Ventilator from Hell
In der Arena des Backstage versammelte sich an diesem Abend ein höllisch gutes Lineup aus Großmeistern des Black und Death Metal. Die Fans reihten sich darum vor dem Venue in einer ewig langen Schlange ein.
INQUISITION fegten mit deutscher Pünktlichkeit drauf los. Die ersten Headbanger verteilten mit ihren kreisenden Matten sogleich Shampoo-Duft in allen Variationen. Das Duo zockte schlichte, aber kräftige Tracks und bewegte sich geisterhaft im blauen Scheinwerferlicht. Hypnotisch! Bei den Blastbeats hüpfte Drummer Incubus allerdings auf dem Hocker herum wie ein unerfahrener Reiter auf einem störrischen Gaul. Seiner Spielpräzision tat das zum Glück keinen Abbruch.
Bei den Veteranen von ENTOMBED wurde der Moshpit buchstäblich zu einer Grube, in der die Metal-Matadore gegeneinander antraten. Mit dem oldschooligen Death Metal fiel die Band an diesem schwarzstählernen Abend zwar etwas aus der Rolle, doch die Herren lockerten die Stimmung mit Klassikern wie „I For an Eye“ oder „Left Hand Path“ mächtig auf. So gab es dann auch die ersten Crowdsurfer – immer wieder schön, wenn diese versehentlich jemandem das Smartphone aus der Hand kicken, der meinte, er müsse das ganze Konzert aus dem Moshpit heraus filmen.
Im Hintergrund thronte bereits das Drumset von BEHEMOTH´s Inferno unter einem Unheil verkündenden schwarzen Tuch. Man bekommt das Gefühl, das Monster darunter atme.
ABBATH war ebenfalls ein großes Highlight. Das Projekt des ehemaligen IMMORTAL-Frontmannes kommt mit komplett neuer Besetzung daher. Seine Show war nicht so spaßbefreit, wie es seine alten Musikvideos vermuten lassen. Im Gegenteil: Er bewies viel Humor bei seinen Ansagen zwischen den Tracks. Sein legendärer Corpsepaint durchstach die Arena, wenn er sich mit der Gitarre vornüber beugte. Auch die Songs waren abwechslungsreich arrangiert und die Blastbeats des Drummers mit der Ziegenmaske haben ordentlich gekracht. Lediglich der dürre Leadgitarrist wirkte mit seinem halbherzigen Corpsepaint etwas deplatziert. Merkwürdig war, dass nach diesem starken Auftritt niemand im Publikum eine Zugabe forderte. Wenigstens war ABBATH konsequent und gab kein Stück mehr zum Besten.
Als zusätzliches Erlebnis sollte die Ausstellung der Künstlerin „Toxic Vision“ dienen, die seit Jahren eng mit BEHEMOTH zusammenarbeitet. Unter anderem entwarf sie Bühnenoutfits, Requisiten und wirkte an den Musikvideos mit – somit ist sie ein wichtiger Faktor im Gesamtkonzept der Band. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an „The Congregation“, wie sich die Ausstellung nannte. Nur zwei Personen durften zugleich in das winzige Schamanenzelt gehen, die lange Wartezeit vor dem eisernen Torbogen erhöhte die Spannung.
In dem Zelt stand jedoch lediglich ein kleiner, zusammengeschweißter Altar mit Kerzen und Weihrauch, außen herum vier gruselig verkleidete Puppen, die locker aus einem BEHEMOTH-Video stammen könnten. Zunächst fühlte ich mich unbeobachtet, bis ich im Dunkel hinter dem Altar ein Augenpaar wahrnahm. Da saß eine Frau, komplett schwarz angemalt, finster schimmernd. Offenbar war es die Künstlerin selbst, Sharon Ehman. Von da an fühlte es sich bizarr an, wie ein Museumsbesucher die leblosen Figuren zu mustern. Ich traute mich nicht recht, an der Frau vorbeizugehen. Der Kerl, der mit mir im Zelt war, hatte diese Scheu nicht: Er näherte sich ihr und gab ihr demütig einen Handkuss. Sie streckte ihre warme Hand nach mir aus und ich verbeugte mich ebenfalls. Es war eine bizarre Situation und eine gelungene Erfahrung. Allerdings ist der Preis von zehn Euro dafür viel zu hoch angesetzt. Schade war auch, dass man keine originalen Requisiten von BEHEMOTH sehen konnte, wie die Metallmasken von „Demigod“ oder „The Apostasy“ – oder vielleicht ein paar der brillanten Klamottendesigns, die „Toxic Vision“ auf Ihrer Website anbietet.
BEHEMOTH selbst hatten an diesem Abend leider wenig Glück. Pfeifendes Mikro, Summgeräusche mitten in den Breaks und die totale Krönung: Stromausfall. Nur noch das trockene Schlagzeug rumpelte ein paar Sekunden weiter. Wer war der Übeltäter? Ein kleiner Ventilator. Offenbar wurde durch die Pyro dessen Kabel angeschmort und so ein Kurzschluss ausgelöst. Es war überraschend, wie schnell die Crew den Fehler ausfindig machte und die Show weiterging. In den letzten zehn Jahren habe ich Nergal noch nie derart erschrocken und hilflos auf der Bühne stehen sehen. Das zerstörte nicht nur die Stimmung im Saal, sondern auch die Illusion der Unbezwingbarkeit dieser übermächtigen Band. Äußerst bitter.
Das aktuelle Album „The Satanist“ ist zwar nicht das Beste von BEHEMOTH, aber zweifelsohne das atmosphärischste und daher super dafür geeignet, komplett live gespielt zu werden. Schon die Eröffnung mit dem legendären „Blow Your Trumpets Gabriel“ erzeugte einen mystischen Sog, der alles mit sich riss. Bassist Orion stampfte über die Bühne, während er mit seinen Fingern die Saiten schredderte. Sein Oberkörper hat die Ausmaße eines Eichenfasses und wirkt extrem bedrohlich, wenn er sich von der Bühne aus über die Fans beugt. Nergal wiederum ist der perfekte Showmaster und beherrscht sein Repertoire, wenn er mit Fackeln auf die Bühne schwebt, die Fans zum Schreien motiviert oder am Ende eines Songs wie Batman in einer Rauchfontäne verschwindet. Auch der Abschluss mit dem bleischweren „O Father, O Satan, O Sun!“ war erneut sehr gelungen, als die gruseligen Lichtprojektionen über die starren Masken der Band wanderten.
Das Set von BEHEMOTH war jedoch leider zu kurz. „The Satanist“ hat mit Pausen eine Laufzeit von 50 Minuten, im Anschluss spielten sie noch vier Klassiker, darunter „Antichristian Phenomenon“ und „Conquer All“. Von den Alben „Zos Kia Cultus“, „Evangelion“ und „The Apostasy“ war keine Spur. Im Vergleich zu anderen Gigs von BEHEMOTH war dieser daher einer der schwächeren, obwohl das technische Niveau freilich so hoch wie immer war.