Die musikalische Seite der Revolte!
Paris: Über Genossen von der anarchistischen Föderation Frankreichs lernte ich Leute vom Collectif Contre-Culture (CCC) kennen, einem Konzert-Kollektiv in Paris. Die Gruppe organisiert seit über zwei Jahrzehnten regelmäßig Solikonzerte – zuletzt auch für den A(narchistischen) Laden Berlin.
Dabei beschränkt sich das Kollektiv nicht nur darauf, die Einnahmen des jeweiligen Abends zu spenden, sondern bietet auch eine Plattform, um das jeweilige Projekt vorzustellen. Im Regelfall informiert das unterstützte Projekt vor dem Konzert mit einer Filmvorführung oder einem Vortrag mit Diskussion über die eigene Arbeit.
Für das Catering arbeitet das CCC mit einer anarchistischen Bäckereikooperative zusammen - „La Conquête du Pain“ (Die Eroberung des Brotes; Anspielung auf ein Werk des russischen Anarchisten Kropotkin). Es spielen jeweils zwei bis drei Bands, und der Eintritt für die Soliveranstaltungen beträgt 5 Euro, was für Pariser Verhältnisse ein sehr geringer Eintrittspreis ist.
Grund genug, ein Interview mit den Mitgliedern des Kollektivs zu führen und sie auch in Deutschland etwas bekannter zu machen.
W: Wie sucht ihr die Projekte aus, die ihr mit euren Veranstaltungen unterstützt? Besteht die Möglichkeit, euch um Unterstützung zu bitten?
CCC: Am Anfang haben sich die Mitglieder vom CCC lediglich zusammengefunden, um leichter Soli-Abende für ihre jeweiligen Gruppen zu organisieren. Nach und nach hat sich die Gruppe auch anderen Projekten geöffnet, in denen Leute von uns aktiv sind oder die uns interessieren. Inzwischen erhalten wir auch einige Anfragen von außen, von Leuten, die wir vorher nicht kannten. Und das ist auch ein Grund, warum die Themen so variieren – das ist eine gute Sache. Wir entscheiden im Plenum über die Anfragen, wo jedes Projekt mit einem Präsentanten vertreten sein muss.
W: Ihr habt Konzerte für den A-Laden in Berlin, die DIY-Bewegung in Rumänien und für zapatistisches Projekt organisiert. Welchen Stellenwert hat für euch die Unterstützung internationaler Projekte?
CCC: Das CCC entstand Mitte der 90er am Centre International Culture Populaire (CICP), einem Haus für Vereine der internationalen Solidarität. Aber der Einbezug von internationalen Projekten hat gleichermaßen damit zu tun, dass jeder von uns auch in diversen Aktivitäten - sei es auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene - involviert ist. Die Verschiedenheit unser Soliveranstaltungen und ihre geographische Ausbreitung sind daher logisch, und generell ist es unser Interesse, Projekte an anderen Orten und am anderen Ende der Welt zu unterstützen. Du hast bereits einige davon erwähnt, aber man kann noch viele ergänzen, wie das selbstverwaltete Zentrum Zorro in Leipzig, die Kooperative Al Sanabel in Palästina, deutsche, italienische, amerikanische Gefangene, ein selbstverwalteter Ort in England, die Opfer von Repression in Mexiko und Chile...
W: Beim CICP handelt es sich um ein soziales Zentrum. Könnt ihr ein bisschen das Konzept erläutern?
CCC: Das CICP ist ein Haus der internationalen Solidarität, das seit 1976 existiert. Es war zur Zeit seiner Gründung eine Art „antiimperalitischer Pol“ in Paris. Die ersten Solikonzerte wurden etwa 1987 auf Initiative der antifaschistischen Gruppe SCALP organisiert. Nach dem Umzug an einen neuen Ort wurde das auf der Basis verschiedener Kollektive und Gruppen fortgesetzt.
W: Normalerweise organisieren Gruppen wie das CCC ihre Konzerte in besetzten Häusern. Warum macht ihr das nicht?
CCC: Die Leute vom CCC organisieren auch Veranstaltungen in besetzten Häusern oder einfach normalen Bars. Das CICP ist dabei einfach ein weiterer Ort. Es ist richtig, dass das CICP ein „legales“ Haus ist - auch wenn es unabhängig ist und nicht vom Staat oder der Stadt Paris finanziell unterstützt wird. Aber jeder Ort von Aktivismus ist interessant. Denn wenn die Repression die Radikalsten trifft, können die anderen Orte zum Ausweichen genutzt werden oder solidarisch intervenieren. Daher ist das CICP genauso zu schützen wie ein „illegales“ besetztes Haus.
W: Ist das CCC auch eine Art Treffpunkt für die Aktivisten der DIY-Szene?
CCC: Man kann sicher sagen, dass das CCC ein Teil der DIY-Szene, aber auch im militanten und aktiven Milieu beheimatet ist. Es gibt auch Mitglieder im Kollektiv, die in Bands spielen – das ist besonders praktisch...
W: Wie wählt ihr die Gruppen für die Konzerte aus? Gibt es die Möglichkeit für Gruppen aus Deutschland, sich zu bewerben? Sucht ihr nur Bands aus dem Genre Punk und Ska oder auch andere Musikrichtungen?
CCC: Die Gruppen, die bei uns spielen, werden genauso wie die unterstützten Projekte von uns gemeinsam ausgewählt. Manchmal sind es Gruppen, die gerade auf Europa-Tour sind. Aus Deutschland haben bei uns u.a. schon KOYAANISQUATSI und die STAGE BOTTLES gespielt. Wir hatten schon Bands aus Polen, Italien, Spanien, England, Tschechien, Ungarn, Russland, Nepal, Slowenien, Japan, Süd- und Nordamerika...
Wir beschränken uns nicht auf Ska- und Punkbands, auch wenn diese am häufigsten bei uns auftreten. Wir versuchen, eine Mischung der Musik hinzubekommen, und sind interessiert, ein Maximum an Leuten für die Unterstützung dieses oder jenen Projektes zu ziehen. Es kann sich um Chansons, Techno, HipHop, Hardcore, Rock'n'Roll, Garage, Fanfaren, Gassenhauer oder andere Sachen wie Folk oder Gypsymusik handeln - der Stil der Musik ist für uns nicht das primäre Auswahlkriterium. Unsere Geschmäcker sind sehr vielfältig.
W: Ich weiß, dass viele eurer Mitglieder Anarchisten sind. Gibt es einen anarchistischen Konsens in der Gruppe?
CCC: In der Tat sind viele Mitglieder in unserem Kollektiv anarchistisch oder libertär sensibilisiert, aber das ist nicht einheitlich, es gibt auch Leute, die keine direkten Aktivisten sind. Es gab auch mal eine Zeit, wo ein Teil des Kollektivs sehr stark in Richtung Redskin orientiert war. Unser Konsens lässt sich nicht auf anarchistische Ideen reduzieren. Vielmehr ist es eine Art der Selbstverwaltung aus dem Schoße des Kollektivs, die sich aus Ideen, Vorschlägen und Wünsche der einen und der anderen speist.
W: Das CCC ist ein selbstverwaltetes Projekt. Könnt ihr ein bisschen erzählen, wie ihr die kollektive Arbeit organisiert und welche Erfahrungen ihr mit einer solchen Struktur gemacht habt?
CCC: Wir haben etwa ein Treffen pro Monat, um die Programmplanung mit den Gruppen zu machen, über die Auswahl der Themen und die praktische Organisation der kommenden Veranstaltung. Am Tag selber muss alles im Saal aufgebaut werden - vom Beamer und/oder der Ausstellung über die Tonanlage bis zur Cafeteria, die Sandwiches müssen vorbereitet werden genauso wie das anschließende Essen mit den Bands, dem Kollektiv und der unterstützten Gruppen und letztendlich natürlich das Aufräumen und Reinigung der Location. Nicht zu vergessen ist auch die Frage der Straße und der Sicherheitsprobleme, die manchmal vorkommen können - oder das Auftauchen der Polizei, obwohl diese die Räume nicht betreten darf, da es sich um Privatgelände handelt. Die Erfahrung wird bereichert dadurch, dass wir sehr unterschiedliche Personen sind. Wir stoßen natürlich auch auf Probleme, versuchen diese aber bestmöglich zu regeln. Die Fehler machen letztendlich auch einen Teil der Selbstverwaltung aus.
Paris: Über Genossen von der anarchistischen Föderation Frankreichs lernte ich Leute vom Collectif Contre-Culture (CCC) kennen, einem Konzert-Kollektiv in Paris. Die Gruppe organisiert seit über zwei Jahrzehnten regelmäßig Solikonzerte – zuletzt auch für den A(narchistischen) Laden Berlin.
Dabei beschränkt sich das Kollektiv nicht nur darauf, die Einnahmen des jeweiligen Abends zu spenden, sondern bietet auch eine Plattform, um das jeweilige Projekt vorzustellen. Im Regelfall informiert das unterstützte Projekt vor dem Konzert mit einer Filmvorführung oder einem Vortrag mit Diskussion über die eigene Arbeit.
Für das Catering arbeitet das CCC mit einer anarchistischen Bäckereikooperative zusammen - „La Conquête du Pain“ (Die Eroberung des Brotes; Anspielung auf ein Werk des russischen Anarchisten Kropotkin). Es spielen jeweils zwei bis drei Bands, und der Eintritt für die Soliveranstaltungen beträgt 5 Euro, was für Pariser Verhältnisse ein sehr geringer Eintrittspreis ist.
Grund genug, ein Interview mit den Mitgliedern des Kollektivs zu führen und sie auch in Deutschland etwas bekannter zu machen.
W: Wie sucht ihr die Projekte aus, die ihr mit euren Veranstaltungen unterstützt? Besteht die Möglichkeit, euch um Unterstützung zu bitten?
CCC: Am Anfang haben sich die Mitglieder vom CCC lediglich zusammengefunden, um leichter Soli-Abende für ihre jeweiligen Gruppen zu organisieren. Nach und nach hat sich die Gruppe auch anderen Projekten geöffnet, in denen Leute von uns aktiv sind oder die uns interessieren. Inzwischen erhalten wir auch einige Anfragen von außen, von Leuten, die wir vorher nicht kannten. Und das ist auch ein Grund, warum die Themen so variieren – das ist eine gute Sache. Wir entscheiden im Plenum über die Anfragen, wo jedes Projekt mit einem Präsentanten vertreten sein muss.
W: Ihr habt Konzerte für den A-Laden in Berlin, die DIY-Bewegung in Rumänien und für zapatistisches Projekt organisiert. Welchen Stellenwert hat für euch die Unterstützung internationaler Projekte?
CCC: Das CCC entstand Mitte der 90er am Centre International Culture Populaire (CICP), einem Haus für Vereine der internationalen Solidarität. Aber der Einbezug von internationalen Projekten hat gleichermaßen damit zu tun, dass jeder von uns auch in diversen Aktivitäten - sei es auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene - involviert ist. Die Verschiedenheit unser Soliveranstaltungen und ihre geographische Ausbreitung sind daher logisch, und generell ist es unser Interesse, Projekte an anderen Orten und am anderen Ende der Welt zu unterstützen. Du hast bereits einige davon erwähnt, aber man kann noch viele ergänzen, wie das selbstverwaltete Zentrum Zorro in Leipzig, die Kooperative Al Sanabel in Palästina, deutsche, italienische, amerikanische Gefangene, ein selbstverwalteter Ort in England, die Opfer von Repression in Mexiko und Chile...
W: Beim CICP handelt es sich um ein soziales Zentrum. Könnt ihr ein bisschen das Konzept erläutern?
CCC: Das CICP ist ein Haus der internationalen Solidarität, das seit 1976 existiert. Es war zur Zeit seiner Gründung eine Art „antiimperalitischer Pol“ in Paris. Die ersten Solikonzerte wurden etwa 1987 auf Initiative der antifaschistischen Gruppe SCALP organisiert. Nach dem Umzug an einen neuen Ort wurde das auf der Basis verschiedener Kollektive und Gruppen fortgesetzt.
W: Normalerweise organisieren Gruppen wie das CCC ihre Konzerte in besetzten Häusern. Warum macht ihr das nicht?
CCC: Die Leute vom CCC organisieren auch Veranstaltungen in besetzten Häusern oder einfach normalen Bars. Das CICP ist dabei einfach ein weiterer Ort. Es ist richtig, dass das CICP ein „legales“ Haus ist - auch wenn es unabhängig ist und nicht vom Staat oder der Stadt Paris finanziell unterstützt wird. Aber jeder Ort von Aktivismus ist interessant. Denn wenn die Repression die Radikalsten trifft, können die anderen Orte zum Ausweichen genutzt werden oder solidarisch intervenieren. Daher ist das CICP genauso zu schützen wie ein „illegales“ besetztes Haus.
W: Ist das CCC auch eine Art Treffpunkt für die Aktivisten der DIY-Szene?
CCC: Man kann sicher sagen, dass das CCC ein Teil der DIY-Szene, aber auch im militanten und aktiven Milieu beheimatet ist. Es gibt auch Mitglieder im Kollektiv, die in Bands spielen – das ist besonders praktisch...
W: Wie wählt ihr die Gruppen für die Konzerte aus? Gibt es die Möglichkeit für Gruppen aus Deutschland, sich zu bewerben? Sucht ihr nur Bands aus dem Genre Punk und Ska oder auch andere Musikrichtungen?
CCC: Die Gruppen, die bei uns spielen, werden genauso wie die unterstützten Projekte von uns gemeinsam ausgewählt. Manchmal sind es Gruppen, die gerade auf Europa-Tour sind. Aus Deutschland haben bei uns u.a. schon KOYAANISQUATSI und die STAGE BOTTLES gespielt. Wir hatten schon Bands aus Polen, Italien, Spanien, England, Tschechien, Ungarn, Russland, Nepal, Slowenien, Japan, Süd- und Nordamerika...
Wir beschränken uns nicht auf Ska- und Punkbands, auch wenn diese am häufigsten bei uns auftreten. Wir versuchen, eine Mischung der Musik hinzubekommen, und sind interessiert, ein Maximum an Leuten für die Unterstützung dieses oder jenen Projektes zu ziehen. Es kann sich um Chansons, Techno, HipHop, Hardcore, Rock'n'Roll, Garage, Fanfaren, Gassenhauer oder andere Sachen wie Folk oder Gypsymusik handeln - der Stil der Musik ist für uns nicht das primäre Auswahlkriterium. Unsere Geschmäcker sind sehr vielfältig.
W: Ich weiß, dass viele eurer Mitglieder Anarchisten sind. Gibt es einen anarchistischen Konsens in der Gruppe?
CCC: In der Tat sind viele Mitglieder in unserem Kollektiv anarchistisch oder libertär sensibilisiert, aber das ist nicht einheitlich, es gibt auch Leute, die keine direkten Aktivisten sind. Es gab auch mal eine Zeit, wo ein Teil des Kollektivs sehr stark in Richtung Redskin orientiert war. Unser Konsens lässt sich nicht auf anarchistische Ideen reduzieren. Vielmehr ist es eine Art der Selbstverwaltung aus dem Schoße des Kollektivs, die sich aus Ideen, Vorschlägen und Wünsche der einen und der anderen speist.
W: Das CCC ist ein selbstverwaltetes Projekt. Könnt ihr ein bisschen erzählen, wie ihr die kollektive Arbeit organisiert und welche Erfahrungen ihr mit einer solchen Struktur gemacht habt?
CCC: Wir haben etwa ein Treffen pro Monat, um die Programmplanung mit den Gruppen zu machen, über die Auswahl der Themen und die praktische Organisation der kommenden Veranstaltung. Am Tag selber muss alles im Saal aufgebaut werden - vom Beamer und/oder der Ausstellung über die Tonanlage bis zur Cafeteria, die Sandwiches müssen vorbereitet werden genauso wie das anschließende Essen mit den Bands, dem Kollektiv und der unterstützten Gruppen und letztendlich natürlich das Aufräumen und Reinigung der Location. Nicht zu vergessen ist auch die Frage der Straße und der Sicherheitsprobleme, die manchmal vorkommen können - oder das Auftauchen der Polizei, obwohl diese die Räume nicht betreten darf, da es sich um Privatgelände handelt. Die Erfahrung wird bereichert dadurch, dass wir sehr unterschiedliche Personen sind. Wir stoßen natürlich auch auf Probleme, versuchen diese aber bestmöglich zu regeln. Die Fehler machen letztendlich auch einen Teil der Selbstverwaltung aus.