LABEL: Papership Records/Broken Silence – VÖ 27.2.2009 |
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Zuletzt aktualisiert am: 07. Mai 2009
Bei „Zufluchtsort“ handelt es sich - nach dem Debüt „Wenn die Botenstoffe streiken“ - um das wütende zweite Werk der jungen Marburger Hard- bzw. Punkcoreband TODD ANDERSON. Alexander Gockel (Bass und Gesang), Daniel Bubel (Gitarre), Thomas Blöcher (Gitarre), Marco Seeger (Gesang) und Florian Seebauer (Schlagzeug) verbinden darauf harte und mächtige Gitarrenwände mit sehr intelligenten, poetischen und realen deutschen Texten. Allein schon die Titel der einzelnen Lieder sind für eine Hardcoreband eher ungewöhnlich. Da findet man sich im „Waldtal“ wieder oder auf dem „Totenberg“. Im Wald findet man dann „Honig“ oder „Bernstein“. Vervollständigt wird diese Wortansammlung von „Nest“, „Ocker“, „Wand“ „Untaten“ und „Feuer“. Damit haben sie sich einige sehr schöne Worte aus der deutschen Sprache herausgepickt. Die Texte dann verstecken sich etwas im Gitarrenfeedback. Wie gut, dass der CD ein Booklet beiliegt, in dem man sich davon überzeugen kann, dass hinter diesen Titeln auch jede Menge brachialer Poesie steckt. Und es geht sogar noch weiter, denn auch die Entstehungsgeschichte der einzelnen Songs lässt sich hier nachlesen. So erfährt man, dass die schönen Titel nicht für sich stehen, sondern klug gewählt Ausschnitte aus dem Leben und Erfahrungsschatz der Band benennen. „Kritisch-intelligentes Songwriting und Texte mit Aussage“ - so benennen sie es in ihrem Blog: http://todd-anderson.blogspot.com/ sehr richtig.
Der Song „Waldtal“ ist solch ein Beispiel, er handelt nämlich nicht von dem Ort, an dem sich Hase und Fuchs gute Nacht sagen, oder irgendwie gerade doch... Beschrieben wird hier nämlich das Leben im Marburger Stadtteil „Waldtal“, einem sozialen Brennpunkt, in dem viele Sozialhilfebezieher leben. „Nest“ wiederum beschreibt den Ausbruch aus dem Elternhaus und die Risse hinter der heimeligen Familienfassade. Und so geht es bei jedem weiteren Lied: Die Bedeutung der einzelnen Worte enthüllt mit jedem Hören oder Lesen im Booklet weitere Bedeutungsebenen und lässt dem Hörer auch seine eigenen Assoziationen.
Weitere Themen der Texte sind die Übertretung der Menschenrechte im Dienste profitabler Handelsergebnisse oder Höhlenmalereien als frühe Kunstformen der Menschheit. Untermalt werden diese kritischen Themen von einem charmanten und sehr komplexen Gitarrennoise und dadurch wird das Hören immer wieder zu einem Erlebnis. Bei jedem Durchlauf erschließen sich die Musik und die Texte mehr und bleiben trotzdem spannend und offen für weitere Bedeutungsveränderungen.
TODD ANDERSON - diesen Namen sollte man sich merken. Ihr Werk „Zufluchtsort“ lässt hoffen, das da noch einiges geht und ins Debüt sollte ich jetzt auch endlich mal rein hören!
Andy
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