Die schlagfertige Melitta
Zwickau, Ballhaus Neue Welt. 29.08.2014 Live-Comedy ist für mich immer so eine Sache: Der Gedanke daran, jemanden für 90 Minuten zu meiner Belustigung zu bezahlen wirkt irgendwie mittelalterlich. Der Hofnarr gibt sein gar amüsantes Programm zum Besten, und genauso vorprogrammiert sind auch die Lacher der feudalen Herrschaften. So sitzt man dann als einer unter vielen da und stellt fest, dass der eigene Humor doch nicht so einmalig ist. Da ich Kurt Krömer jedoch schon auf DVD mit seiner „internationalen Show“ sehr genoss, wollte ich ihm auch mal in Fleisch und Blut eine Chance geben. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte – nicht zuletzt wegen Melitta, zu der ich später noch komme.
Die Tournee namens „Abschied“ wurde aufgrund der hohen Nachfrage verlängert. Verabschiedet hat sich Krömer jedoch nicht von der Bühne – so wie es die Presse fälschlicherweise interpretierte – sondern hauptsächlich von FDP- und Freundinnen-Witzen. Gut so, denn einen zweiten Mario Barth will wirklich niemand sehen. Aus diesem Grund versprach er auch einer Zuschauerin in der ersten Reihe, dass sie ihm ein rohes Ei auf dem Kopp zerschlagen dürfe, falls er über seine Freundin herziehen würde. So wurde Krömer seinem Ruf, mit dem Publikum auf Tuchfühlung zu gehen, bereits in den ersten Minuten gerecht. Er schüttelte Hände, zerwuschelte Frisuren und spuckte in die grobe Richtung der seiner Meinung nach vom Veranstalter bezahlten Gäste. Krömer pöbelte wie eh und je. Die Leute feierten ihn dafür, denn er redet mit den Menschen so, wie diese sonst nur hinter einander Rücken.
So fühlte sich die erste Hälfte kaum geplant und vorbereitet an, alles wirkte sehr spontan. Immer wieder stichelte er etwa bei Jens aus Langenbernsdorf, der extra „unglaubliche 20 Kilometer weit angereist ist“ oder bei der Spätzünderin in der Loge, die leicht zeitversetzt über seine knallharten Kommentare lachte. Lediglich die Showeinlage mit dem „kaputten“ Mikrofon war auffällig inszeniert, aber dennoch unterhaltsam: Bei seinem künstlichen Ausraster flog ihm glatt die Brille von der verschwitzten Nase. Es folgten ein paar wutentbrannte Anekdoten über vergessene Bistro-Waggons bei der Deutschen Bahn, die fiktive invalide Marmeladenverkäuferin Irmgard oder Markus Lanz. Zum Schluss holte er sich noch einmal den hochroten Jens aus Langenbernsdorf – der ausgerechnet Lokführer ist – auf die Bühne, um mit ihm ein Video über das vermeintliche gemeinsame Coming-Out zu drehen. Krömer knutschte den völlig überrumpelten Mann vor dem Hintergrund einer Regenbogen-Flagge plötzlich ab und pimperte sogar mehrmals sein Bein wie ein notgeiler Hund.
Der zweite Teil seiner Performance war fühlbar programmatischer, was den Lachmuskeln jedoch absolut schnuppe war. Krömers größte Stärke ist es eben, seine Geschichten glaubwürdig und auf Augenhöhe dahinzuschmettern, getreu seiner seit Jahren verwendeten Abschiedsformel „macht´s jut, Nachbarn!“. Öfter karikierte er sogar sein eigenes Programm, indem er immer wieder die Zettel auf seinem Schreibtisch abhakte und mit dem gleichgültigen Kommentar „ham wer…“ beiseitelegte. Nach der Pause zog er sich also zuerst ein paar Kopfhörer über, um einen Scherzanruf bei der Auskunft zu machen, der besser nicht hätte laufen können. Die Dame am Telefon hieß Melitta und war fast schon schlagfertiger als Krömer selbst. In dem Szenario versuchte er, sein Gegenüber davon zu überzeugen, er habe soeben seine Katze und seine Großmutter während des Telefonats erschossen – die Schüsse fielen live mit Platzpatronen. Die liebe Melitta von der Auskunft bot Krömer daraufhin keck lachend ein Bestattungsinstitut in seiner Nähe an, wo er Katze und Oma gleich zusammen in eine Kiste schmeißen könne. Sie stahl ihm in mehreren Situationen regelrecht die Show und so war es beinah schade, dass er ihr am Ende nicht seine wahre Identität nannte, sondern sich als Kai Pflaume ausgab.
Auf alle Witze und Details kann ich hier unmöglich eingehen, denn für mich und die meisten Anwesenden war Krömers Darbietung mit einem einzigen, anderthalbstündigen Lachkrampf verbunden, der noch am nächsten Tag die Bauchmuskeln schmerzen ließ. Die Location war jedenfalls perfekt für Krömer geeignet: Das Ballhaus fasst kaum 500 Personen und so fühlte sich der Abend sehr exklusiv an. Ich kann jedem Krömer-Fan nur empfehlen, ihn mal live zu besuchen. Also dann: Macht´s jut, Nachbarn!