Edition PaperOne |
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Zuletzt aktualisiert am: 10. Mai 2010
Alkohol, Depressionen, Betäubungsmittel, Musik, Hoffnungs-schimmer – das ist der Stoff, aus dem Gedichte und Kurzge-schichten von Jerk Götterwind entstanden sind. Die Zeilen lesen sich so herrlich banal, an eigenes Erlebtes erinnernd oder auch voll abgefahren wie in ‚Wenn ich Kannibale wäre würde ich nur Alkoholiker essen‘. In Gedanken male ich mir aus, wie der Autor auf seine Schreibmaschine einhackt, um inne zu halten, zu trinken, zu rauchen, zu denken und um wieder die Tasten zu bearbeiten. Mit „Die verdammten Jahre“ fasst Götterwind Veröffentlichungen von 1992 bis 2007 (teils überarbeitet) als eine Art seiner Vergangenheitsbewältigung zusammen und packt auch noch neue Werke hinzu. Die meisten dieser Gedichte und Geschichten sind in verschiede-nen Fanzines und Anthologien bereits veröffentlicht worden und vorwiegend in Deutsch, aber manchmal auch in Englisch verfasst. Von Zeit zu Zeit gestattet der Autor sich, zur Auflo-ckerung die eine oder andere englische Phrase einzuflechten. Götterwind lässt den Leser durch Schilderung verschiedens-ter Anekdoten absolut authentisch an seinem Leben und seinen Gedanken teilhaben (‚Oder muss ich mich beschimp-fen lassen ob meiner Texte, wie damals bei einem Radiointer-view, wo man mir riet, mich in psychologische Behandlung zu begeben‘). Seine Worte sind hart, real (‚Ich habe eine Bot-schaft/Sterbt alle‘) aber auch auf seine Weise humorvoll (‚Ich sah aus wie ein Blödmannsgehilfe‘). Das Leben ist nun mal kein Ponyhof! Trotz häufiger depressiver Anflüge liest sich Zeile für Zeile leicht und eingängig. Dennoch beherrscht der Schriftsteller das Wortspiel meisterhaft: ‚Fortschritt/Schritt fort/Fort Schritt/Schreit fort/Entferne Dich/Von dem was wich-tig ist‘. Schwermütig rechnet er mit dem Leben (‚Und ich starb irgendwo/1981 in einem Keller‘), mit Hass und Gewalt in ‚Wie viel Blut wollt ihr noch‘ sowie Umweltverschmutzung und Tierquälerei (‚Und im Betondschungel/Überleben nur wir/…/Schlachthäuser und/Legebatterien brennen‘) ab. Den Gegensatz dazu bildet die romantische Erzählweise bei-spielsweise in den Naturbeschreibungen seiner Kurzge-schichten ‚Dabei glitzerten die Wellen des Wassers kurz auf, bevor sie sanft in Richtung Land ausliefen‘. Musik ist im Buch kein vordergründiges Thema, doch sollte man wissen, dass Jerk Götterwind Sänger verschiedener Punk- und Grindcore-Bands wie DISANTHROPE oder MRS. KRABAPELL war und noch heute ist. Wer wissen möchte, wie Jerk Götterwind den Punk-Rock kennenlernte, der wird auch das schließlich in diesem unterhaltsamen Büchlein erfahren.
claudia k
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