Party.san Open Air 2010
Donnerstag, 12.08.2010 - Die Schlammschlacht kann beginnen!
Mitten im Set von MERRIMACK erreichen wir das Festivalgelände am Rande des beschaulichen Städtchens Bad Berka. Ein Meer von Zelten erstreckt sich bereits am Hang des Geländes und der Andrang vor der Bühne war auch schon enorm. Erst mal ein
Willkommensbierchen organisieren, die Kamera vorbereiten und dann ab ins Getümmel.
Die mit reichlich Corpsepaint verzierten Franzosen spielen abwechslungsreichen Black Metal, der teilweise sehr schnell daherkommt. Der offenbar neue Sänger passt stimmlich hervorragend und macht mit den Doppelpatronengurten eine passende Figur. Ganz überrascht waren wir allerdings, als am Ende der Dreiviertelstunde Spielzeit tatsächlich Zugaberufe ’gen Bühne hallten! Kompliment, MERRIMACK haben so ziemlich alles richtig gemacht und einen beeindruckenden Party.San-Auftritt hingelegt.
Bei einem ersten Rundgang über das Gelände war am Donnerstag vereinzelt noch Rasen sichtbar. Das sollte sich aber noch im Laufe des Abends ändern. Der stellenweise knöcheltiefe Schlamm machte das Fortkommen auf dem Gelände immer schwieriger. Die PSOA-Merchandise-Verkäufer hätten sich bei dem Andrang klonen lassen müssen, aber auch an vielen anderen Ständen herrschte an diesem Abend Hochbetrieb.
Boller, boller, grunz, grunz … Brutal Death Metal mit fettem Sound. DEVOURMENT sorgten für Bewegung vor der Bühne und lieferten einen super Gig ab. Tiefer, brutaler und tighter geht’s kaum. Für uns waren die Texaner die Überraschung des Tages!
MONSTROSITY sind eine Legende, die es irgendwie nie zum richtigen Durchbruch geschafft hat. Aber uns und den Fans, die seit langer Zeit auf einen Auftritt in Deutschland warten mussten, war das egal. Die Jungs knüppelten lupenreinen Florida-Death: tief, schnell, groovend und (passend zum Bandnamen) mit einem Monster von einem Sänger!
Die Bühne in blaues Licht gehüllt, betreten die blutverschmierten Musiker und der Background-Chor von THE DEVIL’S BLOOD die Bühne um dann hymnisch und pathetisch das orchestrale Intro zu zelebrieren. Sängerin Farida, die mit ihrer hohen Stimme ein wenig an Tarja Turunen erinnert, dreht sich mit ausgebreiteten Armen in alle Richtungen und reckt das viel beachtete Dekolleté ins rechte Licht. Musikalisch zaubern die Niederländer 70s Rock à la LED ZEPPELIN, der ritualgleich vorgetragen wird, passend dazu gab es eine tolle Lightshow ohne Firlefanz. Eigentlich erstaunlich, dass so eine ‚softe‘ Band auf dem Party.San überhaupt spielen darf, aber den meisten Fans hat es gefallen. Uns auch.
Lange, sehr lange, zu lange ließen die Herren von WATAIN dann die Fans im Regen auf sich warten. Gut, zahllose Kreuze, Kerzen, Fackeln, Dreizacks usw. müssen erst mal illuminiert werden und sorgen am Ende des Wartens für ein beeindruckendes Bühnenbild. Doch musikalisch gelingt es den Schweden mit ihrem „Schrammel-Punk“ und wirklich schlechter gesanglicher Präsenz nicht zu überzeugen. Die hat man schon mehrfach besser gesehen. Natürlich durfte die Ansage bzgl. des vierten Todestages des 1998 wegen Beihilfe zum Mord verurteilten Jon Nödtveidt nicht fehlen … von uns aus hätte man dies und die folgende Coverversion jedoch weglassen können. Nur für eine Requisiten-Show 45 Minuten zu warten, hat sich echt nicht gelohnt.
Freitag, 13.08.2010 – Noch mehr Schlamm am Freitag, den 13.
Es wäre zu schön gewesen, wenn es nicht schon wieder geregnet hätte. Das bedeutete nun noch mehr Schlamm, der nun teilweise über knöchelhoch war und erbärmlich stank. Nicht nur für die Besucher war der Gang übers Gelände absurd grotesk oder wurde zur Herausforderung, wenn man seine Schuhe nicht verlieren wollte, auch die Veranstalter mussten mit Hochdruck gegen die Tücken des Wetters kämpfen. Denn nicht mal Bands und Equipment konnten wie gewohnt hinter die Bühne zum Entladen gefahren werden.
Doch auf der Bühne ging es bei unserer Ankunft ganz witzig zu, wenn man den Kopfputz von MILKING THE GOATMACHINE betrachtete. Alle Musikanten trugen getreu ihres Namens Ziegenmasken und wurden von den Fans gefeiert. Deftiges Party-Grindcore-Geknüppel drang in die Ohren und der Sänger wollte wissen: „Habt ihr Spaß? Dann haben wir unser Ziel erreicht.“ In den vorderen Reihen wurden kräftig die Matten geschwungen.
Die nächste unterhaltsame Death/Grindcore-Attacke folgte mit LIVIDITY nach kurzem Umbau und zog erneut zahlreiche Schaulustige vor die Bühne. Mittlerweile hatten Regen und Schlamm sich zu einem verbindenden Element entwickelt, denn jeder war eingesaut. Doch das tat der Stimmung kaum Abbruch.
Das Old School Thrash-Revival läuft schon seit einiger Zeit und SUICIDAL ANGELS sind ein mittlerweile bekanntes und beliebtes Beispiel für eine recht junge Band dieses Trends. Als wäre man per Zeitmaschine nach 1987 gereist, pfeffern die Griechen ihre Thrash-Salven in die Meute. Plakativ im Hintergrund hing ein riesiges, buntes Backdrop. Cooler Gig!
Mit ORIGIN aus Kansas ging es mit technischem Death/Grind weiter, der etwas kompliziert rüber kam und uns nicht so recht überzeugen konnte.
Im Billing gab es anschließend zeitliche Änderungen, so dass wir erst zu OFERMOD wieder vor der Bühne waren und ein ewig langes, lustiges Intro erlebten. Ein Kapuzenmann schrie Texte, die er vom Notenblatt ablas, neben ihm stand ein dicklicher, tätowierter Mann. Der schrie ebenfalls, nur ohne Mikro. Es war eine fast lächerliche Szene, bei der man sich im Fotograben zusammenreißen musste, um nicht zu lachen. Aber die irren Typen wirkten lustig und furchteinflößend zugleich. Man weiß ja nie, ob so einer gleich ein Messer ziehen könnte und den lachenden Fotografen absticht. Musikalisch waren OFERMOD mit fortschreitender Zeit gar nicht so schlecht und boten antikosmischen, schnellen Black Metal , sehr intensiv, stellenweise gar melodisch und richtig böse, aber leider wurde das Ganze eben mit zu viel Kaspertheater garniert. Zum Schluss schien auch noch die Gitarre auszufallen, was aber nicht ganz sicher ist, womöglich sollte die Restzeit auch nur für erneute, magische Rituale „genutzt“ werden.
Nach ihrer Reunion 2007 (dank der PSOA-Veranstalter) gaben sich erneut die sympathischen Niederländer ASPYHX die Ehre und fühlten sich laut Herrn van Drunen „wie zu Hause auf dem besten Festival in Deutschland“. Was nun folgte war brutaler Old School Death/Doom mit Klassikern wie „Wasteland Of Terror“ oder „Asphyx (Forgotten War)“. Selbstverständlich widmeten die Musiker „Death … The Brutal Way“ den Veranstaltern. Bobs fetter Schlagzeugsound sowie die treibenden Gitarren waren perfekt abgestimmt. Ein denkwürdiges Wiedersehen!
Wie ebenfalls 2007 im strömenden Regen kehrten auch DYING FETUS in diesem Jahr nach Thüringen zurück. Musikalisch dominierten diesmal aber mehr langsamere Passagen von der neuen Scheibe. Dafür gab es einen faszinierend perfekten Gitarrensound! Technisch spielten die Amis wie immer sauber, genial teamstark und konnten nicht nur ihre zahlreichen Fans begeistern. Von uns aus könnten die sowieso jedes Jahr auf dem Party.San spielen.
Erinnerungen an unsere Lieblingsband CELTIC FROST wurden beim groovenden Old-School-Black-Metal der Norweger SARKE wach. Der Gesang von Mastermind Nocturno Culto erinnerte bisweilen sogar an Venom-Fronter Cronos. Donnernde Riffs und gewaltiger Schlagzeugsound, die die mitreißenden Songs vor allem ausmachen, wirkten auf viele Fans und Metaller, die SARKE vorher noch nicht kannten, wie hypnotisierend und dennoch zum Haupthaarschütteln geeignet. Die Nordmänner waren ein würdiger Co-Headliner und für uns eine der besten Bands des ganzen Festivals. Absolut spektakulär!
Fünfzehn Jahre nach ihrer Auflösung folgte nun die mit Spannung erwartete Reunion von AUTOPSY. Zwei Drittel des Original Lineups waren mit Chris Reifert und Eric Cutler von der Partie. Dazu kamen mal wieder ein neuer Bassist, diesmal kein geringerer als Thrash-Legende Danny Lilker, und ein zweiter Gitarrist. Die riesige Menge vor der Bühne genoss ein brutales Old School Death Metal-Massaker, das soundmäßig wesentlich besser war als auf den alten Alben. Viele begeisterte Fans hörten die „Severed Survival“-Songs zum ersten Mal live. Zwischen den Feuerwalzen und dem Nebel auf der Bühne drang die Death Metal-Walze in die verregnete Nacht.
Samstag, 14.08.2010 – Matsch mit Sonne
Unglaublich: Sonne! Nachdem der Regen überstanden war, genossen wir die Sonne und dabei rockten TRIBULATION überraschend explosiv ab. Die jungen Schweden packten ordentlichen Death Metal aus und erinnerten musikalisch an MORBID ANGEL. Gitarrist A. Zaars ähnelte dabei mit Outfit und Posing total Trey Azagtoth. Solider Gig!
Die finnischen Newcomer GHOST BRIGADE spielten dann alternativen Gitarrenrock mit Depri-Charakter, was nicht so ganz unser Fall war.
Das westdeutsche Old-School-Quartett DESASTER stellte anschließend das genaue Gegenteil dar! Die Koblenzer sprühten nahezu vor Spielfreude und auch das obligatorische Posing durfte bei dem 40-minütigen Black/Thrash-Feuerwerk aus zwanzig Jahren Bandgeschichte natürlich nicht fehlen. Als besonderes Schmankerl animierte Sänger Guido die Fans zu einem netten Ständchen anlässlich des „30.“ Geburtstags von Drummer Tormentor ;-)
Über VARG war in den vergangenen Monaten sehr kontrovers berichtet worden. Viele haben den Frontmann der Coburger Band, Philipp Seiler, als Antisemiten und Ausländerhasser bezeichnet. Tatsache ist, dass das erste Album der Band bei Heidenklangwerke erschien, einer Tochterfirma des rechtsextremen Wikinger Versand. Die Band versuchte jüngst von ihrem rechten Image los zu kommen. Das führte wohl dazu, dass VARG in der NSBM (National Socialist Black Metal)-Szene im Internet beschimpft wurden. Jedenfalls hat Nuklear Blast aufgrund der unklaren Situation einen Plattenvertrag mit der Band in letzter Sekunde platzen lassen. Insofern war es für uns interessant zu erfahren, wie sich die Coburger musikalisch schlagen würden. Nun denn, ideologisch haben sich VARG hier sicher nichts zu Schulden kommen lassen… die Pagan-Metal typische, rot-schwarze Bemalung fanden wir allerdings schon mal eher platt und abgedroschen, die Musik irgendwie glatt und wenig emotional. Auf uns wirkten VARG wie eine Art DIMMU BORGIR des Pagan Metal, unsympathisch professionell und mit Show-Effekten hochgejazzte Musik, die uns nie vom Hocker riss. Kein Wunder, dass die auch in Wacken spielen durften…
Völlig unkonventionell (und daher dem Gedanken des Underground für unseren Geschmack viel eher verhaftet) traten dann MANEGARM inklusive verrücktem Geiger auf. Den Sound der Schweden zu kategorisieren, fällt schwer. Irgendwo ist es eine Mischung aus Black Metal mit Folk-Elementen oder auch manchmal Pagan Metal mit Klassik-Elementen. Ganz merkwürdig. Jedenfalls wurde sich ohne Firlefanz ganz auf die Musik konzentriert, die viele Zuschauer in den Bann zog. Uns ebenfalls.
Voller Vorfreude warteten wir nun auf unseren „heimlichen Headliner“, NECROPHAGIST aus Karlsruhe. Deren extrem technischer Death Metal ist auf Konzerten und Festivals jedenfalls immer geeignet, um allen Anwesenden die Kinnlade runterklappen zu lassen. Nicht nur die instrumentalen Fähigkeiten der Musiker wissen vollends zu überzeugen, sondern auch die freigesetzte Energie und Aggressivität eines NECROPHAGIST-Auftritts ist immer wieder bemerkenswert. Die Hits des Über-Albums „Epitaph“ wurden fast ohne eine Miene zu verziehen, mit alles vernichtendem Sound und ekstatischer Durchschlagskraft in das weite Rund geballert. Einfach überwältigend! Und natürlich viel zu kurz.
Der von vielen Anwesenden lang erwartete Auftritt der norwegischen Black/Thrash-Legende AURA NOIR war schlichtweg genial. Zu lange hatte man auf die Darbietung der „Black Thrash Attack“ gewartet. Glückliche Gesichter so weit das Auge reichte! Zum völligen Kult avancierte der Gig dann, als Bandgründer Aggressor, der vor fünf Jahren einen schweren Unfall hatte und seitdem auf den Rollstuhl angewiesen ist, zur Überraschung selbst einiger Bandmitglieder, auf Krücken auf die Bühne kam und mit seinen alten Kumpanen den Song „Sons of Hades“ anstimmte. Da hat das Party.San mal wieder Geschichte geschrieben!
NAPALM DEATH beweisen nun schon seit Urzeiten, dass sich (linke) Gesellschaftskritik und extreme Musik keinesfalls ausschließen! Im Gegenteil, die energiegeladene Performance von Derwisch und Frontsau Barney sowie die knüppelharten Death Metal/Grindcore-Granaten der Engländer zelebrieren regelrecht die ganze, angestaute Wut auf Globalisierung und damit verbundene menschenverachtende Zustände, die sich hier unvergleichlich brutal entlädt. Da können sich so manche Hardcore-Jungspunde immer noch eine Scheibe von abschneiden. Musikalisch wurde ein Querschnitt durch die gesamte Karriere geboten, von „Scum“ über den kultigen Klassiker „Suffer the Children“ bis hin zu Songs des aktuellen Albums „Time waits for no Slave“ war alles vertreten, worauf der geneigte NAPALM-Fan nur gewartet hatte. Natürlich durfte auch das Statement schlechthin nicht fehlen: Barney rief: ‚Nazi-Punks‘ und das Publikum brüllte tausendfach zurück: ‚Fuck Off!‘ und ab ging es mit dem gleichnamigem Cover-Song der DEAD KENNEDYS. Auch dieser Auftritt war definitiv ein weiterer Höhepunkt des Festivals!
Eine der einflussreichsten Bands für die gesamte Death-Metal-Welt folgte mit den Brutalo-Amis SUFFOCATION. Mit Nackenbrechern wie „Liege of Inveracity“ vom legendären „Effigy of the Forgotten“-Album konnten wir uns keinen besseren Einstieg wünschen und so knüppelten und grunzten sich die Männer um Fronter Frank Mullen durch ein Set, das jederzeit hochklassig dargeboten wurde und angesichts des glasklaren Sounds aus den riesigen P.A.-Boxen mehrfach Gänsehaut verursachte. Brutal as fuck!
LOCK UP wurden von uns im Vorfeld unwissender Weise als „unbekannte Metalcore-Band“ angesehen und dann leider prompt verpasst. Dass sich hier Musiker wie Nick Barker und Thomas Lindberg im Grindcore austoben, haben wir erst hinterher erfahren. Schande über uns ;-)
Es ist ja immer schwierig, eine Band zu reviewen, die ein treues, großes Following hat, mit der man selber aber nie so recht warm werden konnte. So erging es uns mit CANNIBAL CORPSE. Für die meisten Party.San-Fans zählten die Songs von „Tomb of the Mutilated“ oder „Gallery of Suicide“ offenbar zu den Highlights des ganzen Sommers, für uns bildete der Auftritt jedoch leider nur einen (immerhin) sehenswerten Festivalabschluss. Die Stimmung war jedenfalls gigantisch und „Sänger“ Corpsegrinder hatte ganz sicher eine Menge Spaß an der Sache. Der Band war deutlich anzumerken, dass auch diese Superstars der Death Metal Szene nicht jeden Samstag ein Festival mit 10.000 Zuschauern headlinen und dass sie die Einladung des Party.San sehr zu schätzen wussten.
Fotos & Bericht: claudia k. & d. von junzt