Schwere Wiedergeburt!
Berlin/17.5.2008 im Postbahnhof: MOTORPSYCHO-Konzerte sind nicht von dieser Welt. Ich kenne keine Band, die so unberechenbar ist, was ihre Live-Performances angeht – und keine Fan-Gemeinde, die so ergeben ist, wie die ‚Psychonauten’. Wenn MOTORPSYCHO in die Stadt kommt, ähnelt die sich versammelnde Fan-Schar eher einer ...
... Kirchengemeinde als einem ‚normalen’ Konzert-Mob. Da kann es dann schon mal sein, dass man erwachsene Menschen sieht, wie sie mit feuchten Augen und vor Freude zitterndem Körper anderen erwachsenen Menschen dabei zusehen, wie sie ihre Instrumente bearbeiten; das Rockkonzert als säkularer Gottesdienst. So ähnlich war es beim letzten Besuch der Band im Jahr 2006: die ZuhörerInnen schienen dermaßen erleichtert, dass nach dem Weggang von Schlagzeuger Gebhard überhaupt noch ein echtes MOTORPSYCHO-Konzert zustande kam, dass sie die die Band dementsprechend feierten.
Zwei Jahre später ist die Lage ein bisschen anders: das sperrige neue Album, ‚Little Lucid Moments’, lässt zum ersten Mal leise Skepsis aufkommen, was das zu erwartende Erlösungserlebnis angeht. Wird der ausgeflippte Space-Jam in seiner Live-Inkarnation Spaß machen oder droht die Verzettelung? Kann der neue Drummer Kenneth Kapstad die von Gebhard hinterlassene Lücke besser füllen als der von den Fans eher ungeliebte Jacco van Roijs – und damit die musikalische Wiedergeburt der Band vollenden? Eine solche Mischung aus Skepsis und Erwartungsfreude ist ein flüchtiges Gemisch: leicht entzündlich, wenn alles gut geht – und ebenso schnell verflogen, wenn die Band es nicht in den Griff bekommt. Wie würden die Norweger mit dieser Situation umgehen?
MOTORPSYCHO betrat wie gewohnt wortkarg die Bühne in einem gut gefüllten Postbahnhof. Der Anwendung des Rauchergesetzes war es geschuldet, dass noch einige Minuten nach den ersten Tönen von ‚Triggerman’ Scharen von Menschen in den Saal strömten – sie hatten ihrer Sucht notgedrungen im durchregneten Rauchergarten des ehemaligen Bahnhofsgebäudes verbracht. Verdammtes Anti-Rauch-Gesetz! Nach den ersten psychedelischen Ausritten hatte das Publikum sich dann aber eingefunden und wurde sogleich mit einer energischen Version von ‚High Times’ zur ersten Gruppentanzeinlage des Abends verführt. Als wüssten sie worum es geht, gingen MOTORPSYCHO nahtlos in ‚Sparks’ von THE WHO über – doch der Funke wollte nicht so recht überspringen. Vielleicht lag dies an dem für den Postbahnhof beinahe schon typisch schlechten Bühnensound: zwar konnte man alle Instrumente einzeln gut hören, aber der Gesamtklang wirkte oft eher zerfasert und wenig druckvoll. Daran änderte sich auch bis zum Ende des Konzerts wenig. Ob die Band sich von derlei Problemchen beeindrucken ließ, kann ich nicht sagen – so wirklich beisammen war sie jedoch nicht. Als Ansatzpunkt für diese Vermutung bot sich der neue Drummer Kenneth an: während sich Gitarrist Snah und Sänger Bent vorwiegend über ihre Instrumente beugten und hinter ihren Haaren verschwanden, ackerte sich dieser wie ein Wahnsinniger durch die vielschichtigen und komplexen Arrangements, mit den Sticks wirbelnd wie weiland KEITH MOON und dabei auf geradezu beängstigende Art und Weise ins Nichts starrend – nach wenigen Minuten des Zusehens war man selber schon ganz geschafft. Rock´n´Roll als Schwerstarbeit... man merkte, dass die Wiedergeburt schwer fiel.
Doch wie so oft, wenn man etwas ganz doll will: es klappt am Besten immer dann, wenn man sich entspannt. Bis dahin dauerte es jedoch eine ganze Weile, während Band und Publikum einen Tarantella aufzuführen schienen. Hinwendung, Abgrenzung; Brodeln, Abkühlung – diese Dynamik beherrschte das Konzert über weite Strecken, ohne dass jedoch der Tanz in die eine oder andere Richtung beendet wurde. Weder sprang der Funke über, noch verflüchtigte sich das Spannungsgemisch. Die Band wurde durch dieses ständige Hin und Her spürbar aggressiver – was ihr zum Vorteil gereichte: ‚Heartattack Mac’ rollte finster grollend von der Bühne direkt in den Laderaum des ‚Sun Ship’, das uns zu verstörenden Visuals über den ‚Kill Devil Hills’ abwarf. Es folgte ein atemloser Ritt in den ‚Luminiferous Aether’, dem Höhepunkt des Abends – wäre da nicht als Zugabe der Titelsong des neuen Albums gewesen. Spätestens jetzt wurde die Band frenetisch gefeiert und das Kunststück war geglückt: eine Kaskade infernalischen Lärms wirbelte die letzten Reste Skepsis beiseite und zauberte allerorten diese berühmten feuchten Augen hervor. Fans glücklich, Band wütend – Wiedergeburt geglückt. Zum Schluss eine kleine Bemerkung in eigener Sache: Konzert-Nazis sind eine Pest. Ja, euch meine ich! Ihr Arschgeigen, die ihr eure muskulösen 1,90m immer schön mitten ins Publikum stellt (am Besten ganz weit vorne) – und keinen Millimeter wankt, wenn man sich noch dazustellen möchte. Besser noch: eure Ellbogen einmal rundrum haut und dann böse guckt. Das ist besonders schön, wenn man ein bisschen tanzen will. Am allerbesten aber macht ihr es so wie dieser Typ vom MOTORPSYCHO-Konzert: ihr packt denjenigen, der sich in euren ‚circle of cool’ begibt – und schubst ihn grob weg. Ist ja auch völlig in Ordnung, darf ja nicht Jede/r stehen, wo er/sie will... ... Hallo?!! Schon mal was von ‚Rock-Konzerten’ gehört? Wenn ihr mit körperlicher Enge bei Konzerten ein Problem habt, kauft euch von mir aus die DVD oder eine Dauerkarte für die Oper – aber erzählt mir nichts darüber! Ihr nervt! Konzert-Nazis: Go Home!
Siehe auch:
MOTORPSYCHO-Review "Little Lucid Moments"
Berlin/17.5.2008 im Postbahnhof: MOTORPSYCHO-Konzerte sind nicht von dieser Welt. Ich kenne keine Band, die so unberechenbar ist, was ihre Live-Performances angeht – und keine Fan-Gemeinde, die so ergeben ist, wie die ‚Psychonauten’. Wenn MOTORPSYCHO in die Stadt kommt, ähnelt die sich versammelnde Fan-Schar eher einer ...
... Kirchengemeinde als einem ‚normalen’ Konzert-Mob. Da kann es dann schon mal sein, dass man erwachsene Menschen sieht, wie sie mit feuchten Augen und vor Freude zitterndem Körper anderen erwachsenen Menschen dabei zusehen, wie sie ihre Instrumente bearbeiten; das Rockkonzert als säkularer Gottesdienst. So ähnlich war es beim letzten Besuch der Band im Jahr 2006: die ZuhörerInnen schienen dermaßen erleichtert, dass nach dem Weggang von Schlagzeuger Gebhard überhaupt noch ein echtes MOTORPSYCHO-Konzert zustande kam, dass sie die die Band dementsprechend feierten.
Zwei Jahre später ist die Lage ein bisschen anders: das sperrige neue Album, ‚Little Lucid Moments’, lässt zum ersten Mal leise Skepsis aufkommen, was das zu erwartende Erlösungserlebnis angeht. Wird der ausgeflippte Space-Jam in seiner Live-Inkarnation Spaß machen oder droht die Verzettelung? Kann der neue Drummer Kenneth Kapstad die von Gebhard hinterlassene Lücke besser füllen als der von den Fans eher ungeliebte Jacco van Roijs – und damit die musikalische Wiedergeburt der Band vollenden? Eine solche Mischung aus Skepsis und Erwartungsfreude ist ein flüchtiges Gemisch: leicht entzündlich, wenn alles gut geht – und ebenso schnell verflogen, wenn die Band es nicht in den Griff bekommt. Wie würden die Norweger mit dieser Situation umgehen?
MOTORPSYCHO betrat wie gewohnt wortkarg die Bühne in einem gut gefüllten Postbahnhof. Der Anwendung des Rauchergesetzes war es geschuldet, dass noch einige Minuten nach den ersten Tönen von ‚Triggerman’ Scharen von Menschen in den Saal strömten – sie hatten ihrer Sucht notgedrungen im durchregneten Rauchergarten des ehemaligen Bahnhofsgebäudes verbracht. Verdammtes Anti-Rauch-Gesetz! Nach den ersten psychedelischen Ausritten hatte das Publikum sich dann aber eingefunden und wurde sogleich mit einer energischen Version von ‚High Times’ zur ersten Gruppentanzeinlage des Abends verführt. Als wüssten sie worum es geht, gingen MOTORPSYCHO nahtlos in ‚Sparks’ von THE WHO über – doch der Funke wollte nicht so recht überspringen. Vielleicht lag dies an dem für den Postbahnhof beinahe schon typisch schlechten Bühnensound: zwar konnte man alle Instrumente einzeln gut hören, aber der Gesamtklang wirkte oft eher zerfasert und wenig druckvoll. Daran änderte sich auch bis zum Ende des Konzerts wenig. Ob die Band sich von derlei Problemchen beeindrucken ließ, kann ich nicht sagen – so wirklich beisammen war sie jedoch nicht. Als Ansatzpunkt für diese Vermutung bot sich der neue Drummer Kenneth an: während sich Gitarrist Snah und Sänger Bent vorwiegend über ihre Instrumente beugten und hinter ihren Haaren verschwanden, ackerte sich dieser wie ein Wahnsinniger durch die vielschichtigen und komplexen Arrangements, mit den Sticks wirbelnd wie weiland KEITH MOON und dabei auf geradezu beängstigende Art und Weise ins Nichts starrend – nach wenigen Minuten des Zusehens war man selber schon ganz geschafft. Rock´n´Roll als Schwerstarbeit... man merkte, dass die Wiedergeburt schwer fiel.
Doch wie so oft, wenn man etwas ganz doll will: es klappt am Besten immer dann, wenn man sich entspannt. Bis dahin dauerte es jedoch eine ganze Weile, während Band und Publikum einen Tarantella aufzuführen schienen. Hinwendung, Abgrenzung; Brodeln, Abkühlung – diese Dynamik beherrschte das Konzert über weite Strecken, ohne dass jedoch der Tanz in die eine oder andere Richtung beendet wurde. Weder sprang der Funke über, noch verflüchtigte sich das Spannungsgemisch. Die Band wurde durch dieses ständige Hin und Her spürbar aggressiver – was ihr zum Vorteil gereichte: ‚Heartattack Mac’ rollte finster grollend von der Bühne direkt in den Laderaum des ‚Sun Ship’, das uns zu verstörenden Visuals über den ‚Kill Devil Hills’ abwarf. Es folgte ein atemloser Ritt in den ‚Luminiferous Aether’, dem Höhepunkt des Abends – wäre da nicht als Zugabe der Titelsong des neuen Albums gewesen. Spätestens jetzt wurde die Band frenetisch gefeiert und das Kunststück war geglückt: eine Kaskade infernalischen Lärms wirbelte die letzten Reste Skepsis beiseite und zauberte allerorten diese berühmten feuchten Augen hervor. Fans glücklich, Band wütend – Wiedergeburt geglückt. Zum Schluss eine kleine Bemerkung in eigener Sache: Konzert-Nazis sind eine Pest. Ja, euch meine ich! Ihr Arschgeigen, die ihr eure muskulösen 1,90m immer schön mitten ins Publikum stellt (am Besten ganz weit vorne) – und keinen Millimeter wankt, wenn man sich noch dazustellen möchte. Besser noch: eure Ellbogen einmal rundrum haut und dann böse guckt. Das ist besonders schön, wenn man ein bisschen tanzen will. Am allerbesten aber macht ihr es so wie dieser Typ vom MOTORPSYCHO-Konzert: ihr packt denjenigen, der sich in euren ‚circle of cool’ begibt – und schubst ihn grob weg. Ist ja auch völlig in Ordnung, darf ja nicht Jede/r stehen, wo er/sie will... ... Hallo?!! Schon mal was von ‚Rock-Konzerten’ gehört? Wenn ihr mit körperlicher Enge bei Konzerten ein Problem habt, kauft euch von mir aus die DVD oder eine Dauerkarte für die Oper – aber erzählt mir nichts darüber! Ihr nervt! Konzert-Nazis: Go Home!
Siehe auch:
MOTORPSYCHO-Review "Little Lucid Moments"