Glauchau. Alte Spinnerei, 24.04.2015. Diese Location ist ein Unikum. Das alte Backsteingebäude beherbergte in Sachen Metal schon so gut wie jeden Künstler von Rang und Namen – und das, obwohl Glauchau nur ein winziges Kaff in Westsachen ist, das außer der Spinnerei genau null Attraktionen für Musikfans bietet. Hin und wieder jedoch lockt der Ort die schwarzen Schwärme in sein Herz und bietet härteste Kunst feil. Die Black-Death-Ikonen BEHEMOTH beglückten dieses Wochenende einmal mehr ihre Fans auf der kleinen Bühne.
Das Warm-Up
Die Mitglieder der ersten Supportband THAW hüllten sich in Kapuzenpullis und reichlich künstlichen Nebel. Das passte bestens zum doomig-schwarzen Sound der Band. Nach dem atmosphärischen Intro krachte die Combo mit langsamen, wuchtigen Passagen los. Im Hintergrund spielte der Sänger immer wieder mit seinem Sampler herum und streute reichlich Noise in die Arrangements. Die Vocals setzte er hingegen nur spärlich ein, sodass die meisten Songs größtenteils instrumental blieben. Interessant war, dass die Stimme des Bassisten wesentlich präsenter wirkte und sich mit Leichtigkeit durch alle anderen Instrumente fräste. Von Zeit zu Zeit fegte die Truppe auch mit Blastbeats durch den Saal und regte ein paar Fans zum Headbangen an. Insgesamt hätten die Arrangements ein wenig Abwechslung und die Show mehr Action vertragen können, doch zum Aufwärmen der Nackenmuskeln stimmten THAW gut auf den Headliner ein.
Fragwürdiges Duo
Die zweite Gruppe BÖLZER erhält in diesem Artikel keine Würdigung in Form eines Konzertreviews. Frontmann Okoi Jones schmückte sich nämlich auf seinem linken Arm mit zahlreichen Hakenkreuz-Tattoos in verschiedenen Varianten. Der rechte Unterarm zeigte eine Wolfsangel, genau wie das Bandlogo. Einem Interview auf Stereogum zufolge betrachte Jones die Swastika lediglich als Symbol für die Sonne, die er verehre. Klar: Ein Black-Metaller, der der Sonne huldigt ist ähnlich einleuchtend wie ein Veganer, der Fleisch ist. Hätte seine Logik – nämlich die, Symbole in ihrer ursprünglichen Bedeutung zu verwenden – irgendeine Stringenz, dann müsse er sich Jesus Christus gegenüber als zutiefst unwürdig empfinden. Schließlich trägt Jones auch das Petruskreuz auf dem rechten Oberarm. Doch auch das will nicht recht in die sonst antichristliche, nihilistische Ideologie des Schwarzmetalls passen.
So wirken die Erklärungsversuche des Okoi Jones, der übrigens das Alias „KzR“ trägt, wie billige Ausreden. Ausreden, die man von reichlich Nazis längst kennt. Und so war es auch nicht verwunderlich, in der ersten Reihe des Konzerts gleich drei Burzum-Fans abgehen zu sehen. Als aufgeklärter Mensch sollte man sich der Wirkung des Hakenkreuzes in der westlichen Welt als Symbol für den industrialisierten Mord bewusst sein. Alles andere ist Geschichtsrevisionismus. Warum BÖLZER überhaupt mit BEHEMOTH die Bühne teilten, ist unklar. Letztere sprachen sich stets strikt gegen NSBM (National Socialist Black Metal) aus. Und das tun auch die echten Metalfans: Nazi Punks Fuck Off!
Der satanische Feuersturm
Im Hintergrund thronte auf einem meterhohen Podest bereits das majestätische Schlagzeug von BEHEMOTH, verdeckt mit einem schwarzen Tuch. Wie ein Halbgott erklomm Drummer Inferno den Olymp seines Schlagwerks und machte sich bereit, das Publikum mit seinem Feuersturm zu verglühen. Frontmann Nergal betrat nun endlich die Bühne und kreuzte zwei Fackeln über seinem Kopf, während ein kryptisches Intro ertönte. Die Kostüme, Corpsepaints sowie handgeschmiedeten Mikrofonständer rundeten das dämonische Bühnenbild ab. So muss die Pforte der Hölle aussehen. BEHEMOTH spielten zur Begrüßung „Blow Your Trumpets Gabriel“, der auch das aktuelle Album „The Satanist“ eröffnet. Die Platte zeichnet sich dadurch aus, dass schnelle Parts dosierter eingesetzt werden. Dafür entsteht eine mehrdimensionale Atmosphäre, die ihresgleichen sucht. Vor allem Live funktionierten Songs wie „Messe Noire“ oder „Ben Sahar“ daher so fantastisch. Doch auch ältere Tracks wie „Christians To The Lions“, „Slaves Shall Serve“, „Conquer All“ oder „At The Left Hand Ov God“ haben nach all den Jahren nichts von ihrer Wucht eingebüßt. Der Sound des weißen Pearl-Schlagzeugs war unglaublich definiert und machte es leicht, den komplexen Strukturen zu folgen. Auch das beeindruckende Teamplay zwischen Seth, Orion und Nergal ist ein Highlight für sich.
Immer wieder stiegen die Saitensäger auf die Podeste und starrten einzelnen Fans gezielt in die Seele. Wer einmal im Wege eines solchen Blickes von Nergal stand, vergisst diesen Moment nie wieder. Man fühlt sich ihm nahe, aber auch in jeder Hinsicht unterlegen. Man möchte niederknien und ihn als Herrscher akzeptieren. So stark wirkt BEHEMOTHs Frontmann auf der Bühne. Doch die Botschaft der Band ist eine andere: Was zählt, ist die Macht des Individuums. Und diese Macht kann man bei jeder BEHEMOTH-Show aufsaugen. Die Musik dringt so intensiv in den Körper ein, dass man sich zu Übermenschlichem berufen fühlt. Die Band schloss ihr großartiges Konzert mit dem schwermütigen „O Father, O Satan, O Sun“ ab, dessen letztes Riff solch großes Gewicht birgt, dass man Atemnot bekommt. Noch immer hängt der Geruch von Weihrauch, den Nergal zwischen zwei Songs verteilte, bleiern in der Luft. Hinzu kamen die mysteriösen, gehörnten Masken, die nur im Gegenlicht zu sehen waren. Wie ein teuflisches Gericht stand die Band regungslos auf den Podesten neben dem Schlagzeug und spielte dieses bedrohliche Riff. Bis zur letzten Note. Bis das Licht ausging.
Schade nur, dass es menschenunmöglich ist, eine so extreme Show länger als 90 Minuten durchzuhalten. Die Band geht mit jedem Gig an ihre körperlichen Grenzen und trägt die komplexen Stücke in Perfektion und mit Leidenschaft vor. BEHEMOTH kann man sich nicht oft genug live geben. Erst recht nicht in einer so tollen Location.