Versehentliche Absicht und geplanter Zufall
Christof Kather, Schlagzeuger, Texter und allgemeines Renaissance-Genie hinter JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE, nahm sich viel Zeit, um mit uns über manch Relevantes und viel Irrelevantes zu sprechen. Obwohl: „Sprechen“ trifft es nicht ganz, denn das Interview fand nicht persönlich statt. Auch nicht am Telefon. Stattdessen gab es ein tagelanges, altmodisches E-Mail-Tennis, bei dem die Erkenntnisse des Vortages am Folgetag zu neuen Fragen führten. So verriet Christof uns etwa, warum „The Golden Anthropocene“ für ihn das erste undoofe Album der Band ist und was den Style von JAKA im Kern ausmacht.
Gute Nachrichten kommen ebenso wenig ohne schlechte Nachrichten aus wie Yin ohne Yang, Dick ohne Doof oder Schweinebraten ohne Arteriosklerose. So bringt auch das glänzende Avers des aktuellen Albums „The Golden Anthropocene“ eine Schattenseite mit: Bony ist raus. Nach 13 Jahren Dienst an der Waffe hat er JAKA verlassen. Allerdings haben sich die Mitglieder „nicht zerstritten, wie es sich eigentlich gehört bei sowas“, meint Christof. „Er hatte einfach keine Zeit mehr. Allein ein neues Live-Set einzuüben war ihm zu viel.“ Dennoch bleibt Bony der Band zumindest als Booker erhalten, auch auf gelegentliche Gastauftritte dürfen die Fans hoffen. Martin, der bisher live grunzte, übernimmt nun die hohen Vocals. Die tiefen Töne überlässt er Christian Markwald (Ex- PHOBIATIC und DIAROE), der schon bei „Deutschland von vorne II“ sein Gegurgel präsentierte und so bestens ins JAKAversum passt.
Nach 18 Jahren, sechs Alben und vielen kleineren Releases ist „The Golden Anthropocene“ die erste JAKA-Platte mit englischem Titel. „Das Album spielt in der Welt von heute, und die ist globalisiert. Deswegen fand ich Englisch irgendwie passend“, erklärt Christof. Der deutsche Begriff Anthropozän steht für eine neue Epoche der Erdentwicklung, unter der Wissenschaftler den massiven Einfluss des Menschen auf unseren blauen Planeten zusammenfassen möchten – dass die Auswirkungen unserer Spezies in Christofs Augen nicht besonders positiv sind, wird schon beim zweiten Track „Weiss“ deutlich. Er rechnet gnadenlos mit der Heuchelei der Welt ab. „Spontaneität auf Knopfdruck“ ist ein weiterer Name, den die Band auf der Liste hatte, „aber das ist ja eher unsere Arbeitsweise und kein Albumtitel“, schreibt Christof.
Anders als bei den Vorgängern sind JAKA für „The Golden Anthropocene“ erstmals in ein richtiges Studio gegangen, statt in Kellern oder Wohnstuben aufzunehmen. Trotz Vorproduktion und ausgefeilter Planung kamen aber selbst während des Recordings im CKB in Essen noch Improvisation und Zufall zum Einsatz. „Gerade bei der Arbeitsweise des Geschehen-Lassens muss man sehr konzentriert sein“, beschreibt Christof den Produktionsprozess. Allerdings glaubt er, dass er vielen auf die Nerven gehe, da es ihm nie schnell genug gehen könne. „Ein Gären-Lassen ist ja auch wichtig. Dazu müssen mich aber äußere Umstände zwingen“, fügt er hinzu. Zwar wurden Drums, Saiten und Vocals im Studio eingefangen, doch gemixt wurde die Platte dann auf einer bewohnten Müllhalde. „Carsten Benninghoff ist der Mann der Wahl, um einen aufgeräumten Sound zu produzieren“, erklärt Christof.
Durch die Mischung aus schrägen Samples wie in „Mitmachdiktatur“, bombastischen Werken wie „Tag 1 nach den Menschen“ und kurzen Tracks wie einst beim Album „Luxusvernichtung“ bekommen JAKA-Platten einen chaotischen Collagencharakter. Aber „Collage heißt ja nicht Zufalls-Collage“, betont Christof. So habe er während der Produktion „mindestens 20 verschiedene Zusammenstellungen für eine Playlist“ ausprobiert. Den Markenkern der Band haut Christof in einer filmreifen Punchline raus:
„Absicht zu kaschieren und Zufall geplant wirken zu lassen – das macht den JAKA-Style aus.“
Spannend an JAKA ist auch, dass ihre Tracks oft Bezug auf aktuelle Themen nehmen. „Ein weiterer Grund dafür, schnell fertig zu werden“, schreibt Christof. So beginnt „Planeten planieren“ mit einem witzigen Sample zur VW-Abgasaffäre. In „Folter und gezieltes Töten“ hinterlässt die Zeile „Folter und gezieltes Töten können durchaus hilfreich sein im Kampf gegen Unrechtsregime. Und Karikaturen des Propheten helfen sicher super bei der Integration humorloser Muslime“ einen bleibenden Eindruck. Mit solcher Direktheit macht man sich nicht unbedingt Freunde. „Bei dieser Platte habe ich zwei Texte weggelassen, die mir dann doch zu oberlehrerhaft oder zu gefährlich waren angesichts der aktuellen politischen Lage und dem, was manche aus ihr machen“, erzählt Christof. Dennoch sieht er alle JAKA-Stücke als einfache Zustandsbeschreibungen. Es gehe ihm nicht darum, jemanden von irgendetwas zu überzeugen.
Lyrics und Artwork gehen bei JAKA ebenfalls Hand in Hand. So zeigt das Cover von „The Golden Anthropocene“ in der unteren Hälfte einen Businesskasper am PC – allerdings zu Zeiten, als es die Illusion der unfehlbaren, allheilbringenden Computertechnik noch gab. Die obere Hälfte karikiert diese veraltete Vorstellung, denn hier ist eine explizite Pornoszene zu sehen, wenngleich die Scham verpixelt wurde – also Gesichter und Genitalien. Auf die Frage, wo der inhaltliche Bezug des Covers zu den Songs ist, eJAKAliert Christof eine treffende Antwort: „Rücksichtsloses Wichsen auf Pixel, hohler Fun anstelle echter Freude, das Ganze auf Kosten anderer – ist doch irgendwie auch voll anthro.“ Stimmt, so etwas gibt es nur bei uns Menschen. Welch goldene Zeiten.
Etwas, das viele Künstler plagt, ist die eigene Kunst selbst. Ein Maler kennt jeden seiner Pinselstriche, ein Schriftsteller jede Seite seines Buches und ein Musiker jede Nuance seiner Lieder – und damit auch jeden vermeintlichen Fehler, den der Kunstkonsument gar nicht wahrnimmt. So geht es auch Christof. „Normalerweise finde ich JAKA-Alben immer doof, sobald sie fertig sind“, schreibt er. Das liege auch daran, dass er die Platten während der Produktion unzählige Male höre. Bei „The Golden Anthropocene“ empfindet Christof jedoch anders: „Eigentlich gefällt mir die ganze Platte. Die Vocals klingen angenehmer als sonst, der Sound ist sehr organisch geworden. Nicht so kalt und steril wie es sich eigentlich gehört für modernen Death Metal.“
Wie geht es weiter bei JAKA und dem Label unundeux? „Ziele habe ich überhaupt keine“, schreibt Christof, dennoch rotiert er scheinbar unermüdlich wie ein Perpetuum Mobile. Für Anfang 2017 ist schon eine Split mit YACÖPSAE in Planung. „Vielleicht nehmen wir dafür noch einen Klassiker neu auf“, verrät er in Bezug auf den Track „Aus dem Mark der Nebenniere“, den JAKA für das aktuelle Album ebenfalls frisch eingespielt haben. „Klar, ich könnte auch Ego-Shooter zocken oder Fernsehen oder bei Facebook die Zeit totschlagen. Ich persönlich würde mich dann aber total leer fühlen“, beschreibt er die Gründe für seinen musikalischen Antrieb. „Das Machen ist das Interessante. Das Zurückliegende ebenso uninteressant wie das noch nicht Geschehene.“
Die wichtigste Frage beantwortet Christof aber zum Schluss: Wer hat das E-Mail-Tennis denn nun gewonnen? „Beide natürlich." Würde dieser ehrenwerte Gedanke auch im olympischen Sport gelebt werden, bräuchte es keine gedopten Sklaven mehr.
pd
Christof Kather, Schlagzeuger, Texter und allgemeines Renaissance-Genie hinter JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE, nahm sich viel Zeit, um mit uns über manch Relevantes und viel Irrelevantes zu sprechen. Obwohl: „Sprechen“ trifft es nicht ganz, denn das Interview fand nicht persönlich statt. Auch nicht am Telefon. Stattdessen gab es ein tagelanges, altmodisches E-Mail-Tennis, bei dem die Erkenntnisse des Vortages am Folgetag zu neuen Fragen führten. So verriet Christof uns etwa, warum „The Golden Anthropocene“ für ihn das erste undoofe Album der Band ist und was den Style von JAKA im Kern ausmacht.
Gute Nachrichten kommen ebenso wenig ohne schlechte Nachrichten aus wie Yin ohne Yang, Dick ohne Doof oder Schweinebraten ohne Arteriosklerose. So bringt auch das glänzende Avers des aktuellen Albums „The Golden Anthropocene“ eine Schattenseite mit: Bony ist raus. Nach 13 Jahren Dienst an der Waffe hat er JAKA verlassen. Allerdings haben sich die Mitglieder „nicht zerstritten, wie es sich eigentlich gehört bei sowas“, meint Christof. „Er hatte einfach keine Zeit mehr. Allein ein neues Live-Set einzuüben war ihm zu viel.“ Dennoch bleibt Bony der Band zumindest als Booker erhalten, auch auf gelegentliche Gastauftritte dürfen die Fans hoffen. Martin, der bisher live grunzte, übernimmt nun die hohen Vocals. Die tiefen Töne überlässt er Christian Markwald (Ex- PHOBIATIC und DIAROE), der schon bei „Deutschland von vorne II“ sein Gegurgel präsentierte und so bestens ins JAKAversum passt.
Nach 18 Jahren, sechs Alben und vielen kleineren Releases ist „The Golden Anthropocene“ die erste JAKA-Platte mit englischem Titel. „Das Album spielt in der Welt von heute, und die ist globalisiert. Deswegen fand ich Englisch irgendwie passend“, erklärt Christof. Der deutsche Begriff Anthropozän steht für eine neue Epoche der Erdentwicklung, unter der Wissenschaftler den massiven Einfluss des Menschen auf unseren blauen Planeten zusammenfassen möchten – dass die Auswirkungen unserer Spezies in Christofs Augen nicht besonders positiv sind, wird schon beim zweiten Track „Weiss“ deutlich. Er rechnet gnadenlos mit der Heuchelei der Welt ab. „Spontaneität auf Knopfdruck“ ist ein weiterer Name, den die Band auf der Liste hatte, „aber das ist ja eher unsere Arbeitsweise und kein Albumtitel“, schreibt Christof.
Anders als bei den Vorgängern sind JAKA für „The Golden Anthropocene“ erstmals in ein richtiges Studio gegangen, statt in Kellern oder Wohnstuben aufzunehmen. Trotz Vorproduktion und ausgefeilter Planung kamen aber selbst während des Recordings im CKB in Essen noch Improvisation und Zufall zum Einsatz. „Gerade bei der Arbeitsweise des Geschehen-Lassens muss man sehr konzentriert sein“, beschreibt Christof den Produktionsprozess. Allerdings glaubt er, dass er vielen auf die Nerven gehe, da es ihm nie schnell genug gehen könne. „Ein Gären-Lassen ist ja auch wichtig. Dazu müssen mich aber äußere Umstände zwingen“, fügt er hinzu. Zwar wurden Drums, Saiten und Vocals im Studio eingefangen, doch gemixt wurde die Platte dann auf einer bewohnten Müllhalde. „Carsten Benninghoff ist der Mann der Wahl, um einen aufgeräumten Sound zu produzieren“, erklärt Christof.
Durch die Mischung aus schrägen Samples wie in „Mitmachdiktatur“, bombastischen Werken wie „Tag 1 nach den Menschen“ und kurzen Tracks wie einst beim Album „Luxusvernichtung“ bekommen JAKA-Platten einen chaotischen Collagencharakter. Aber „Collage heißt ja nicht Zufalls-Collage“, betont Christof. So habe er während der Produktion „mindestens 20 verschiedene Zusammenstellungen für eine Playlist“ ausprobiert. Den Markenkern der Band haut Christof in einer filmreifen Punchline raus:
„Absicht zu kaschieren und Zufall geplant wirken zu lassen – das macht den JAKA-Style aus.“
Spannend an JAKA ist auch, dass ihre Tracks oft Bezug auf aktuelle Themen nehmen. „Ein weiterer Grund dafür, schnell fertig zu werden“, schreibt Christof. So beginnt „Planeten planieren“ mit einem witzigen Sample zur VW-Abgasaffäre. In „Folter und gezieltes Töten“ hinterlässt die Zeile „Folter und gezieltes Töten können durchaus hilfreich sein im Kampf gegen Unrechtsregime. Und Karikaturen des Propheten helfen sicher super bei der Integration humorloser Muslime“ einen bleibenden Eindruck. Mit solcher Direktheit macht man sich nicht unbedingt Freunde. „Bei dieser Platte habe ich zwei Texte weggelassen, die mir dann doch zu oberlehrerhaft oder zu gefährlich waren angesichts der aktuellen politischen Lage und dem, was manche aus ihr machen“, erzählt Christof. Dennoch sieht er alle JAKA-Stücke als einfache Zustandsbeschreibungen. Es gehe ihm nicht darum, jemanden von irgendetwas zu überzeugen.
Lyrics und Artwork gehen bei JAKA ebenfalls Hand in Hand. So zeigt das Cover von „The Golden Anthropocene“ in der unteren Hälfte einen Businesskasper am PC – allerdings zu Zeiten, als es die Illusion der unfehlbaren, allheilbringenden Computertechnik noch gab. Die obere Hälfte karikiert diese veraltete Vorstellung, denn hier ist eine explizite Pornoszene zu sehen, wenngleich die Scham verpixelt wurde – also Gesichter und Genitalien. Auf die Frage, wo der inhaltliche Bezug des Covers zu den Songs ist, eJAKAliert Christof eine treffende Antwort: „Rücksichtsloses Wichsen auf Pixel, hohler Fun anstelle echter Freude, das Ganze auf Kosten anderer – ist doch irgendwie auch voll anthro.“ Stimmt, so etwas gibt es nur bei uns Menschen. Welch goldene Zeiten.
Etwas, das viele Künstler plagt, ist die eigene Kunst selbst. Ein Maler kennt jeden seiner Pinselstriche, ein Schriftsteller jede Seite seines Buches und ein Musiker jede Nuance seiner Lieder – und damit auch jeden vermeintlichen Fehler, den der Kunstkonsument gar nicht wahrnimmt. So geht es auch Christof. „Normalerweise finde ich JAKA-Alben immer doof, sobald sie fertig sind“, schreibt er. Das liege auch daran, dass er die Platten während der Produktion unzählige Male höre. Bei „The Golden Anthropocene“ empfindet Christof jedoch anders: „Eigentlich gefällt mir die ganze Platte. Die Vocals klingen angenehmer als sonst, der Sound ist sehr organisch geworden. Nicht so kalt und steril wie es sich eigentlich gehört für modernen Death Metal.“
Wie geht es weiter bei JAKA und dem Label unundeux? „Ziele habe ich überhaupt keine“, schreibt Christof, dennoch rotiert er scheinbar unermüdlich wie ein Perpetuum Mobile. Für Anfang 2017 ist schon eine Split mit YACÖPSAE in Planung. „Vielleicht nehmen wir dafür noch einen Klassiker neu auf“, verrät er in Bezug auf den Track „Aus dem Mark der Nebenniere“, den JAKA für das aktuelle Album ebenfalls frisch eingespielt haben. „Klar, ich könnte auch Ego-Shooter zocken oder Fernsehen oder bei Facebook die Zeit totschlagen. Ich persönlich würde mich dann aber total leer fühlen“, beschreibt er die Gründe für seinen musikalischen Antrieb. „Das Machen ist das Interessante. Das Zurückliegende ebenso uninteressant wie das noch nicht Geschehene.“
Die wichtigste Frage beantwortet Christof aber zum Schluss: Wer hat das E-Mail-Tennis denn nun gewonnen? „Beide natürlich." Würde dieser ehrenwerte Gedanke auch im olympischen Sport gelebt werden, bräuchte es keine gedopten Sklaven mehr.
pd