„Für Japan haben wir rund 200 Adressen angeschrieben. So kamen die 8 Gigs zustande.“
Es gibt nicht viele europäische Bands, die es komplett selbstorganisiert schaffen, eine Japan- und eine US-Tour auf die Beine zu stellen. PANDORA’S BLISS überzeugten die Veranstalter, weil sie den Sound von L7, HOLE und NIRVANA in neuer Intensität in die Gegenwart katapultieren.
Das belgische Trio ist eine reine Familienangelegenheit, zusammengesetzt aus den Schwestern Annie und Mia Croysh sowie ihrem Bruder Roman. Das erste Album erschien 2010 unter dem Namen PANDORA, der später erweitert wurde, um Rechtsstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen und im Netz besser zu finden zu sein. Es folgten Touren als Support für u.a. K’S CHOICE, THERAPY, U.S. BOMBS, DIE HAPPY und THE GERMS. Das aktuelle Zweitwerk wurde für den amerikanischen Sound in Harrisburg, Pennsylvania aufgenommen. Produziert hat Jason Rubel, der schon mit THE CURE und Amanda Palmer (DRESDEN DOLLS) zusammenarbeitete. Die Freude über „Oh Glorious Serenity“ wurde nur durch die Tatsache getrübt, dass der Bandbus kurz danach den Geist aufgegeben hat – was die Fans im Internet auf den Plan rief. Ich treffe die Sängerin Annie Croysh in ihrer Wohnung im belgischen Eupen unweit von Aachen.
WAHRSCHAUER: PANDORA‘S BLISS ist ja ein reines Familienunternehmen.
Annie: Mittlerweile ja. 2006 habe ich mit meiner Schwester Mia angefangen. Damals hatten wir noch nicht mal einen Führerschein und wurden noch von unseren Eltern zu den Gigs gefahren. Als unser Bruder Roman dann am Schlagzeug dazugekommen ist, haben wir auch angefangen, die Sache professioneller anzugehen, was mit dem ersten Album 2010 so richtig begann. Dann haben wir schon recht früh den Weg nach Deutschland gefunden und oft dort gespielt.
W: Wie sehen denn die Auftrittsmöglichkeiten in Belgien so aus?
A: In der Wallonie ist es schwer, Orte zum Auftreten zu finden. Wenn du keinen kennst oder noch keinen Namen hast, kannst du es fast vergessen. In Flandern ist das anders. Da haben wir aber leider den Draht noch nicht so hingefunden, besonders hinsichtlich der großen Festivals, die es hier gibt. Wir sind auf der Suche nach einem fähigen Booker, weil es doch immer schwieriger wird, alles selbst zu organisieren, nicht nur für Belgien.
W: Wie kamen die Touren in den USA und Japan zustande? Seid ihr dort so erfolgreich oder steht da die Plattenfirma dahinter?
A: So läuft das auf unserem Level leider nicht. Du wirst von Fans und Unterstützern eingeladen. Was uns natürlich auch angespornt hat. Die erste USA-Tour kam dadurch zustande, dass eine Supporterin gleichzeitig Bookerin drüben war. Japan haben wir allerdings komplett auf eigene Faust gemacht: Rund 200 Adressen rausgesucht und angeschrieben. So kamen die acht Gigs zustande. In Tokyo haben wir in dem Club eines Typen gespielt, der dort noch drei, vier weitere Läden hat. Und der war so angetan, dass er uns das nächste Mal wohl in seinem besten Club spielen lässt…
W: Wie finanziert ihr so einen Trip? Mal abgesehen von den eigentlichen Tourkosten laufen die fixen Kosten hier in Belgien ja auch weiter, wie Miete, usw.
A: Ich habe mir in Belgien einen Künstlerstatus erarbeitet. Wenn du nachweisen kannst, dass du künstlerisch tätig bist, gewähren sie dir hier für die Zeit, wo du nicht arbeitest, eine Unterstützung auf Hartz-IV-Niveau.
W: Also fast wie in Frankreich…
A: Ist es da auch so? Wusste ich nicht. Momentan komme ich da gar nicht drum herum.
W: Für eure Tour habt ihr eine Crowdfunding-Aktion gestartet, um euren zusammengebrochenen Bandbus reparieren zu lassen.
A: Die Idee zum Crowdfunding kam uns erst, als unser Van in Berlin liegen geblieben ist. Da wurde uns mal bewusst, wie viel Geld die Band wirklich aus unseren persönlichen Taschen frisst und wie sie das auch schon in der Vergangenheit getan hat. So viel, dass nach Album-Produktion, Posterdrucken und Plattenpressen, Van-Steuer und Versicherungen wirklich rein gar nichts mehr in der Bandkasse (und auch in unseren eigenen) übrig war bzw. ist. Was super wichtig bei Crowdfunding ist: Es geht NICHT darum, dass die Leute Geld „spenden“ oder uns „schenken“, sondern uns unterstützen, indem sie unsere Musik oder Merch-Items ganz normal für ganz normales kleines Geld kaufen, so wie es Fans und Supporter mit den Bands, die sie mögen, schon seit den Kinderschuhen der „Pop-Musik“ getan haben. Allerdings vergessen die Leute in Zeiten der Gratis-Dosenmusik aus dem Internet, dass Musik von Qualität einfach sehr viel Geld und Zeit kostet und viele Menschen darin involviert sind. Wenn die Leute aufhören, das zu unterstützen, wird das so leider nicht mehr möglich sein.