9064030 Jahre Slime und Herr Sundermeier war dabei!

Berlin / 21.12.2010: Wir dokumentieren hier den Leserbrief von Sven/Disorder Rebel Store an die TAZ:


Herr Sundermeier!


Ist Ihnen das Hirn eingefroren?

Das ist mit Abstand der beschissenste Artikel den die TAZ seit langer Zeit zu verantworten hat. Über diesen Abend im SO36 hätte wirklich

viel geschrieben werden können. Allerdings ist das, was Sie zu Stande gebracht haben wirklich der schlechteste und dümmste Bericht über ein Punk-Konzert, den ich jemals gelesen habe!

Mit etwas mehr Hingabe hätten Sie über die durchaus interessante Bandgeschichte Slimes schreiben können, z.B. über die Kriminalisierung der Texte, Beschlagnahme ganzer Schallplattenauflagen, über die Zeit in der die wütenden und treffenden Texte der Band entstanden sind und dem ausgedrückten,
explodierenden Lebensgefühl, das Tausenden von jungen Leuten aus der Seele sprach. Über die Zeit der Hausbesetzungen, Anti-Nato Proteste, Anti AKW Bewegung und die Autonome Subkultur der 80er Jahre, in der die Band eine wichtige Rolle gespielt hat. Von mir aus auch über die erdrückende Enge der Spießergesellschaft in der BRD, die ausschlaggebend war für eine der wütendsten Jugendsubkulturen, über irgendetwas was Ihren Artikel lesenswert gemacht hätte. Aber Sie
schaffen es nicht einmal ein Wort darüber zu verlieren, dass die letzte Veröffentlichung der Band, eine Platte mit dem Titel "Schweineherbst" eine der besten musikalischen Antworten auf die Neo- Nazi Pogrome der frühen 90er Jahre war, in denen Flüchtlinge und MigrantInnen von stolzen Deutschen ermordet wurden und ein Beifall klatschender Mob sowie hetzende Springer-Artikel die rassistische
Stimmung im Land bis hin zur Grundgesetzänderung bestimmte.

Kein Wort von Ihnen zu all dem. Stattdessen aneinandergereihte Diskreditierungen, die von unverschämter Unwissenheit nur so strotzen. Vielleicht ist es aber auch nur Ihre Abrechnung mit einer
Subkultur, in der Sie nie mitspielen durften und von der Sie anscheinend nichts, aber auch gar nichts verstanden haben!

Anstatt einzelne Textpassagen aus dem Zusammenhang zu reißen und sie der geneigten TAZ Leserschaft vorzuführen, hätten Sie vom "Kriegsklotz" berichten können, der bis heute in Hamburgs Innenstadt steht und auf dem die heldenhafte Wehrmacht mit den Worten "Deutschland wird leben -   auch wenn wir sterben müssen" glorifiziert wird. Zur Kenntnisnahme: Der Text bezieht  sich sowohl
auf dieses faschistische Denkmahl, als auch auf Faschisten die bis in die 70er Jahre noch im deutschen Parlament saßen!

Ihr, in fast alles Zeilen schlechter  Artikel über das Konzert und das Publikum auseinander zunehmen ist mir zu mühsam. Nur so viel zu Ihrer verschobenen Wahrnehmung:

Auch wenn es nicht in ihr anscheinend verbohrtes Weltbild passt, sind Frauen sehr wohl von Anfang an aktiver Teil der Punk Szenegewesen und Frauen auf der Bühne sind einfach selbstverständlich. Im
Unterschied zu Ihnen haben wir da nie einen Unterschied festgestellt - Frauen oder Männer - wir sind einfach Punks. Fertig! Sie haben ja nicht mal bemerkt, dass die "neuen" MusikerInnen in der Band Leute sind, die ihrerseits vor mehr als 20 Jahren  Punkgeschichte geschrieben haben - mit den Mimmis aus Bremen, oder mit der wichtigen Punkband Hass aus Marl!

Peinlich, äußerst peinlich für einen Journalisten, der sich berufen fühlt über einen Abend zu schreiben, der für viele Menschen ein wichtiges Moment bedeutet hat. Den Todesfall Andreas Schwabes außer
Acht zu lassen und den bedeutenden Musiker TV Smith, der das Vorprogramm an Stelle der RAZORS gestaltet hat, nicht zu erwähnen, bestätigt meinen Verdacht, dass Sie schon vor dem Konzert wussten, welche Ausrichtung Ihr Artikel haben wird - oder auf den Punkt gebracht: Von Punk und Protestkultur haben Sie keinen Blassen Schimmer!

Im Publikum haben sie Arbeitslose ausgemacht! Na sowas! Haben Sie das an der Kleidung bemerkt? Oder verrät sich das Arbeitsscheue Pack durch diesen gewissen Blick? Respekt für Ihre Beobachtungsgabe! Vielleicht verraten Sie uns in Zukunft, wie man Leute erkennt, die keiner Lohnarbeit nachgehen, oder viel mehr was Sie mit dieser Zuschreibung überhaupt ausdrücken wollen.

Herr Sundermeier, ein weiterer total danebengegangener Seitenhieb ist ihnen gelungen, in dem Sie einen Bogen zu anderen Bands schlagen, mit dem Sie einmal mehr ihre beschämende Unwissenheit zur Show gestellt haben:

Sie  müssen  schon ein enorm eingeschränktes Wahrnehmungsvermögen haben, oder einfach nur total frustriert sein, um einer Band wie den TOTEN HOSEN politisches Desinteresse nachzusagen. Gerade die HOSEN haben immer wieder zu aktuellen Themen Stellung bezogen und sich zum Beispiel antifaschistischen Mobilisierungen gegenüber offen verhalten. Anscheinend finden solche Statements wohl nur sehr verzerrt  bis gar nicht den Weg in Ihr Hirn. Wie sollten Sie es sonst schaffen, die beherzten und ausführlichen Ansagen des SLIME Sängers Dirk dermaßen verbogen darzustellen und darüber hinaus noch die dumme Dreistigkeit zu besitzen, sich über den aktuellen Bezug zu aktuellen Themen lächerlich zu machen?

Kurz gesagt: Wäre Ihrem Konzertbesuch etwas Goodwill zu Grunde gelegen, dann hätten Sie nicht gründlich eine Chance verpatzt einen spannenden Artikel zu schreiben. Bezeichnenderweise haben Sie einen Song ganz bewusst überhört. Den hat die Band in der Mitte des wirklich grandiosen Konzertes gespielt. Der Titel des Evergreen heißt "linke Spießer" und den würde ich Ihnen hiermit gerne in voller Lautstärke um die Ohren knallen!

Sven Lass - Disorder Rebel Store.

der besagte Artikel ist hier nachzulesen:

http://www.taz.de/1/leben/musik/artikel/1/dagegen-sein-auch-wenns-doof-ist/