"Ich sage Mega! Ihr sagt Deth"
Berlin / 10.2.2008 im Huxley's Neue Welt: Werden MEGADETH an frühere, überragende Livequalitäten der 90er Jahre anknüpfen können? Spielen sie auch Songs der ersten drei Alben? Wie werden Dave Mustaine und seine aktuelle Truppe auf der Bühne wirken? Fragen über Fragen beschäftigen mich im Vorfeld des Gastspiels der legendären Thrasher aus San Francisco. Die Antworten werden folgen, doch erst einmal gehört die Bühne zwei Supportbands.
Da in Berlin vor 20 Uhr kaum ein Fan eine Konzerthalle oder einen Club betritt, ist es nicht verwunderlich, dass sich EVILE leider vor einer sehr übersichtlichen Zuschauermenge beweisen müssen. In den ersten Reihen sichte ich EVILE-Leibchen tragende Anhänger, doch überschäumende Reaktionen im Publikum bleiben aus. Die jungen Musiker aus Großbritannien beherrschen ihre Instrumente, schmettern fette Gitarrenwände ins Huxley’s, flitzen über die Bühne und lassen ihre Matten wie wild kreisen. EVILE spielen sehr solide und orientieren sich dabei stark an ihren Vorbildern. Eine Spur zu stark, denn die 763. SLAYER-Kopie ist trotz des derzeitigen Thrash Metal-Revivals irgendwann langweilig.
MERCENARY haben in der Vergangenheit viel Lob für ihre Live-Darbietungen ihres schnellen, melodiösen Metals mit Keyboards bekommen. Doch dieser ist wohl nicht ihr Tag. Der Funke will das Feuer im Publikum einfach nicht entfachen. Ein beachtlicher Teil der Zuschauer verzieht sich in die hintere Hallenhälfte oder in den Vorraum zum Rauchen. Sänger Mikkel springt energiegeladen über die Bühne, kommuniziert mit dem Publikum sogar auf Deutsch, doch das Feedback hält sich in Grenzen. Mit seinem Gesang erinnert Mikkel stark an Bruce Dickinson, an dessen stimmliche Qualitäten er jedoch nicht heranreicht. Mitrufspielchen á la ‚Ich sage Mega! Ihr sagt Deth!’ stoßen nur auf ein zartes Echo. Wie sagte ein Zuschauer im Vorbeigehen?: ‚Wann sind die endlich fertig?!’. Die derberen Sprüche erspare ich mir an dieser Stelle.
Das Feuerwerk ist eröffnet! Ein Feuerwerk aus Lichtspielen, Stroboskopen, präzisen Riffsalven und wuchtigen Drums wird mit dem brandneuen Opener „Sleepwalker“ für die folgenden anderthalb Stunden auf die frenetisch jubelnden Fans abgeschossen. Diese saugen förmlich alles auf, was von der Bühne gereicht wird und geben diese Energie in Form von Rufen, Schreien, Singen, Pommesgabeln, Bangen geballt zurück. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein. Sänger Dave Mustaine präsentiert sich fit wie ein Turnschuh sowohl körperlich, mit altbekannter Haltung, Mimik und Gestik, wie auch mit seiner unverwechselbaren, teils knarzigen Stimme. Als einzig verbliebenes Gründungsmitglied von MEGADETH harmoniert er perfekt mit seinen neuen Kollegen, es scheint als hätten sie nie in einer anderen Band gespielt. Das messerscharf abgestimmte Zusammenspiel der Gitarrenfraktion mit einem extrem druckvollen Sound ist atemberaubend. Neben meist groovigen, rock’n’rolligen Songs der aktuellen Veröffentlichung „United Abominations“ gibt es einen musikalischen Rückblick mit Songs wie „Peace Sells“, „Hangar 18“ oder dem frenetisch bejubelten „Countdown To Extinction“. Fans der ersten Stunde kommen heute Abend leider ein wenig zu kurz, denn die Setlist enthält keinen Song von „Killing Is My Business…“. Ein Großteil der Anhänger zeigt sich sehr textsicher, so dass Dave oft seine Stimmbänder schonen kann. Am Ende der bombastischen Megamania kann ich Mastermind Mustaine mit Sicherheit attestieren, dass er im Vergleich zu seinen Kollegen aus den Anfangstagen des Thrash Metals sich und seinen musikalischen Wurzeln treu geblieben ist.