BAND: SOOKEE
ALBUM:

LABEL: Springstoff – VÖ: 2.12.2011
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Zuletzt aktualisiert am: 21. Januar 2012
Auf dem dritten Album „Bitches, Butches, Dykes & Divas“ schleudert die Berliner RapperIn SOOKEE mal wieder in sympathischer Weise zahlreiche lila Eisenstangen in die Speichen althergebrachter Denk- und Wahrnehmungsweisen. Nicht zum ersten Mal berichten wir an dieser Stelle über ein HipHop-Album. Ein kurzer Blick in die Historie des Punkrock zeigt, dass in den USA zu Beginn der 1980er Punk und HipHop-Kultur (oder –Bewegung) eng miteinander verbandelt waren (bezeichnenderweise heißt der zweite Track auf SOOKEEs Album „Zeckenrapsupport“). Wichtig war es, in selbstbestimmter Manier die eigene Leidenschaft auszuleben und nicht das Einrichten in klar abgesteckten musikalischen Landschaften. Zudem hat es den Anschein, dass deutschsprachiger HipHop, zumindest teilweise, gegenwärtig eine interessante Zeit durchmacht. Wie schon berichtet gibt es momentan den Versuch, Impulse in die hiesige Rapszene einzubringen, die die gängigen sexistischen und kapitalismusaffinen Vorstellungen und Werte unterläuft. Auf SOOKES Album sind mit PYRO ONE, CAPTAIN GIPS, BADKAT sowie KOBITO und REFPOLK einige dieser interessanten Acts vertreten. Die Verbindung untereinander ist nicht zu übersehen. Zu diesem Prozess ist nun auch SOOKEE zu rechnen, die mit dem Album „Bitches, Butches, Dykes & Divas“ ihr drittes Album vorlegt. Der gleichlautende Song war übrigens auch die „Hymne“ bei den letztjährigen Slutwalks. Das Lied ist dementsprechend auch eine offensive Absage an patriarchale Weiblichkeitsvorstellungen. Womit wir auch schon mitten im Universum von SOOKEE wären. Den Fixpunkt bildet ein lebendiger „Antifaschistisher Queerfeminismus“, wie es im Booklet prangt. Dabei reicht die Palette der Songs vom zärtlichen Näherkommen („Siebenmeilenhighheels“, „Reibung“) über Angriffe gegen die herrschende patriarchale Norm in ihren verschiedenen Ausprägungen („Bitches, Butches, Dykes & Divas“, „Purpleize HipHop“, „Einige meiner besten Freunde sind Männer“) bis hin zu Selbstkritik („Lernprozess II“). Die Lieder versuchen in je unterschiedlicher Art und Weise entweder die patriarchale Geschlechterordnung offensiv zu unterlaufen oder zu Selbstermächtigung und anderen Denk- und Verhaltensmustern anzuregen. Besonders fein und wichtig finde ich dabei das Stück „Einige meiner besten Freunde sind Männer“. Hier wird eine Kritik an vermeintlich emanzipativen, antisexistischen, linken Männern geführt, die unter dem Deckmantel ihrer Offenheit doch wieder die alte Scheiße reproduzieren. Hervorzuheben ist, dass nicht rigoros alle (linken) Männer verteufelt werden, sondern dass, gemeinsam mit REFPOLK, nach einer nicht hegemonialen Männlichkeit Ausschau gehalten wird. Dieses Thema ist nicht neu und auch in der linken Szene schon lange präsent, doch kann die Scheinheiligkeit nicht oft genug ins Visier der Kritik geraten. Für diejenigen, die sich bislang noch nicht mit queerer Theorie beschäftigt haben, mag es sein, dass so manches unverständlich klingen kann. Das sollte aber nicht abschrecken – das Album ist keineswegs als verkopft zu bezeichnen und ohnehin sollte doch das Aneignen von (kritischem) Wissen im Punk eine zentrale Konstante darstellen. Ohnehin könnte SOOKEE in gewisser Weise als zeitgemäße WidergängerIn der RiotGrrl-Bewegung gelten, ohne daraus jetzt eine Schublade basteln zu wollen. Neben der expliziten feministischen Stoßrichtung besteht dieses Erbe in der Selbstermächtigungsstrategie, die das Genre des HipHop für SOOKEE bereithält. Da ich kein Experte in Sachen HipHop bin, kann ich recht wenig zu der Musik sagen. Inwieweit die Beats dem gängigen Repertoire entnommen sind oder diesem zuwiderlaufen und inwiefern Musik und Inhalt gekoppelt sind kann ich nicht beurteilen. Wichtiger erscheint mir ohnehin der Inhalt zu sein und der überzeugt durch seine (Selbst)Kritik an männlichen Herrschaftsverhältnissen und einer punkig anmutenden Attitüde. Sehr sympathisch und sicherlich wert, das mit einem offenen Ohr zu verfolgen und zu unterstützen.
borschi
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