Neues von Musikerlegende Mark Stewart, der seine Karriere 1978 mit der Gründung der sowohl musikalisch wie politisch-kulturell bedeutenden Band THE POP GROUP begann und mit der nicht weniger bedeutenden Bandformation MARK STEWART AND THE MAFIA fortsetzte. Es ist sicher ein passender Zeitpunkt, dass jemand wie Stewart, der schon vor 30 Jahren dem Kapitalismus extrem kritisch gegenüber stand in Zeiten der Krise des globalen Finanz- und Weltwirtschaftssystems mit einem neuen Soloalbum von sich hören lässt. Und es ist
erstaunlich, wie relevant und unverbraucht MARK STEWART daherkommt.
Auf „The Politics Of Envy“ verewigt sich der Künstler außerordentlich experimentierfreudig, mixt Elektro-, Industrialsounds, Dub-, Rock-, Danceelemente und arbeitet dazu mit einem beeindruckenden Ensemble an Gastmusikern zusammen (unter anderem mit Lee „Scratch“ Perry, PRIMAL SCREAM, Richard Hell, Youth). Herausgekommen ist ein Album mit unterschiedlichsten musikalischen Stilmitteln und wechselnden Stimmungen, das dennoch erstaunlich „rund“ und keineswegs wie eine Zusammenstopplung von Singletracks wirkt.
Der Opener „Vanity Kills“ startet mit schrägem Hiphop-Beat, atonalen Elektrosounds, verfremdetem Sprechgesang und anklagendem Vocal-Chorus. Das folgende „Autonomia“ ist ein vor Energie berstender Elektro-Rock ’n’ Roll Kracher mit Gesangsduett von Stewart und Bobby Gillespie (PRIMAL SCREAM). Der Song handelt von Carlo Giuliani, der 2001 während der G8-Demonstrationen in Genua getötet wurde. Mit „Gangwar“ erklingt ein Elektro-Dub-Track, der vokalistisch durch Lee „Scratch“ Perry veredelt wird. Mit „Codex“ und „Want“ knallen einem zwei schwergewichtige Industrial-Tracks entgegen, von denen letzterer etwas an die NINE INCH NAILS erinnert. „Gustav Says“ kommt als poppiger Dancefloor-Brecher. „Baby Bourgeois“ ist ein etwas hinterhältiges Stück, ein Spottlied, das die Bourgeoise Gesellschaft verhöhnt und das dazu passend im extrem eingängig-schlichten Euro-Disco-Gewand daherkommt. Mit „Method To The Madness“, „Apocalypse Hotel“ und auch die düstere Version von DAVID BOWIEs „Letter To Hermione“ erklingen großstädtische Endzeitballaden, die mich an die avantgardistischen TUXEDOMOON erinnern. Besonders gilt das ausgerechnet für den Bowie-Song. Das durchweg großartige „Politics Of Envy“ endet schließlich stilvoll mit „Stereotype“, einer eleganten Elektropop-Perle mit klimpernden Gitarreneinsprengseln und den unterkühlten Vocals von Gina Birch. Fett!
TIPP: Interviewstory im WAHRSCHAUER #61!