RALF KÖNIG
Elftausend Jungfrauen

Rowohlt Verlag Reinbek – VÖ: 2012
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Zuletzt aktualisiert am: 30. November 2013

Biblische Geschichte mit den 10 000 Jungfrauen! Als die russischen Musikerinnen von PUSSY RIOT wegen ihres künstlerischen „Angriffs“ auf die Kirche abgeurteilt waren, begann in Deutschland das Pseudo-Jammern. Politiker aller Himmelsrichtungen beschwerten sich, mahnten an und wiesen auf die Demokratie hin. In kirchlichen und christdemokratischen Kreisen blieb es verdächtig ruhig, denn so eine Maßnahme, wie sie Putin durchzog, hätte man hier im deutschen Ländle auch gern. Einfach Künstler, die die Kirche veralbern, in Lager verfrachten. Das wäre doch ein tolles Ding. Vorneweg würde sicherlich Ralf König einfahren, der sich seit vielen Jahren auf seine Weise mit dem alten und dem neuen Testament beschäftigt. So erzählte er in den Büchern „Antityp“, „Archetyp“ und „Prototyp“ religiöse Geschichten neu und machte aus Gott, Noah und anderen Spitzbuben ziemlich abgefahrene Gesellen, die ihre Meister fanden. Ungewollte Werbung veranstaltete am Anfang der Trilogie der christliche Medienverband KEP, der voller Ernst gegen Königs Kunst das Kreuz schlug: 'Die Zeichnungen machen sich über biblische Geschichten und Figuren lustig. Sie sind eine Beleidigung für alle, denen die Bibel als Grundlage für ihren Glauben gilt'. Ach, wie gerne hätten sie den im düsteren und humorlosen Westfalen in Soest geborenen Zeichner weggesperrt, zumal er die gleichgeschlechtliche Liebe bevorzugt. In jungen Jahren begann Ralf König eine Lehre, wie unser aller Jesus, als Schreiner und Tischler, ging aber später auf die Kunstakademie Düsseldorf. Sehr schnell merkte der Strichmännchenzeichner, dass die von seinen Professoren bevorzugten Ölfarbe und Plastilin nichts für ihn waren. Männer mit herrlichen Knollennasen, ebensolchen „Pimmeln“ und wundervoll behaarten Oberkörpern waren das, was er zeichnen und mit denen er berühmt werden wollte. So entstanden im Laufe der Zeit die lustigen, manchmal sogar grausamen, aber immer sehr lesenswerten Comics „Kondom des Grauens“, „Bis auf die Knochen“, „Wie die Karnickel“ und das leider mit dem unterirdisch agierenden Till Schweiger verfilmte „Der bewegte Mann“. 

Nun sollte es also die Legende über die heilige Ursula sein, die als Schutzpatronin der Stadt Köln gilt und einstmals mit 10 Freundinnen nach Rom pilgerte. König griff die alte Geschichte auf und verwendete in den Bildern alle Ausschmückungen, die in vielen Jahren danach Einlass fanden. So soll Ursula, die man gerne als „Pfannkuchen in Schockstarre“ beschreibt, Aertherius heiraten, der der Sohn vom heidnischen König von Engelland ist. Damit das nicht stattfinden kann, will Ursula mit 10 000 Jungfrauen nach Rom pilgern und sich segnen lassen. Finster blickende Nonnen, die ihre Wallungen und menschlichen Gelüsten durch Schmerzen bekämpfen und unberührte Körper züchtigen und in Dornengürtel zwängen, müssen als Beobachter und Tugendwächter mitfahren. Ursula ist vom Geschwätz der Kirche völlig gaga und hörig und will Jungfrau bleiben. Sie versammelt um sich alle Weibsbilder, die noch nie mit einem Mann in Berührung kamen und zieht mit ihnen über Berge und Meere gen Heiligen Stuhl. 

Beim Zeichnen dieser Szenen übertraf sich der Künstler selbst, denn all die sogenannten Jungfern besitzen herrliche Riechorgane in der Gesichtsmitte, verdammt hängende Brüste und weit auseinandergehende Ärsche. Die „Frauen“ sind gewaltig, manchmal sogar niedlich, aber nicht für die Ehe geeignet, denn sie wollen keine bärtige und furzende Begleitung. In Rom wartet der notgeile Papst auf die Weiberschar, die er nackt im Taufbecken knien sehen möchte. Der Heilige Vater ist Bild für Bild gut getroffen: Seine Anzugsordnung stimmt, die Körpersprache, die bis zur Enttäuschung reicht, ebenso. Leider darf er die „jungen Dinger“ nicht bespringen, sondern nur mit Weihwasser besprengen. 

Auf dem Heimweg passiert es dann: Alle Jungfrauen erfahren von Ursulas Fehltritt in einer römischen Pizzeria und beschließen daher, ebenfalls mit ihren nackten Hintern auf stattliche Männer zu springen. Vor Köln, gleich neben dem „Matschfleck Düsseldorf“, lagern ganz „zufällig“ tausende Hunnen, die sich jährlich zum Christopher Street Day zusammenfinden. Auf dem Weg dorthin werden die Jungfern allmählich nervös und immer feuchter – weil „dat Ursula inne vun dere geile Barbare verzällt hat“. Beim Anblick eben dieser behaarten, schwitzenden und fast nackten Männer reißen sich die Weiber die Kleider vom Leibe, stürzen ins Meer und überfallen die angeblich barbarischen Hunnen. Ach, was ist das für ein Sabbern, Fummeln, Spritzen und Jauchzen. Frauen stürzen auf wehrlose Männer und wollen ihre kühnsten Phantasien ausleben. 

Die über 190 Seiten Comic „Elftausend Jungfrauen“ brillieren nicht nur mit einer rasanten Geschichte, sondern ebenfalls durch kleine, manchmal versteckte Nebenschauplätze: Gottes Kirche handelt auf Teufel komm raus, Nonnen sind auf der Suche nach Astlöchern, die kirchliche Würdenträger mit steifen Gliedern füllen und der Papst hält eine „geile“ Rede, wie auch der König vom Christenland. Ralf Königs zärtlich gezeichnete Sprechblasen sind voller Witz und böser Ironie, manchmal pervers, aber immer wahr.   „Elftausend Jungfrauen“ ist eine Geschichte, die die Kirche so richtig schön in den A… fi…, oder so.

ThoBe
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