abwaertsSchwarze Hemden mit „KfW“-Aufdruck!

Berlin, 15.10.2011 im SO36: Nach einer langen Sommerpause war es mal wieder so weit: Der Kreuzberger Club SO36 lockte mich mit zwei Bands in seine heiligen Hallen.
Der Laden hat mittlerweile seine Schallschutzmauer fertig gebaut. Aufgrund der Klagen eines einzigen Anwohners musste sie errichtet werden und hat dem Kult-Laden fast den Boden unter den Füssen weggezogen. Ein Club, der wie kein anderer Punkgeschichte in (West-)Berlin geschrieben hat. Nun steht aber alles und man kann auch wieder lauter aufdrehen. Lautstärke und brachialer Sound, das passt zu ABWÄRTS. Und da es 2012 mit den ÄRZTEN auf Tour geht, ist es wohl die letzte Chance, die Band um Frank Z. und ÄRZTE-Basser Rod zu sehen - für die nächste Zeit.
Als ich eine halbe Stunde nach Einlass den Club betrat, war alles wie früher. Auch wenn ich monatelang nicht da war, ist doch noch alles so, wie man es kennt und der Wohlfühlfaktor stieg mit jedem Schritt. Im Saal war noch nicht allzu viel los, so dass das erste Bier des Abends in Ruhe genossen werden konnte.
Es ist immer wieder lustig anzusehen, wenn gerade mal 100 Leute anwesend sind und die erste Reihe schon komplett vor der Bühne klebt. Man könnte sich ja auch bewegen oder noch was trinken, aber man kann auch eine Stunde eine leere Bühne anschauen. Seltsam. Nun ja, bei den ÄRZTEN ist es ähnlich, und immerhin spielt bei ABWÄRTS Rodrigo Gonzales, der wohl einige Fans zu den Konzerten dieser Punkband lockt.

electroboysBevor sie loslegten, gab es mit den ELEKTROBOYS eine Band, auf die ich mich gefreut habe. Deren Debütalbum aus 2005 rotiert immer mal wieder in meinem CD-Player und so war ich gespannt, wie sie ihre Songs live umsetzen werden. Da traten also drei gut gekleidete Männer kurz nach 21.00 Uhr auf die Bühne und legten los. Die erste Reihe war sofort begeistert. Doch keine ABWÄRTS-Fans? Gut und akkurat gekleidet, dann kommt man bei den Mädels an. Beim Punkkonzert? Vielleicht klappte das ja bei den Mädels, aber bei mir nicht. Die Musik war bis auf wenige Ausnahmen belanglos, die Texte kaum verständlich, weil zum einen das Mikro zu leise eingestellt war und nach der Hälfte der Spielzeit auch fies zerrte. Das kann natürlich der Grund gewesen sein, warum ich den Auftritt des Trios langweilig fand. Bei den ELEKTROBOYS sind die Texte wichtig. Da diese nun kaum verständlich waren, konnte man sich auf die Musik konzentrieren. Dabei fiel schnell auf, dass die Band nicht viel mehr als eingängigen und einfach gespielten Poppunk drauf hatte. Da konnte der Drummer noch so viel rumhampeln und faxen machen, er konnte den Gig auch nicht retten. Einzig erinnerte er mich damit an den Schlagzeuger der legendären YETI GIRLS. Das waren aber auch die besten Momente des Auftritts der ELEKTROBOYS. Also schon mal ein schöner Reinfall. Mal sehen ob ABWÄRTS den Abend noch retten können.



Zum Auftritt von ABWÄRTS waren schätzungsweise 450 - 500 Leute anwesend. Die Mischung war, wie bei deren letzten Konzerten auch, sehr interessant: Altpunks, junge Punks, ÄRZTE-Fans und Normalos verschiedenen Alters. Schön ist auf jeden Fall, dass sich auch jüngere Leute für ABWÄRTS interessieren. Fakt ist, dass die Band auch an diesem Abend ihren, seit der Scheibe „NuProp“ bekannten, Industrial-Punk mit eingespielten Samples durch die Boxen ballerte. Der Sound war extrem gut, was einfach auch zeigt, dass das SO36 eine super Ton-Mannschaft hat. Die Band kam in schwarzen Hemden mit „KfW“-Aufdruck auf die Bühne. Ein schöner Seitenhieb auf die ganze Bankenkrise. Ausgeschrieben heißt KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau. Herrlich, so eine intelligente Spitze!
Das Publikum stand bei den ersten Songs von ABWÄRTS recht statisch rum. Es gab zwar hier und da ein paar kleine Bewegungen zu vermelden, aber Pogo war das nicht. So sollte es auch den Abend lang bleiben. Trotz guter Stimmung war Action nicht so das Ding dieses Konzertes. Die Band spielte größtenteils Songs ihrer letzten drei Scheiben. Von den ersten sechs Liedern waren gleich drei neue dabei. Sie waren ok, hauten mich aber nicht vom Hocker, außer das wirklich großartige „Ich habe heut ein Scheißgefühl“. Der Auftritt wirkte insgesamt etwas lahm. Es war kaum Interaktion innerhalb der Band und auch die Fans wurden selten direkt angesprochen. Lag es daran, dass es das Tourabschlusskonzert und die Band kaputt war? Oder hatten sie in Hamburg, wo sie am Tag davor spielten, zu lange gefeiert? Als Heimatstadt von Frank Z. nicht ganz unwahrscheinlich.
Highlights des Abends waren neben den Songs „Zonenzombie“, „Terrorbeat“ (mit den Samples vom Album), „Abwärts und nicht vergessen“ natürlich der Hit von ABWÄRTS, nämlich das geliebte „Computerstaat“.
Es war ein gutes Konzert einer Band, die immer noch wichtig ist und die mit „Europa Safe“ eine neue Scheibe rausgebracht hat, die mal wieder den Finger schön tief in die Wunde legt.