Berlin / 07.11.2009 im SO36: An diesem Samstag gab sich die Punklegende ABWÄRTS mal wieder die Ehre, im nicht minder ehrenvollen SO36 in Berlin-Kreuzberg zu spielen.
Es war ein regnerischer, kalter Herbstabend. Ein Abend, den man auch mit gutem Essen und seiner Liebsten auf der Couch verbringen könnte. Dennoch kamen einige Menschen nach Kreuzberg.Kurz vor dem Auftritt von AMPLIFY waren vielleicht 300 Leute im Saal, und es wurden immer mehr.
Wie bei den letzten Konzerten von ABWÄRTS war auch diesmal die Mischung des Publikums sehens-und erlebenswert. Schon vor der ersten Band bildete sich direkt vor der Bühne eine Traube von jungen Mädchen, die entweder schon die besten Plätze sichern wollten, um dann ihren Rod von DIE ÄRZTE anhimmeln zu können. Oder vielleicht war ja auch die Vorband so großartig? Das, was ich im Netz hörte, haute mich nicht um, aber sie sind eben auf dem Label Rodrec von Rodrigo Gonzales. Und wie kann man leichter seine Bands vorstellen als auf einem Konzert, auf dem man selber spielt?
Als AMPLIFY aus Hamburg anfingen, waren vielleicht 350 Leute im Saal. Die ältere Garde, leicht in der Überzahl, hielt sich hinten im Saal auf, erzählte sich Anekdoten von vor 20 Jahren und freute sich, mal wieder im SO36 zu sein. Vom alten Lederjackenpunk bis zum Wollmantelträger mit Seidenschal war alles dabei. Dazwischen hüpften die jungen Fans im Saal herum. Ein Treffen der Generationen.
AMPLIFY spielten nicht näher auffallenden poppigen Teenie-Emo-Melody-Punk, gepaart mit Texten über den Verlust der Partnerin, das Alleinesein und die harten Jahre über 14. Nach drei Songs verließ ich den Saal und überlegte, wie ich die nächste halbe Stunde verbringen sollte, ohne aggressiv zu werden. AMPLIFY waren für mich nix weiter als langweiliger Emo-Punk mit Melodie. Vielleicht Tokio Hotel gepaart mit frühen NO FX für die Mittelstandkids, die einen auf Punkrock machen wollen (wobei das fast schon eine Beleidigung für NO FX wäre).
Als die Hamburger nach gefühlten drei Stunden die Bühne verließen (tatsächlich waren nur vierzig Minuten vergangen) begann der Umbau für ABWÄRTS. Mittlerweile war das SO36 knapp dreiviertel gefüllt. So war es gut voll, aber man konnte noch überall angenehm hingehen. Genau so, wie ein Konzert sein soll. Fehlt also nur noch die Band, wegen der man da war...
ABWÄRTS betraten kurz nach 21.00 Uhr die Bühne. Die erste Ansage gab es erst nach zwei Songs. Die Band war sehr gut drauf, besonders Rodrigo Gonzales, vor dem wie immer eine Meute Mädchen stand. Je weiter man nach hinten ging, desto älter wurde das Publikum. Vorne hatten die etwas jüngeren Semester ihren Spaß. Während des Konzertes kamen aber auch immer mehr ältere Besucher nach vorne und zeigten der jungen Garde, was Pogo früher war. Die Stimmung im Publikum war sehr gut. Es wurde getanzt, mitgesungen und der Moment genossen. Der Sound war wieder mächtig. Der neuzeitliche ABWÄRTS-Sound ist eine Mischung aus Industrial, Punkrock, Rock und einem Schuss NDW bzw. Elektropunk.
ABWÄRTS stellten auch die Songs ihrer neuen EP "1,2,3,4 abgewrackt" vor. Besonders die Songs "Sei auch dabei", "Abwärts und nie vergessen" und der titelgebende Song sind klasse. Gute Texte, die zwischen Ironie, Hoffnung und der harten Realität einen Spagat machen, treffen auf harten Industrial-Punkrock-Sound. Neben den neuen Songs wurden hauptsächlich Songs der letzten Alben "Nuprop" und "Rom" gespielt. Natürlich durften die Klassiker wie "Computerstaat" und "Ich sehe die Schiffe den Fluss herunterfahren" nicht fehlen.
ABWÄRTS spielte gut zwei Stunden und bot ein tolles Set, welches die letzten Jahre der Band super dargestellt hat. Hoffen wir, dass es die Band noch ein paar Jahre gibt. Ihren Platz in der Szene haben sie an diesem Abend nicht nur verteidigt, sondern zementiert.