wobbleleveneMETAL BOX IN DUB

 

18. Juni 2012, VOLKSBÜHNE Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz: Jah Wobble und Keith Levene, die zusammen mit Ex-SEX PISTOLS John „Johnny Rotten“ Lydon und einer schier endlosen, immer wieder wechselnden Reihe von Schlagzeugern nach dem furiosen Ende der Band sich als PUBLIC IMAGE LIMITED zusammenfanden und bereits 1978 das bahnbrechende Debütalbum „First Issue“ veröffentlichten, zeigten schon damals, dass sämtliche Beteiligten das Format “PunkRock“ verlassen hatten, um sich neuen musikalischen Formen zu öffnen. Weg von den klassischen Rock’n’Roll-Klischees wie Songstrukturen, Veröffentlichungen, Präsentation in Öffentlichkeit und Medien, aber auch vom eigenen Selbstverständnis, sowohl als individueller Musiker, wie auch als

Band. Dies sollte in der späteren Entwicklung dazu führen, dass die Band nicht als solche auftrat, sondern als Firma. Und von der Urbesetzung blieb relativ schnell nur noch John Lydon übrig...

 

1979: Noch waren Lydon, Wobble und Levene Teile des äußerst fragilen Bandgefüges, veröffentlichten P/I/L ihr zweites Werk, bekannt als „Metal Box“. Sowohl musikalisch wie auch optisch, wurden dort sämtliche Vermarktungsstrategien der Plattenfirma Virgin zugunsten des künstlerischen Anspruchs über Bord geworfen. Auf drei 12“-Singles fanden sich Stücke, die geprägt sind von schweren Basslinien, Levenes kreischiger Gitarre, monotonem Schlagzeug, experimentellen Sounds und natürlich John Lydons unverwechselbarer Stimme, die dieser noch unkonventioneller einsetzt. Verpackt wurde die Erstauflage (5.000 Stück – spätere Auflagen erschienen als Doppelalbum „Second Edition“) aller drei Maxi-Singles in einem Aluminium-Container, der optisch an eine Filmdose angelehnt war. Mittlerweile gilt sie durch Klassiker wie „Death Disco“, „PopTones“, „Careering“ oder „Bad Baby“ als Meilenstein der experimentellen, elektronischen Musik bzw. als Wegbereiter des PostPunk.

30 Jahre nach Veröffentlichung von „Metal Box“ haben Wobble und Levene wieder zusammengefunden, um Anfang 2012 eine Maxi-EP zu veröffentlichen. Trotz der aktuellen Brisanz und dem Ruf der Originalband blieb diese weitestgehend unbemerkt. Gegenwind schlug den beiden vor allem von Seiten John Lydons entgegen, der zeitgleich unter dem Banner von P/I/L brandneues Material herausbrachte und flächendeckend tourte: ‚Wobble had the opportunity to come back and work with us, but [money differences made] it impractical. It’s very unfair of him, and it was a shock to me. He’s behaving very silly…. Bear in mind, when I started PiL, nobody in the world knew any of them people. I gave them careers.’ (John Lydon, Interview w/Los Angeles Times)1*)

Fast pünktlich, betraten Schlagzeuger Marc Leyton Bennett und Jah Wobble die Bühne der spärlich gefüllten Volksbühne, und begannen sofort, Klangteppiche, geprägt vom typischen Heavy-Dub aber auch industriellen Rhythmen, auszulegen. Während sich Mr. Wobble bequem auf einem Stuhl am Bühnenrand plazierte2*), tritt wenige Minuten später Trompeter Sean Corby dazu um markante Jazzelemente einzuwerfen. Diese durchaus eindrucksvolle Improvisation dauert nur wenige Minuten, bis das zweite P/I/L-Originalmitglied Keith Levene auf die Bühne schlurft und beginnt, seine typischen kreischenden und scharfzackigen Gitarrenriffs abzufeuern, die die Band so unverwechselbar machten. Dies ist auch der Startschuss für das, was diesem Abend den Namen gegeben hat: die „Metal Box“! Ergänzt durch Nathan Maverick (zu Beginn noch mit Tiermaske!), seines Zeichens auch Sänger Johnny Rotter der Coverband THE SEX PISTOLS EXPERIENCE und somit fach- und sangeskundiger Über-Fan beider Bands, begann der wummerige Ritt durch sämtlich Songs der Scheibe. Während das Original, sowohl auf Platte wie auch auf frühen Liveaufnahmen, noch blechern, wütend und monoton klingt, schaffen es Wobble und Levene dem zugrunde liegenden Material, das bereits damals der Inbegriff des ‚absolut schlechtlaunigen Rocks‘ war, eine Fülle zu geben. Diese vereint sämtliche Einflüsse (Experimental, Krautrock, Dub, aber auch spätere wie der Jazz à la Miles Davis) wunderbar  und ermöglicht ihnen damit den Sprung ins dritte Jahrtausend ohne antiquiert oder rückständig zu klingen. Wunderbar zeitlos windet sich die Band durch die komplexen und massiven Soundstrukturen von „Swan Lake“ (aka „Death Disco“), „Albatross“, „Memories“, „Poptones“ und so weiter, um dabei weit unverkrampfter und bei weitem nicht mehr ganz so deprimierend wie anno 1978 zu klingen. Lediglich bei der Zugabe „Public Image“ vom Debüt „First Issue“ wird der positive Gesamteindruck dieses Abends geschmälert. Genau hier stellt sich heraus, dass es sich bei Sänger Nathan Maverick um einen Johnny Rotten / Lydon-Imitator handelt, eine Tatsache, die während „Metal Box In Dub“ keinerlei Rolle spielte.

 

1*) ‚Wobble hatte die Chance zurückzukehren und mit uns zu arbeiten, aber finanzielle Differenzen machten es unmöglich. Er benimmt sich sehr kindisch... Vergesst nicht, als ich PiL gründete, kannte ihn niemand auf der Welt. Er verdankt mir die Karriere.‘ (John Lydon, Interview mit der Los Angeles Times)

2*) Bereits im allerersten P/I/L-Video „Public Image“ von 1978 sitzt er auf einem ausrangierten Friseurstuhl und begründet diesen Umstand seitdem mit dem Gewicht seines Instruments... Mittlerweile ist dies wohl eher auf das fortgeschrittene Alter des Gentlemans und die damit verbundene eigene Gewichtszunahme und Fülle zurückzuführen!