heino kollage cmyk„Das Aushängeschild der deutschen Hässlichkeit“

Mit diesem Satz hat sich Campino, Sänger der Vorzeige-Punks DIE TOTEN HOSEN, im SWR-UniTalk über den deutsch-konservativen National- und Heimatbarden Heino im Zuge von dessen neuer Veröffentlichung „Mit freundlichen Grüßen“ echauffiert. Doch was war geschehen?

Heino hatte Anfang des Jahres ein Album voller Coverversionen von Stücken aktueller deutscher Rock- und Pop-Hits herausgebracht und mit gigantischem medialen Aufwand beworben. Neben seiner Plattenfirma, die Bestandteil der Pro7 / Sat.1-Mediengruppe ist, leistete die Bild-Zeitung immense Schützenhilfe, indem sie ihn zum „King of Rock“ krönte und einen Skandal mit vermeintlich wütenden gecoverten Bands frei erfand.

Der Autoverleiher Sixt stellte ein evil-rockig-rollendes „Heino-Mobil“ zur Verfügung und von Gattin Hannelore gab’s obendrauf noch einen Totenkopfring, den die wiedererweckte Rockmöhre mit den Basedow’schen Augen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit stolz in die Kamera hielt. Diese ewig treue Rockerbraut war es auch, die Heino bei dieser ebenso brachialen wie fadenscheinigen Werbekampagne unterstützte. Eine Kampagne, die darin gipfelte, „Mit freundlichen Grüßen“ als das „verbotene Album“ zu bezeichnen, wobei zu keiner Zeit die Gefahr eines werbewirksamen Verbotes bestand, und der gesetzestreue Heino sicherlich eine ganze Rechtsabteilung mit der juristischen Absicherung dieses Projekts betreut hatte.

 

Was folgte, war ein Erfolg, mit dem wahrscheinlich keiner der Beteiligten gerechnet hätte: „Mit freundlichen Grüßen“ schoss schon vor Veröffentlichung aufgrund der Vorbestellungen auf Platz 1 der Charts (sorry, Heino: „Hitparade“ - wir sprechen hier deutsch!), brach Rekorde bei den Downloads, und auf einmal ist der verschollen gehoffte rustikale Heimat-Chansonnier wieder in sämtlichen Medien präsent - seriös oder Boulevard, intellektuell-aufgeklärt oder konservativ, links oder rechts: Es scheint, als komme niemand an dieser Unperson der dumpf-deutschen Unterhaltungsindustrie vorbei, und die Behauptung, dass weit über 90% der deutschen Bevölkerung der Name Heino ein Begriff ist, könnte sich traurig bewahrheiten...

 

Der 1938 in Düsseldorf als Sohn eines Zahnarztes geborene Heinz Georg Kramm absolvierte zunächst eine Lehre als Bäcker und Konditor, genoss kurz darauf mit Bands wie den „Trio OK Singers“ (die sogar eine Platte veröffentlichten!) und dem „Comedian Terzett“ zu Beginn der 60er Jahre mäßige Erfolge, um 1965 endlich entdeckt zu werden. Gleich mit der ersten Single, einer Coverversion (!) des Freddy-Quinn-Hits „100 Mann und ein Befehl“, schaffte er den erhofften Durchbruch, und im Laufe seiner nun mittlerweile fast fünfzigjährigen Karriere entwickelte sich Heino zum Inbegriff des deutschtümelnden Spießertums, gepaart mit national-sentimentaler Sehnsucht nach der heilen Welt der Heimatfilme. Mit Album-Titeln wie „Kein schöner Land in dieser Zeit“ (1967), „Halli, Hallo – wir fahren“(1970) (Wieder gegen Polen? Gegen Frankreich oder gegen Engelland?), „Fahrtenlieder Album“ (1975), „Wenn abends die Heide träumt“ (1975) oder „Deutschland meine Heimat“ (2006) sang er sich in die Abgründe der kleinbürgerlichen deutschen Volksseele. Gipfel dieser Ansammlung von Absurditäten waren Heinos Konzerte 1982 in Afrika: Im ehemals deutschkolonialen Windhuk (Namibia) zelebrierte er bei Heino-Bier und Bratwurst (gestiftet vom Sponsor Südwest-Bier) in der Halle des Deutschen Sportclubs das „Heimatfest mit Heino“. Die ausschließlich weißen Süd-Westler lauschten den vertrauten Klängen des Südwester-Liedes „Kameldornholz und Reviere", gesungen nach der Melodie des „Panzerliedes" der deutschen Wehrmacht.

 

Kein Wunder, dass solch übertriebener, pathetischer und vor allem unzeitgemäßer Patriotismus seine Gegner fand, überwiegend in Kreisen von Komikern und Parodisten (z.B. Otto Waalkes), aber auch in Norbert Hähnel, der Mitte der 80er Jahre als „Der wahre Heino“ mit einem eigenwilligen Medley von Heino-Krachern im Vorprogramm der TOTEN HOSEN auftrat, prompt verklagt wurde, und den Prozess gegen den Zuckerbäcker vom Niederrhein verlor. Auch wenn Heino im Zuge dieses Prozesses aufgrund offensichtlicher Humorlosigkeit einige Sympathien verlor, der „VW der deutschen Musikindustrie“ marschierte unbeirrt weiter, eröffnete in Bad Münstereifel ein Cafè (in der Eifel, einer Gegend, der nachgesagt wird, dass die dortigen Bewohner ein besonders inniges Verhältnis zu ihren Nutz- und Haustieren pflegen...), entwickelte ganz nebenbei teuflische Fertigkuchen-Mixturen und diabolische Sonnenbrillenkollektionen. Schon 1989 versuchte er sich in Sachen moderner Popmusik, als er eine Rap-Version seiner Hits vom blau-blau-blühenden Enzian und der schwarzbraunen Haselnuss verwurstete – ein Unterfangen, das damals genauso kläglich scheiterte wie der Versuch des umtriebigen Schwaben Gotthilf Fischer (seines Zeichens Heerführer tausender Sangeskrieger), als dieser beim Versuch, auf der Love Parade den Anschluss an die moderne Popkultur zu finden, im Sumpf der Berliner Partydrogenhölle endete.

 

2013, im zweiten Anlauf, gelingt Heino aber, was bis dato unmöglich, bzw. ähnlich der Pest ausgerottet schien: Mit seinen Coverversionen meist mittelmäßiger und belangloser Auswürfe von musikalischen Tieffliegern wie den FANTASTISCHEN VIER, Nena, Peter Fox, RAMMSTEIN oder den SPORTFREUNDEN STILLER schafft Heino es an die Spitze der Charts. Und mit „Junge“ von den ÄRZTEN (aus Berlin!) veröffentlicht er fast schon so etwas wie ein unfreiwilliges Bekenntnis - vermutlich, weil er, ohne die feinsinnige Ironie des Textes verstanden zu haben, ideologisch in die Fußstapfen von Freddy Quinn und seiner Anti-Hippie-Hymne „Wir“ treten möchte. Darüber hinaus bietet „Mit freundlichen Grüßen“ nichts, was man nicht schon vorher an Heino gehasst hat, und der perfide Versuch, sich bei jüngerem Publikum anzubiedern und dabei noch kommerziellen Erfolg zu haben, scheint geglückt. Während sich die eingefleischten Fans angesichts der ungewohnten Klänge abwenden, lassen sich Scharen kritikloser Jugendlicher vom Exotencharme des Albino mit UV-Schutz blenden, und es ist zu befürchten, dass diese Platte in Zukunft auf jeder Karnevalsparty, am Ballermann oder Junggesellenabend erschallen und zum Soundtrack des kollegialen Flatrate-Komasaufen wird. Der kommerzielle Erfolg dieses Albums wird aber diesmal nicht den dumpfen Freunden der Volksmusik zu verdanken sein, sondern vielmehr den Fans der von Heino gecoverten Bands. Ein voller Erfolg des schlechten „schlechten Geschmacks“ und ein grandioser Sieg der Promo-Abteilung, die gnadenlos und ohne Rücksicht auf Verluste ihre Marketingkampagne durch Deutschland geprügelt hat. Bleibt zum Schluss nur noch die Frage, warum Heino eigentlich nicht DIE TOTEN HOSEN gecovert hat? Das wäre wirklich konsequent gewesen, und eine blau-blau-schwarzbraune Haselnuss-Version von „Verschwende deine Zeit“, „Hier kommt Alex“, oder, oder, oder, wäre bestimmt reizvoller gewesen, als der hier präsentierte und aktuell boomende deutschsprachige Gaga-Gefühls-KlingelPop. Aber wer weiß, vielleicht überrascht uns der blonde Barde demnächst mit „Heino – ein Tribut an Böhse Onkelz und Störkraft“...