BerndWitthueserBei „Nimm einen Joint mein Freund“ verdunkelte sich der Himmel

Als sich in den 1970er Jahren die deutschen Musiker vom amerikanischem ‚Yeah, Yeah‘ (W. Ulbricht) befreiten, mischte ganz vorne das Duo WITTHÜSER & WESTRUPP mit. Bis heute legendär sind ihre Alben über Joints, Jesuspilze und ihren Vermieter Bauer Plath. Westrupp ist abgetaucht, aber Bernd Witthüser

tourt durch die Welt und macht immer wieder Station beim wunderbaren Burg-Herzberg-Festival. Wir sprachen mit dem Elektriker, Protestsänger und ewig Reisenden.

 

 

WAHRSCHAUER: Deine Musik findet in den Medien nicht statt, manch Einwohner kann mit dem Begriff Krautrock gar nichts anfangen. Meine Tochter antwortete zum Beispiel, als ich sie befragte, ob sie sich das Burg-Herzberg-Festival so vorgestellt hat, wie sie es erleben konnte: „Ich dachte eher an so Hippiezeugs wie „Am Tag als Conny Kramer starb“.

Bernd Witthüser: Wenn die Sängerin von „Am Tag als Conny Kramer starb" damals bei mir und nicht bei Peter Bursch Gitarrenunterricht bekommen hätte, wäre sie wohl besser drauf gekommen!

W: Irgendwann hat man Westrupp und dich in das Fach Krautrock gesteckt, wie würdest Du diese Musik bezeichnen?

BW: Krautrock war, wie Renate Krötenschwanz von den AMON DÜÜL schon sagte: aus Germania kommender gebröselter Rock.

W: War es das, was WITTHÜSER & WESTRUPP gespielt haben?

BW: Ne, WITTHÜSER & WESTRUPP haben absolut keinen Krautrock gespielt, mehr Krautfolk oder später Cosmickrautfolk oder so was.

W: Wie kam das Duo WITTHÜSER & WESTRUPP zusammen?

BW: Ich war bereits seit einigen Jahren als Protestsänger (des Ruhrgebiets) unterwegs, hatte Texte von Thomas Rother vertont und gesungen, bin aber nicht so ganz glücklich dabei gewesen. 1968 passierten die Essener Songtage, wo ich aufgetreten bin und in der Organisation beschäftigt war. Dann sah ich diese ganzen tollen Musiker auf dem Festival und beschloss umgehend einen neuen Weg zu gehen. Westrupp und ich arbeiteten damals in einer Kneipe in Essen, er als Diskjockey, ich als Kellner und musikalischer Direktor. Ich fragte Westrupp; ob er mitmachen wollte, mit seinem ‚Ja‘ fing alles an.

W: Seid ihr in das ganze Krautrock-Gewese hineingerutscht?

BW: Unsere Plattenfirma hat uns sicherlich in diese Ecke gerückt. Man hatte zuerst die Idee uns zu so etwas wie T-REX aufzubauen. Mit uns zwei Querköpfen ging das aber gar nicht.

W: Liedermacher passt doch eher, zumal Du heute als solcher durch die Welt tourst.

BW: Noch eher bin ich ein Liederverwurster.

W: Seid ihr ohne Vorzeichen ans Musik machen gegangen, oder hatte WITTHÜSER & WESTRUPP Idole?

BW: Vorbilder hat man immer. Ganz früher, als ich in einer Skiffle Group spielte, hieß mein Idol Lonny Donegan, dann tauchten Bob Dylan auf und Dieter Süverkrüpp. Bei WITTHÜSER & WESTRUPP drehte es sich um die INCREDIBLE STRING BAND und um INSTERBURG & CO.

W: Ihr geltet als Erfinder der „Teebeutel-Hochhebemaschine“. Was ist das für ein Gerät? Existiert es noch?

BW: Diese Vorrichtung verwandelte eine Drehbewegung in eine Auf- und Abbewegung. Ein Teebeutel hing an einem Haken und wurde durch kurbeln in eine Tasse mit heißem Wasser ein- und ausgetaucht. Teeästheten gehen jedoch davon aus, dass der Teebeutel einmal im heißen Wasser liegend nicht mehr bewegt werden darf, da des Tees Kraft sich nur so frei und voll entfalten kann. So geschah es leider, dass dieses urige Maschinchen nicht seinen Platz auf dem Markt erobern konnte. Ich glaube, Westrupp hat noch ein Exemplar. Wobei immer noch nicht geklärt ist, wer der eigentliche Urheber ist.

W: Manche eurer Texte sind schön verworren. Zitat: ‚Die sieben Erzengel bringen uns unsere ewigen Joints, gemeinsam schweben wir zu den immer grünen Liebewesen und stimmen ein in den Lobgesang der Engel auf Lordy Drug‘. Konnte man solche Zeilen im normalen Zustand entwickeln?

BW: Auf keinen Fall. Man muss sich frei schwebend in einem unnormalen Zustand befinden, dann in eine epileptische Umlaufbahn um sich selbst übergehen und am Ende versuchen, sich an das Erlebte zu erinnern und dieses ganz schnell zu Papier bringen.

W: Welche Mittel kamen zum Einsatz?

BW: Ein Eid verbietet es mir hier Details zu nennen!

W: Und stehst Du noch voll hinter euren ganzen Liedern?

BW: Ich habe da nie so richtig dahinter gestanden, mehr drauf. Zumal ich das alles sehr ironisch, satirisch aufgefasst habe. Heute sehe ich die Lieder mehr als eine Erinnerung an eine wunderbare Epoche meines Lebens.

W: Wie war das mit den anderen Bands dieser Zeit? Wenn man heute manch Platte von mittlerweile vergessenen Gruppen anhören will, gehört viel Mut dazu, denn es klingt einfach schlecht. Wurde irgendwann alles genommen, um auf der Krautwelle zu schwimmen?

BW: Es gab damals nicht diese ganzen technischen Hilfsmittelchen im Studio, wie Soundkorrektur oder Stimmverbesserer, und weiß der Henker was die alles machen (können). Ich glaube, wenn du den heutigen Gruppen die Technik wegnehmen würdest, würde ein großer Teil der Musik wieder scheiße klingen.

W: Warum tauchen auf heutigen Samplern sogar Lindenberg, RATTLES und die SCORPIONS auf?

BW: Wird wohl nicht mehr lange dauern, dann kommen Freddy, Heino und Konsorten auch noch dazu.

W: Die Religion spielte bei WITTHÜSER & WESTRUPP eine große Rolle, wobei es dabei weniger um die Kirche ging, sondern um „Gebrösel“ und andere wichtige Substanzen. Da gibt es das Album „Der Jesuspilz – Musik vom Evangelium“, mit dem ihr sogar durch Kirchen touren konntet. Wurden dabei eure Neuinterpretationen (statt Wasser, Erde und Luft nahmt ihr Gebrösel) überhört oder war die Kirche damals auch auf dem Trip?

BW: In Deutschland lief die Jesuswelle an und dabei tauchte das Buch „Geheimkult der heiligen Pilze“ auf, oder so, worin der Autor meinte, dass die Urchristen sich an geheimen Plätzen trafen und gemeinsam Fliegenpilze einpfiffen und auf den Trip gingen. Es war deren Gottesdienst und dabei symbolisierte das Kreuz den Fliegenpilz. Wenn dieser Rausch nach 2 oder 3 Tagen endete, kam die Wiederauferstehung. Wir arbeiteten die Bibel auf  der Bröselbasis um und heraus kam „Der Jesuspilz“. Die Plattenfirma hatte eine mordsmäßige Pressekampagne angeleiert. Da das Ding ein wenig esoterisiert und nicht richtig ausgereift war, gab es jede Menge Verrisse. Irgendwie bekam die Kirche mit, dass da etwas mit moderner Musik und Kirche lief und nutzte die Chance, um ihre Buden wieder voll zu kriegen. Sogar der Sender Vatikan berichtete darüber.

W: „Bauer Plath“, aufgenommen 1972, beschäftigt sich mit Tolkiens „Herr der Ringe“. Ihr ward der Zeit voraus.

BW: Wir waren nach Dill im Hunsrück auf einen Bauernhof gezogen und fingen an, an der neuen Platte zu arbeiten. Dabei lag das Buch „Der Herr der Ringe“ auf dem Tisch und inspirierte kräftig. Aus der Schweiz kam Sergius Golowin hinzu, Spezialist für Märchen und große Zusammenhänge. Es tauchten weitere Musiker auf und wir entwickelten nach und nach das Konzept. Der Song „Der Rat der Motten“ zum Beispiel entstand eines Abends bei Kerzenlicht im Wohnzimmer. Das Fenster stand offen und herein flogen Motten, die das Kerzenlicht umschwirrten und schließlich in der Flamme landeten. So einfach gehen manchmal Lieder. Kommerziell war das Album nicht so schlecht, allerdings: So richtig verdienen konnten nur die Verlage. Immerhin kommt selbst jetzt noch manchmal was an Tantiemen rüber, falls einer sich an mich erinnert.

W: Nach Woodstock liefen es in den komischsten Städten Deutschlands Open Air Veranstaltungen. Fehmarn wird Dir dabei wohl unvergesslich bleiben: Ihr kamt kurzfristig, es regnete und wurdet mehr gefeiert als Jimi Hendrix. Wie hast Du diese Tage erlebt?

BW: Der Manager Kaiser hatte mitten in der Nacht angerufen, dass wir nach Fehmarn fahren sollen, dort ging das Fehmarn Festival mit Hendrix, SLY AND FAMILY, FACES, die SCHERBEN, Fotzmann Jones über die Bühne. Kein fester Gig für uns, mehr so eine standby Geschichte, aber immerhin: Spritkostenerstattung, freier Eintritt, frei parken, frei zelten und 10 Flensburger.

Der Daimler war noch einmal angesprungen, obwohl die Batterie ziemlich am Ende war. Mit dabei: Theodore Arsdonk, die stetig Fingernägel säubernde Begleitperson. Wir pennten im Auto, Arsdonk hingegen im kleinen Beizelt. Früh werde ich wach:„Beand! Beand!“ tönt es aus dem Zelt, „bring Tempos, ist sich alles auffe Hand gegangen“.

Frohen Mutes fahren wir schließlich nach Norden. Im Schlamm steckende Autos überall, und grimmige Nordbären. Am nächsten Morgen das gleiche Bild, nur noch schlimmer: dicke, dunkle Wolken in greifbarer Nähe, trotzdem gute Stimmung. Hendrix, der als Erster auftreten sollte, kam nicht und kam nicht und kam nicht. Es flogen mittlerweile Treibholz, Bierkannen und anderes unspezifiziertes Material in Richtung Bühne. Dann kam einer von der Organisation und suchte Musiker, die sich auf die Bühne trauten, sozusagen als Vorgruppe von Hendrix. Ich sah Westrupp an und er mich und wir beide nickend den Organisator. Der rief gleich: „Macht hin, ihr seid dran. Aber auf eigene Gefahr“. Wir hin zum tief im Schlamm steckenden Daimler und das ganze Technikzeugs auf die von allen Göttinnen verlassene Bühne schleppen, immer wieder vorbeisausendem Treibholz ausweichen, kurz den Sound checken und auf geht der Himmel. Ich schwöre es: Die Sonne kommt durch. ‚Wie heißt ihr?‘, höre ich es rufen. Ich hatte es vor Aufregung vergessen und rief zurück: ‚Bröselmann, und wir spielen gleich „Nimm einen Joint mein Freund‘. Und siehe: Der Himmel verdunkelte sich wieder. Von tausenden Joints wehte der Rauch zu uns über die Bühne. Alles klar und wunderbar! Wie wir das Lied vom Flipper spielen, sehe ich denselben Delphin sich drüben in der Ostsee tummeln, sogar mit Morgenlatte.

Irgendwann nach dem Konzert kommt ein Bauer mit seinem Traktor und zieht den Daimler aus dem Schlamm. Den Bruder dieses Bauern sollte ich später im Hunsrück kennen lernen, der hieß Plath, Bauer Plath. Es stellte sich nach dem Konzert heraus, dass die Lichtmaschine im Arsch war. So fuhren wir energiesparend, mit Standlicht, ohne Bremslichter, Blinker oder Anlasser zurück nach Essen.

W: Als es die kleine DDR noch gab, hatte ich keine Chance auf Schallplatten mit eurer Musik. So richtig kam ich auf den Dreh, gleich nach der Wende. Nun habe ich mir schon Vieles besorgt: Alben von WITTHÜSER & WESTRUPP,  KRAFTWERK, GURU GURU, CAN, KRAAN, HÖLDERLIN, NOVALIS. Was empfiehlst Du Neueinsteigern, von wem sollen sie die Finger lassen?

BW: Auf jeden Fall überall mal rein hören, irgendetwas ist immer!

W: 1973 habt Ihr euch getrennt.

BW: Ich war ziemlich fertig, einer von den 2000 Trips muss wohl schlecht gewesen sein und Walter zog es nach Essen zur Mutti.

W: Du bist etwas untergegangen. Erst jetzt nimmt man Bernd Witthüser wieder richtig wahr, besonders beim Burg-Herzberg-Festival.

BW: Ich war nicht untergegangen, sondern weg. Hatte einen langen Trip nach Indien unternommen, war dort auf die Idee gekommen Straßenmusik zu machen. Zurück in Berlin baute ich Instrumente und bin damit auf den Kurfürstendamm Es ging sofort gut los. Von dieser Musik konnte ich gut leben und spielte nur noch was und wann ich wollte. Gewohnt habe ich im Auto. 1977 spielte ich mit einem Kollegen in Italien auf einem Dorffest. Ein Fernsehjournalist entdeckte uns und brachte uns ins Fernsehen. Wir wurden in Italien rasch berühmt. Nach einigen Monaten hatte ich keinen Bock mehr auf TV und verkündete deshalb mitten in der Sendung, dass jetzt Schluss wäre und ich wieder auf die Straße zurückkehre. Dieser Schritt machte uns zu kleinen Stars und es ging richtig los: Wir spielten jahrelang auf  Festen in ganz Italien. Mein Wohnsitz ist seit einiger Zeit die Toskana.

Vor 5 - 6 Jahren wollte ich was Neues beginnen. Ich schaffte mir meine alten Songs wieder drauf und fing an als Bernd Witthüser in Deutschland aufzutreten.

W: Dein aktuelles Album gibt es nur auf Vinyl. Darauf sind „Jahreszeiten“, „Fröhlicher“ und „Wexel“ aus früheren Zeiten.

BW: Ja, Jahreszeiten stammt von „Bauer Plath“, „Fröhlicher“ ist von „Lieder von Toten, Nonnen und Vampiren“, wie auch „Wexel“.

W: Was ist mit deinem Partner Westrupp los?

BW: Also, über Westrupp möchte ich mich nicht weiter auslassen, der Kerl nervt mich.

LP und Infos zu Witthüser: www.berndwitthueser.de