Rotbuch Verlag - VÖ 17.8.2009 |
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Zuletzt aktualisiert am: 18. November 2009
Christian Bach, Jahrgang 1970, ist ein interessanter Typ. Er ist Wirtschaftswissenschaftler, hat sich nach dem Studium zum Verkehrspiloten ausbilden lassen und lebt heute an der Atlantikküste von Cornwall, wo er als Segel- und Surflehrer arbeitet. „Free Lunch“ ist sein Debutroman. Die Romanstory ist auch recht interessant. Die angehenden Wirtschaftswissenschaftler und Zwillingsbrüder Hans und Paul Spey träumen vom „Free Lunch“. Dieser Begriff bedeutet etwa soviel wie Ertrag ohne Arbeit und geht auf den bedeutenden britischen Ökonomen Lord John Maynard Keynes zurück. Der Begriff kann als Synonym für das Paradies verstanden werden. Die Suche nach dem „Free Lunch“ führt die Zwillinge zunächst in die Dominikanische Republik, wo sie an den zwielichtigen Udo Krämer und dessen nicht minder zwielichtigen Freund „Capitano“ geraten, von dem sie das sagenumwobene ehemalige Café „Pincho“ kaufen wollen, in der Hoffnung, damit in der Fremde ihr Glück zu machen. Dort geraten sie in eine gefährliche Situation und entkommen nur knapp. Zurück in Deutschland versuchen sie sich zusammen mit zwei Geschäftsfreunden als Global-Player in der Immobilienbranche, was natürlich auch schief geht. Schließlich müssen sie erkennen, dass nichts umsonst ist. Als sie tatsächlich so etwas wie den angestrebten Zustand des „Free Lunch“ erreichen, zahlen die Brüder dafür einen hohen Preis.
Leider vergibt Christian Bach das Potential seiner Story komplett, da er mit seinem Debut einfach zu viel will. Es reicht ihm offenbar nicht, seine Geschichte adäquat umzusetzen, sondern er will offensichtlich mit dem Erstlingswerk gleich ein tiefgründiges und geistreiches Epos schaffen. So ist der Teil, der in der Dominikanischen Republik spielt, zwar teilweise recht unterhaltsam und gut gelungen, aber bis der Leser dahin kommt, macht es ihm der Autor extrem schwer. Bach bringt die Geschichte nicht voran, schweift immer wieder ab, gibt unwichtigen Nebenfiguren zu ausgiebige Hintergrundgeschichten und nervt mit langatmigen, pseudo-philosophischen Betrachtungen über die Welt und das Leben. Und das ist teilweise richtig peinlich und eine kaum beschreibbare Zumutung. Deshalb hier ein Textauszug als quälendes Beispiel:
„ … und seine grünblauen Augen wirkten traurig, als er sich weitere neue Fragen stellte, auf die es keine Antwort gab: >>Die Zeit vergeht. Was soll das heißen? Warum vergänglich? Das heißt, sie existiert nicht mehr. Doch wenn die Zeit nicht existiert, dann erst recht nicht der Moment. Denn im Moment des Augenblicks ist die Zeit, die wir ihm geben, stationär. Aber eine stationäre Zeit kann es nicht geben, solange die Zeit vergänglich bleibt. Schon der Moment des Heute existiert nicht mehr. Heute ist gestern, weil das Heute im Moment vergeht. Der Moment ist schon Vergangenheit. Also kommt die Vergangenheit vom nichts. Es wäre besser, wenn die Zeit passiert. Die Zeit passiert der Erde. Sie passiert sie nicht, weil sie nicht kommt und nicht geht. Sie vergeht nicht. Die Erde dreht sich um die Sonne. Ein Morgen kommt, ein Heute geht. Dieser Tag geht zu Ende, morgen kommt ein neuer. Kalendarisch festgelegt. Die Datumsgrenze gibt dem Recht. Die Zeit passiert der Welt. Nach heute kommt nicht gestern. Oder vielleicht doch. Das Heute von hier ist das Gestern von dort. Die Zeit spielt keine Rolle. Heute ist gestern, und gestern ist heute. Nur das Morgen existiert noch nicht. Oder hatte es schon existiert? Und wann? Immanente Transzendenz, weil auch die Gegenwart nicht existiert.<<“
- Hat da noch jemand Lust, aufmerksam weiter zu lesen?! Wohl kaum. Der Lektorin des Romans scheint es ähnlich ergangen zu sein. Neben einigen kleinen, aber verzeihlichen Fehlern, wo beispielsweise aus der Muße die Muse wird, kommt es so auf den Seiten 50 und 51 vor, dass die gleiche Textpassage kurz hintereinander etwas umformuliert noch einmal dasteht. Obwohl so etwas nicht vorkommen sollte, kann ich der Lektorin das kaum verübeln. Schade, dass keiner Bach in seinem Größenwahn gestoppt, den Roman überarbeitet und den ganzen unsäglichen, der Story abträglichen Schwurbel einfach weggekürzt hat.
Jo_N
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