Legales Brot  voltron

„Kaventsmann“ – die seemännische Bezeichnung für eine Riesenwelle – ist der Titel des zweiten Outputs der Berliner Doomcore-Blutgrätsche VOLTRON. Alles zermalmend, wuchtig und gefährlich erlebten wir das Extrem-Quintett im Berliner Kastanienkeller kürzlich auch live. Obwohl die Band schon zehn Jahre aktiv ist und mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, stehen die Vollblutmusiker nun endlich in den Startlöchern, um die Weltmeere zu erobern. Grund genug für den WAHRSCHAUER, die Jungs zu befragen, wie genau das vonstattengehen wird. Wir trafen uns also in Berlin-Lichtenberg zu einem gemütlichen Abend bei Tortilla, Bier, selbstgebackenem Hanfbrot und Bohneneintopf mit Sänger Senor Kato und Gitarrist Mars Brennen.

WAHRSCHAUER: Woher stammt euer Name? Kommt es wegen der Ähnlichkeit zu VOLBEAT auch mal zu Verwechslungen?

Mars: VOLTRON ist einer japanisch-amerikanischen Zeichentrickserie aus den 80ern entlehnt. Da verbinden sich fünf Löwen zu einer Art Transformer-Roboter. Wir empfanden das einfach als einen coolen Namen. Dass man uns heutzutage mit den Dänen VOLBEAT in Verbindung bringen könnte, ist jedoch reiner Zufall. Um 2002, als wir unseren Namen wählten, waren die nämlich noch lange nicht bekannt und natürlich auch nicht auf unserem Radar erschienen.  

W: Die meisten Doom- und Stoner-Fans haben VOLTRON bisher noch nicht so richtig auf dem Schirm. Wie ist das bei einem derartig überzeugenden Werk wie „Kaventsmann“ überhaupt denkbar? 

M: Ich denke, es liegt daran, dass wir in den vergangenen Jahren einige Probleme mit dem Line-Up hatten, doch inzwischen hat sich endlich eine stabile Besetzung herausgebildet. „Kaventsmann“ wäre beinahe in der Versenkung verschwunden, wenn wir nicht die Kurve gekriegt hätten. Es hat sich glücklicherweise alles sehr gut gefügt! 

W: Auf Konzerten verkauft ihr eure Metall-Box mit zahlreichen Gimmicks wie selbstmachtem Siebdruck-Cover, Algeneinlage und VOLTRON-Filterpapier. Ist es denn gar kein Nachteil, ohne Label zu sein und das alles selbst machen zu müssen?

M: Natürlich, es hat viele Nachteile, kein Label zu haben. Aber wir bekommen auch viele positive Resonanz für unser Engagement, so wie wir es jetzt machen. Nichtsdestotrotz suchen wir eine Booking-Agentur, da wir unbedingt mehr Konzerte und am liebsten auch eine Tour machen wollen. Da kann dann ein Label sicher nicht schaden.

Kato: Wir arbeiten an neuen Songs, die dann auch bald auf Platte erscheinen sollen. 

W: Habt ihr denn Kontakt zu Labels?

K: Bei der „Kaventsmann“ war es für uns schwierig, auf Labels zuzugehen. Dafür lag die alte Scheibe zu lange zurück, nämlich fünf Jahre. Als die Aufnahmen dann im Kasten waren, wussten wir bandintern nicht so recht wie es weitergeht. Deshalb haben wir auch keine CDs an Labels verschickt. Aber wenn jetzt sich noch jemand finden würde, wäre es uns natürlich auch sehr Recht. Wir sind bereit  für einen Millionenseller! (lacht) 

W: Das Album hat ein breiteres Publikum wirklich verdient. Die Texte wirken jedoch zunächst komplett unverständlich. Einzig der maritime Bezug zu Algen, Pottwalen und Riesenwellen fällt im Zusammenhang auf.

M: Wir tun uns schwer, unsere Texte erklären zu müssen. Man versteht sie zwar kaum und viele fragen daher, um was es geht – aber es soll jeder seinen eigenen Spielraum entwickeln. Ist natürlich auch nicht leicht, den Kontext zu erklären, da es oft sehr subjektiv und abstrakt ist.

K: Wir sind nicht die hundertprozentigen Metal-Typen. Bei uns schwingt auch immer eine spezielle Art von Humor mit und so sind dann auch Titel wie „Pittiplatsch Anoraknarök“ entstanden. „Helmut Berger at Salzburg Airport“ hingegen ist entstanden, weil wir ihn seit vielen Jahren als interessante Persönlichkeit wahrnehmen. Er war schon damals in den 80ern in der BRAVO präsent und konnte mit seinen Skandalen einige Leute begeistern. Es ist durchaus eine Hommage an einen großen Künstler.  

W: Aufgrund der Aktivitäten von Sänger Kato in der Legalize-It-Szene könnte man denken, dass die Texte auch etwas kräuterorientiert rüberkommen.

M: Wer sagt, dass das nicht der Fall ist? (grinst) 

W: Der Mann, der in den meisten Texten auftaucht und seine Gefühle und Erlebnisse schildert, scheint mit dem Verfasser der Texte weitgehend identisch.

K: Ja, irgendwo schon. Aber der Studententöter bin ich nicht. Zumal die Studenten ja nur temporär getötet werden. Irgendwann wachen sie wieder auf.  W: Gab es eurerseits Bandprojekte vor VOLTRON?

M: Ja, ich habe mit unserem Basser Nik in einer Noise-Rock-Band gespielt. SOJUS hieß die. Das ist aber schon über zehn Jahre her und war irgendwann nicht mehr hart genug. Ich brauchte derberen Stoff. 

W: In der Metal-Szene gibt es oft eine weitgehende Toleranz gegenüber kontroversen Themen. Zum Beispiel hört man Musik mit Texten, von denen man genau weiß, dass sie asozial sind – aber man schert sich nicht drum. 

M: So wie ich das sehe, sind viele Leute in der Metal-Szene eigentlich ziemlich intolerant! 

K: Klar, es gibt Bands, die machen Texte mit Nazi-Bezug, ohne das wirklich ernst zu meinen, aber die Idioten unter den Hörern kapieren das nicht und nehmen das wortwörtlich.

M: Das ist ja auch genau der Punkt, weswegen wir damit keine Witze machen. Wenn wir untereinander scherzen, weiß jeder genau, wie er das einzuordnen hat. Aber wenn man so einen Song macht, dann kommt beim Hörer die Information nicht an, die benötigt wird, um das Ganze als geschmacklosen Witz dastehen zu lassen. Ich kaufe es Musikern, die das nicht durchschauen und trotzdem Witze über Randgruppen machen und behaupten, man verstehe gar nicht, wieso die Hörer das nicht erkennen, einfach nicht ab.

K: Wir sind politische Menschen und klar verortet, aber politische Texte kommen nicht in Frage. Unsere Musik ist politisch genug. Das sehen wir ja bei den Konzerten. Da kommen jedenfalls keine Gäste, die wir nicht auch ansprechen wollen. 

W: Unser kleines, kuscheliges Magazin ist ja dieses Jahr 25 Jahre alt geworden! Wie seht ihr die Gegenwart und die Zukunft der Print-Medien, gerade für Bands und Musiker?

M: Kurze Antwort? Schwarz! Okay, schön finde ich das keinesfalls aber man muss ja auch sehen, dass viele Online-Magazine mittlerweile qualitativ echt was dagegenzusetzen haben. Es ist ja nicht mehr so, dass dort die hochwertigen Print-Journalisten tätig sind und dort die Deppen im Internet. Da hat sich einiges verschoben. Früher habe ich mal für ein bekanntes  Magazin  geschrieben, und da war jede Titelseite quasi eine versteckte Anzeige für die Plattenfirma, von der sie Anzeigen generieren wollten. Ok, das Heft war kostenlos, aber fair ist das trotzdem nicht gegenüber den Lesern. In einem Fall ging das dann so weit, dass eine Band schlecht besprochen wurde und die Anzeigen vom Label komplett eingestellt wurde. Deshalb standen da irgendwann nur noch gute Rezensionen drin.

K: Wir selbst sind nicht in der Lage, den Magazinen zwanzig Exemplare für ihren Soundcheck zur Verfügung zu stellen und werden deshalb nie in diesem Wettbewerb bestehen können. Das ist schon echt manchmal frustrierend.

M: Als Fan will ich aber natürlich eine ehrliche Kritik haben, das kann auch mal sehr negativ sein, es darf nur nicht unter der Gürtellinie sein. Gerade bei größeren Bands ist ja ein Verriss auch etwas leichter zu schreiben. Denen ist das dann eventuell nicht mehr so wichtig. Für uns war die Kritik im Metal Hammer etwas unterdurchschnittlich aber man hatte den Eindruck, die haben sich nicht so richtig damit befasst wie das jemand aus Leidenschaft machen würde. 

K: Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen – ich denke, dass gerade eine Zeitschrift wie der WAHRSCHAUER eine Chance hat, auch zukünftig Bedeutung zu haben. Die anderen haben vielleicht mehr Wirtschafts-Power, aber solange der Umgang mit der Musik und den Musikern von Leidenschaft geprägt ist und echt ist, so lange macht das den Unterschied. Werbe-Anzeigen hingegen kann ich im Internet in Nullkommanix finden.