Peter Altmeier fracken und das Bier entscheiden lassen
Bundesvorsitzender der PARTEI, Satiriker (Titanic, Heute Show) und Autor Martin Sonneborn ist aus der politischen Landschaft nicht wegzudenken. Er hätte mit Staat und Postengemauschel längst aufgeräumt. Zuletzt erkämpfte er nicht nur als Spitzenkandidat einen Sitz im Europäischen Parlament, sondern veröffentlichte auch sein neues Buch „Bundesliga raus aus Afghanistan“.
WAHRSCHAUER: Die wichtigste Frage muss natürlich am Anfang stehen, denn Verlag und Herausgeber wollen ja etwas verdienen: Was will uns der Künstler mit dem Buch „Bundesliga raus aus Afghanistan“ sagen? Ist das Buch, das immer gültige Forderungen (z.B: Ich bin nur zum Pöbeln hier, Hitlertitelbildquote für den Spiegel, Panzer zu Bierdosen!) beinhaltet, nicht schlauer als alle Reden zur Regierungsbildung?
Martin Sonneborn: Selbstverständlich, wir haben uns ja bei der vielgefeierten Schwarmintelligenz bedient und Bürger gebeten, uns ihre Forderung an Merkel zu schicken, um diese dann in der weltweit ersten iDemo vor dem Brandenburger Tor synchron auf 43 iPads und Großbildschirmen zu zeigen. Die Hälfte der über 25.000 eingegangenen Botschaften war unseriös und drehte sich um Ficken, Freibier, FDP. Die sinnvollsten haben wir in dem Buch zusammengefasst: 2014 verhindern! +++ Mettwoch statt Veggie-Day +++ Stoppt Bierversuche! +++ Wir fordern: Nie wieder! +++ Stoppt Funktionskleidung im zivilen Raum +++ Merkel eunt domus! +++ Pi auf 3.1 runden +++ Audi A3 8L, Bj1998, blau, verranzt, 130TKM: 2500 Euro. 0170/7386XXX +++ Keine Querpässe im eigenen 16er! Der Audi ist übrigens schon weg.
W: Kommt da nicht immer noch Neid von der letzten deutschen Spaßpartei FDP auf? Denn manche Forderungen hätten Schwung in den FDP-Laden gebracht. Und man hätte jetzt freudetrunken und betrunken der Merkel-Partei Vorschriften machen können.
MS: Wir sind immer noch freudetrunken genug von unserem Wahlergebnis in der Bundestagswahl: Wir hatten zusammen mit der FDP exakt 5,0 Prozent! 4,8 hatten die verkommenen Liberalen und 0,2 Die PARTEI. Wir haben also die FDP aus dem Bundestag gekegelt.
W: Die PARTEI wird leider immer noch nicht als ernstzunehmender politischer Gegner wahrgenommen. Hätten Sie bei der vergangenen Bundestagswahl nicht lieber einige Prozent mehr gehabt? Und säßen Sie sich jetzt gerne die Ärsche mit Frau Merkel und Herrn Gabriel breit, um im Anschluss das „einfache Volk“ so richtig schön zu belügen und zu betrügen?
MS: Nein, alles unter 50 Prozent bringt nichts. Und da wir unsere Ergebnisse von Wahl zu Wahl verdoppeln, brauchen wir noch rund 64 weitere Wahlgänge, um an die Macht zu kommen. Allerdings belügen wir niemanden, wir sind zwar weitgehend inhaltsfrei, aber wir sagen klar, was Sache ist - zum Beispiel auch mit dem Wahlplakat „Merkel ist doof!“, das immer noch von der Berliner Staatsanwaltschaft geprüft wird.
W: Wird Ihre Partei mittlerweile auch überwacht, ist ein zwangloses Gespräch mit Freunden schon als Attentat-Vorbereitung gewertet worden?
MS: Leo Fischer hat schon vor Jahren extra eine „verfassungsfeindliche Plattform“ in der PARTEI gegründet – und dies über unseren Anwalt dem Verfassungsschutz auch angezeigt. Trotzdem haben wir den Verdacht, dass weiterhin lediglich die Links-Partei beobachtet wird. Obwohl auch wir in Deutschland Steuern zahlen!
W: Frau Merkel ist das Abhören ihres Handys auch ziemlich egal, es waren ja die amerikanischen Freunde. Kontrollieren die Politiker die Geheimdienste oder die Geheimdienste die Politiker? Welche Interessen werden überhaupt vertreten?
MS: Ganz einfach, jeder vertritt seine eigenen Interessen. Und Die PARTEI die humanistischen Grundsätze, z.B. mit dem Wahlversprechen: „Wenn Sie uns wählen, lassen wir die 100 reichsten Deutschen umnieten!“
W: Haben wir hier in der BRD überhaupt noch die Demokratie? Oder anders gefragt: Hatten wir sie jemals in ihrer ganzen Schönheit?
MS: Nein, wir haben eine lobbyistengesteuerte und in erster Linie auf mediale Vermittelbarkeit ausgerichtete repräsentative Demokratie. Es wird Spaß machen, nach der Machtübernahme daraus eine solide und unterhaltsame humanistische Diktatur zu formen. Deren ganze Schönheit werden Sie erkennen, wenn Merkel sich in einem Schauprozess zu verantworten hat. Im Olympiastadion. Aus einem Käfig heraus.
W: Sicherlich haben Sie den Koalitionsvertrag gelesen, der von der sozialdemokratischen Basis natürlich durchgewunken wurde. Der Frieden ist weiterhin bedroht, Kampfdrohnen werden eingekauft, Rüstungsexporte gehen weiter, die Rente sinkt, Leiharbeiter bekommen trotzdem Hungerlöhne, ein Drittel der Pflegeversicherungsbeiträge fließt in einen kapitalgedeckten „Pflegevorsorgefond“ der Bundesbank, dessen Risiko wir tragen, und die Superreichen haben keine Steuererhöhung zu befürchten. Was kritisiert „Die Partei“ an der GroKo und was hätten Sie besser gemacht?
MS: Unser Programm mit dem Titel „Das Bier entscheidet“ steht auf der PARTEI-Seite im Netz. Wir fordern grundsätzlich das Gegenteil dessen, was die große Koalition da vorhat. Außerdem sind wir für die Einführung eines Existenzmaximums. Und einer Faulenquote. Und für Fracking: Wir wollen Peter Altmeier fracken, da wir in ihm ungeheure Energiemengen vermuten, die unser Land auf Jahre hinaus unabhängig machen.
W: Sie sind auch für die ZDF-Heute-Show kritisch unterwegs und ihr Parteiorgan „Titanic“ nimmt es mit der Pressefreiheit sehr genau. Wird es in Richtung Pressefreiheit Einschnitte geben und gibt es überhaupt noch unabhängige Journalisten?
MS: Unabhängige Journalisten gibt es tatsächlich, ich kenne persönlich zwei oder drei. Das sind aber Ausnahmen. Als kürzlich die Deutsche Bank nach einem kleinen Spaß auf ihre Kosten ihre Beziehungen spielen ließ, zeigte sich z. B. recht deutlich, welche Zeitungen Bank-Anzeigen haben und welche nicht...
W: Darf man sich in den nächsten Jahren über die nicht vorhandene Opposition lustig machen und kommen die spaßigen FDPler jemals wieder zurück?
MS: Ja. Und: nein.
W: Zurück zur „PARTEI“, die als Kritik an der bestehenden Politik entstand, mittlerweile aber einige Landesverbände hat, in denen viele Mitglieder ernsthaft arbeiten – und sogar einen Sitz im Europaparlament. Können Sie als Vorsitzender noch alles überblicken?
MS: Ja. Wir sind eine straff führerzentrierte Organisation, das macht auch unseren Erfolg aus. Wohin Basisdemokratie führt, sieht man sehr schön bei den Piraten. Wir haben zum Glück fähige Landesvorsitzende in der PARTEI. Aber es werden tatsächlich nicht alle Weisungen hundertprozentig umgesetzt. Bastian Langbehn, unserem Abgeordneten im Lübecker Stadtparlament, hatte ich empfohlen, in der Hansestadt eine Ein-Sitz-Minderheitsregierung zu etablieren. Das ließ sich aber politisch nicht durchsetzen, und jetzt haben wir – um Büro, Faxgerät und Gelder in großer Höhe beantragen zu können – eine Fraktion mit dem einzigen Piraten dort oben. Das ist natürlich rufschädigend für die Bundespartei.
W: Vor wem muss man mehr Angst haben? Vor dem König Seehofer, vor dem dicken Gabriel oder doch vor Mutti Merkel?
MS: Im Grunde genommen: vor mir.
Thobe
Info: Hsg. Martin Sonneborn, „Bundesliga raus aus Afghanistan!“, Schwarzkopf & Schwarzkopf Berlin, 9,95 Euro