"Szene-Typen drehen sich wahrscheinlich im Grabe um, aber für uns ist es genau das, wo der Spaß anfängt“
Berlin: Das aktuelle und dritte Album „Black Musik“ der Münsteraner Band GHOST OF
TOM JOAD ist bei veränderungsresistenten Plattenkritikern erstmal durchgefallen. Damals war alles besser, so der Tenor, das Debüt-Album „No Sleep Until Ostkreuz“ (2008) war noch ungestümer Punk und jetzt seien sie Indiepop, der allenfalls zur Kaffeefahrt animiert. „Black Musik“ ist anders als seine zwei Vorgänger, na und?
Ich traf Sänger Henrik Roger vor dem Konzert im Privatclub in Berlin. Mit ihrer ursprünglichen Formation von Gitarre, Schlagzeug und Bass haben GHOST OF TOM JOAD sich durch ihr Debüt-Album und danach „Matterhorn“ (2009) geschrammelt. Auf der dritten Scheibe sollte sich etwas ändern. In der Single „Into The Wild“ von 2009 sang Roger, ansonsten nur auf Englisch, auch ein paar deutsche Zeilen, die sich sehr gut machten. Und es wurde überlegt, öfter mal deutschsprachige Passagen in die Songs zu integrieren. Umgesetzt wurde die Idee auf dem neuen Album dann doch nicht: „Im Prinzip war das mit dem Sprachenwechsel ein Spaß für uns. Und jetzt ist der Spaß auf der ‘Black Musik‘-Platte, dass wir gesagt haben, nein, wir limitieren uns nicht. Eigentlich sind wir eine Punkband, und im im klassischen Punk gibt’s ganz viele No-Gos, und ganz viele Szene-Typen drehen sich wahrscheinlich im Grabe um. Aber irgendwie ist es für uns genau das, wo der Spaß anfängt: einfach Sachen zu machen, bei denen wir denken, damit stößt man vielleicht Leute vor den Kopf. Für uns ist diese ganze Platte eigentlich ein Quertreiber.“
Das Album schlägt musikalisch aus der Art, doch die Überraschung muss nicht in Ablehnung umschlagen, wenn man sich darauf einlässt. Im Vorbeigehen sollte es nicht gehört werden, es lädt ein zum Innehalten und Kopfhöreraufsetzen, um auch wirklich jede Nuance mitzubekommen. Die Synthesizer-Experimente sind zielsicher eingesetzt, bereichern die Songs und geben ihnen eine andere Dynamik im Vergleich zu den zwei Vorgängeralben. Textlich wurde Henrik Roger diesmal stark von Nina Simone und anderen Soul-Musikern beeinflusst.
Produzent Dennis Schneider, früher bei der Band MUFF POTTER betreibt das Richard-Mohlmann-Label, wo auch „Black Musik“ erschienen ist. Ihn hat es als Münsteraner schon nach Berlin verschlagen, GHOST OF TOM JOAD überlegen noch. Münster ist für sie die Basis, ein vertrauter Fluchtpunkt, sie sind dort aufgewachsen und haben 2006 die Band gegründet: „Ich finde in Münster so super, dass die Leute, die tatsächlich noch da sind und Musik machen, ihren eigenen Stiefel durchziehen. Das ist so ein verschworenes kleines Grüppchen - was auf der einen Seite total schön ist, weil sich dadurch alle Leute kennen und es viele Läden gibt, wo man sich treffen kann. Aber das ist natürlich auch ein Nachteil, weil es sehr wenig Impulse von außen gibt. Etwas Neues zu starten ist in Münster echt schwierig, da die Leute alle schon so sehr festgefahren sind.“
GHOST OF TOM JOAD haben sich aus der Routine befreit, die sich einstellt, wenn man jedes Jahr ein Album rausbringt, im Proberaum rumhängt und auf Tour ist. Eine Großzahl der Songs für das „Black Musik“-Album haben sie verworfen, bevor sich alles richtig anfühlte und alle damit zufrieden waren. Diesen Sommer spielen sie auf Festivals und im Herbst, so Roger lachend, „werden wir sicherlich auch neue Songs schreiben, zusammen im Proberaum abhängen und neue Musik machen. Wir verraten aber noch nicht, was für Musik es diesmal wird.“