dies löste in Bob viel Staub auf: er beschäftigte sich mit seiner eigenen Identität, mit seiner Vergangenheit und laut Eigenaussage mit dem, was er irgendwann mal hinterlassen wird. Echt ergreifend hierzu: "The War". Knallige Gitarren, musikalische Schönheit und markante Texte triggern so einiges in Hirn und Körper: 'Listen to my voice. It’s the only weapon I kept from the war.'

Das I-Tüpfelchen ist letztendlich das Platten-Cover, auf dem der Herr Mould einerseits als rauchender Jungspund und andererseits als älterer Herr mit Brille und Bart zu sehen ist. "In Würde altern" klingt blödsinnig kitschig und nach Regenbogen-Presse ... denn sonst hätte ich jetzt einen prima Abschluss für die Rezi gefunden. 

El_Nico
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