An einem milden Berliner Spätsommerabend treffen wir Robert (git) und Nico (voc) von den MADLOCKS vor dem Komplex im Friedrichshain, in dem sie regelmäßig proben. Am 5. Oktober 2019 feiert das Punkrock-Quartett im Kreuzberger Club „Wild At Heart“ sein 20jähriges Bestehen und nebenbei noch 40 Jahre Anke, die in der Band die Trommelstöcke schwingt.
WAHRSCHAUER: Es ist verdammt schwierig, überhaupt was im Netz über die MADLOCKS zu finden. Ein einziges Interview konnten wir googeln.
NICO: Richtig, von 2005.
W.: Wie schafft ihr es, Informationen von eurer Fangemeinde fernzuhalten?
R.: Das ist harte Arbeit und ein ausgeklügeltes System. Mach dich rar, werd ein Star! Nein, natürlich nicht. Es geht bei uns eher um das Private. Wir haben alle Familie, Job, vielleicht noch eine Zweitband (Robert ist noch bei VOLXSTURM zu Gange – red.) … da ist es immer sehr schwierig. Zum anderen wenn man wenig spielt, bekommt man auch wenig Anfragen. Es ist ein Teufelskreis. Aber wir haben hier in unserer Heimat Berlin eine gute Fanbase. Das ist alles mehr so ein Familienprojekt, eine Insider-Familien-Freundes-Geschichte. Das macht es für uns ganz sympathisch. Und wenn es nichts zu wissen und zu kennen gibt, dann ist und bleibt es tatsächlich Underground.
W.: Ihr spielt im „Wild At Heart“ schon seit einigen Jahren regelmäßig. Das wievielte Mal ist es jetzt?
R.: Wir sind wohl aktuell die Band, die dort am häufigsten gespielt hat. Früher waren es zwei oder sogar drei Gigs pro Jahr. Da hatten wir alle noch ein bisschen mehr Zeit, waren ungebundener und konnten kurzfristig auf Anfragen reagieren, wenn mal eine Vorband weggebrochen war. So kamen wir auch an Leckerlis wie den Support zu ZOLI BAND.
N.: Uns gibt es seit 1999 und wir spielen deshalb im Oktober quasi zum 60jährigen, wir werden 20 und Anke feiert ihren 40. Geburtstag.
W.: Seid ihr alle von Anfang an dabei?
N.: Nein, Alex ist 2007 zu uns gestoßen, nachdem Radde die Band unrühmlich verlassen hat. So haben wir Alex akquiriert, der auch aus der Schweriner Szene kommt. Also ich bin auch Schweriner, Robert ist Schweriner, Alex ist Schweriner.
W.: Achso, ihr seid alle Exil-Schweriner.
N.: Bis auf Anke. Sie ist Berlinerin.
R.: Es war auch ein super Zufall. Ich bin `98 nach Berlin gekommen. Und du (zu Nico)?
N.: ´97. Weihnachten ´98 habe ich dich völlig besoffen angequatscht, ob wir nicht eine Hardcore-Band machen wollen. Wir kennen uns aber eigentlich schon seit den 80er Jahren und sind zusammen auf eine Schule gegangen.
W.: In Berlin wolltet ihr eine Hardcore-Band gründen, dann wurde es aber eine Punk-Band?
N.: Am Anfang lief das schon sehr in Richtung Hardcore.
R.: So ein SNAPCASE-Verschnitt, sehr theatralisch. Dann ist es aber schnell in die Punkrock-Richtung gelaufen und das ist auch ganz gut so. Das ist auch eher unser Metier.
W.: Was sind eure musikalischen Wurzeln?
R.: Die sind sehr breit, natürlich aus dem Punkrock-Genre, der ganze old school-Punkrock aus den 70ern bis hin zu Oi und ein bisschen Hardcore.
N.: Es ging Anfang der 90er los. Robert war sehr früh in der Szene, 90 oder 91 schon aktiv. Ich bin dann 93 da reingestolpert, aber auch erst in die Hardcore-Szene. Der Hardcore, den ich damals gehört habe, würde heute unter old-old-old school laufen. Das war eigentlich Punkrock, sehr schnell, sehr hart gespielt wie 7 SECONDS oder GORILLA BISCUITS.
W.: Was sind Werte / Positionen, die euch wichtig sind in Musik und Text?
N.: Das sind hauptsächlich private Sachen. Klar bezieht man auch mal Stellung.
R.: Aber jetzt nicht arg politisch. Wir haben unsere Meinung, die ist ganz eindeutig und auch absolut konform mit der jetzigen Zeit. Es gibt ein paar Sachen, die einen nerven, wo man angepisst ist, wo man dazu Stellung nimmt. Aber es sind jetzt nicht die ultrabrutalen Texte, die wir vom Stapel lassen. Es sind gut eingebettete Privatprobleme bis hin zu spaßigen Sachen bis hin zu politisch motivierten Geschichten.
N.: Die letzten Sachen hatten schon einen sehr persönlichen Bezug. Ich habe eine Trennung hinter mir und das hinterlässt eben immer Spuren. Aber im Großen und Ganzen kann man keine Themenschwerpunkt benennen.
W.: Euer aktuelles Album heißt „A Flame Inside“. Was ist die Flamme in euch, die da lodert?
R.: Dass in dem Alter, in dem man sich mittlerweile schon befindet – Ü40, immer noch eine Flamme drin ist, immer noch Tatendrang, immer noch ein Feuer in einem brennt. Das soll es einfach ausdrücken.
N.: Wenn du das Feuer nicht hast, bist du tot. Irgendetwas brauchst du, einen Motor, der dich am Leben hält. Kannst ja nicht nur morgens aufstehen, jobben gehen, nach Hause kommen, Tagesschau gucken, Kinder ins Bett bringen, schlafen gehen und von vorn.
W.: Vielen reicht das ja.
N.: Ich glaube, dass sie zutiefst unglücklich damit sind, aber kein Ventil haben. Vielleicht gibt es Menschen, die sind damit tatsächlich glücklich mit diesem steifen Rahmen und dieser ewigen Gleichförmigkeit. Für uns reicht das mit Sicherheit nicht. Das brennt noch ein Feuer, man hat Emotionen, man hat Leidenschaft.
W.: Arbeitet ihr momentan an neuem Material, an einem neuen Album?
R.: Wir haben noch nie aufgehört, an neuem Material zu arbeiten. Nie. Bei jeder Probe kommt wieder ein neuer Song, es geht immer weiter.
N.: Was leider etwas zum Erliegen gekommen ist, war ein Deutschpunk-Projekt, wo wir tatsächlich mit deutschen Texten arbeiten. Da haben wir auch schon Aufnahmen gemacht. Das war mal so eine Idee … einfach losbrüllen, auch ein bisschen trashig, extrem witzig. Wir sind mit ernsthaften Themen witzig umgegangen. Wir werden es weiter verfolgen.
N.: Es ist geplant eine 7-Inch-EP zu pressen und nur auf den Konzerten für die wirklichen Fans vielleicht zum Selbstkostenpreis abzugeben, in dem Wissen, dass es später mal Sammlerwert hat und auf diese Art und Weise den Leuten auch ein Dankeschön zu geben.
W.: Habt ihr keine Lust auf ein cooles Punk-Label?
R.: Lust schon, ich hatte am Anfang schon vom Teufelskreis erzählt. In dem bewegen wir uns drin. Das ist nicht Label-dienlich. Wir haben es schon versucht, aber es hat einfach nicht funktioniert, dafür machen wir zu wenig. Dann müssten wir richtig auf Tour gehen und das schaffen wir nicht. Man muss realistisch und ehrlich zu sich selbst sein. Wir sind immer euphorisch nach den Gigs und das ist super. Die Leute sind zufrieden, wir waren zufrieden, es hat riesen Spaß gemacht. Wir wissen aber, wir sind gefangen in unserer eigenen Welt und versuchen auszubrechen, aber das reicht nicht, um wirklich richtig zu touren. Eine Tour könnten wir aber sicherlich irgendwann mal auf die Beine stellen.
N.: Aber letztendlich passt es auch nicht, weil die Labels schon durchkommerzialisiert sind. Als wir mal ein Angebot hatten, hieß es dann „Tritt alle Rechte ab und insbesondere aus dem elektronischen Verkauf.“
W.: Aber das ist ja dann kein Punkrock.
N.: Das geht natürlich nicht. Da haben wir schwerste Bedenken, unsere Rechte wegzugeben, damit jemand anderes mit der Musik, die wir leben, Geld verdienen kann.
Wir machen es für uns und für die Leute, die uns gerne mögen. Es bleibt Underground, im wahrsten Sinne des Wortes, weil uns kaum jemand kennt, obwohl der Name mittlerweile durchaus eine Reichweite hat. Es kommen immer wieder Leute zu den Konzerten, auch wenn wir außerhalb spielen, die alles mitsingen, wo man sich denkt ‚Okay, es hat sich rumgesprochen.‘
W.: Gibt es ein Festival, auf dem ihr unbedingt mal spielen wollt?
R.: Einige. Wir haben schon auf Festivals gespielt beispielsweise auf dem Endless Summer Festival oder dem Punk & Disorderly. Das Back to Future in Glaubitz würde mich sehr freuen, weil das ein sehr gut organisiertes und sehr schönes Festival ist, nicht mit so Mainstream-Kram sondern auch viel coolem Underground-Punkrock. Und natürlich wären wir mit unseren englischsprachigen Texten auch sehr gerne beim Rebellion Festival in Blackpool/UK. Die laden auch oft kleine Bands ein.
W.: Ihr habt ja auch einen gewissen UK-Style.
R.: Ja, ich denke auch, der Slang, den Nico musikalisch rüberbringt, hat was von Cockney.
N.: Robert und ich haben die alten englischen Bands immer viel gehört. Die sind ein sehr großer Einfluss. Was sich danach in Amerika bewegt hat, hat sich eigentlich auch alles darauf berufen.
W.: Selbst bei den DEAD KENNEDYS erkennt man den UK-Style.
N.: Ganz genau.
W.: Was sind eure Grenzen, was den Kommerz betrifft? Es gibt Pay to Play oder bezahlte Meet & Greets.
R.: Das ist absolut lächerlich. Aber die Kiddies stehen wirklich darauf. Das ist eine andere Generation. Den Wandel musste ich persönlich extrem lernen. Klatschen, winken und animieren zum Klatschen auf den Konzerten, das war damals in der Oi- und Punkszene ein Unding. Das würde für uns gar nicht in Frage kommen.
N.: Ich denke, wir werden unsere Songs auch im Internet zum Download bereitstellen. Wer es haben will, kann es haben.
- Anmerkung WAHRSCHAUER: Im Hintergrund brummt ein Motorrad. Anke kommt nun auch hinzu. Sie ist die einzige Original-Berlinerin geboren in Prenzlauer Berg. Fehlt nur noch Bassist Alex in der Runde.
N.: Wir mögen das enge Korsett nicht. Immer nur dasselbe zu machen, ist nun wirklich nicht meins. Wir versuchen uns auch zu entwickeln. Den 10. „Knüppel-schnell-Song“ oder den 20. „Die Welt ist Scheiße und keiner versteht mich“-Song im selben Stile, ist nicht das, was wir wollen. Man wird immer hören, dass es die MADLOCKS sind, aber auf der anderen Seite ist es auch sehr reizvoll sich neue Felder zu erschließen, auch mal einen Reggae-Teil zu spielen oder richtigen Hardcore rauszuholen. Wenn wir damals den Sprung gemacht hätten und gesagt hätten, wir nutzen unseren Namen unser Image, wir machen jetzt das, was ihr (… das Label) wollt, dann hätten wir es schaffen können. Eine Anfrage war da.
N.: Das eine Lied sollte bei Sony vorgestellt werden. Das ist auch wirklich ein Hit und wäre MTV-tauglich gewesen.
W.: Welches Lied war in der Auswahl?
N.: „Sorry“
W.: Ja, das ist sehr catchy, sehr eingängig. Haben Sony euch kontaktiert?
N.: Nein, das lief über den Producer. Der Ton-Ingenieur Peter Oz hat früher viele Oi- und Metal-Sachen gemacht. Er wollte uns unbedingt vorstellen und meinte, der Song wird ein Mega-Hit. Aber es ist dann im Sande verlaufen. Ich war in den Endzügen vom Studium, konnte mich auch nicht kümmern. Dann kam ein Kind. Naja, die MADLOCKS … keiner kümmert sich, so ist das (Lachen in der Runde).
W.: Wird es am 5. Oktober zu eurem Jubiläumskonzert neue Songs geben?
Anke: Eigentlich spielen wir jedes Mal neue Songs. Für uns sind sie nicht mehr neu, aber für die Zuschauer.
R.: Die sind jedes Mal überrascht.
N.: Es ist tatsächlich Material für eine ganze Platte da. Wir würden gerne Anfang nächsten Jahres was rausbringen.
W.: Anke, was ist denn dein Geburtstagswunsch zum Jubiläum?
A.: Es sollen echt viele Leute kommen, auch die, die man nicht so oft sieht. Ich habe allen Freunden, alten Bekannten versucht, Bescheid zu sagen … mal sehen. Das ist eigentlich mein Wunsch, alle mal auf einen Haufen zu haben und natürlich Musik zu machen.
Das ist nun mal mein Leben. Am 26.09.1999 haben wir uns den Namen MADLOCKS gegeben. Und dann dachte ich mir, wenn dann feiere ich nur mit der Band. Musik bestimmt mein halbes Leben, 20 Jahre habe ich in der Band gespielt. Das ist es schon mal wert. Und wo, wenn nicht im „Wild At Heart“? Das ist ja auch klar. Und wer soll auflegen, wenn nicht DJ VOSSI!?
W.: 20 Jahre gemeinsam Musik machen – wie habt ihr es so lange gemeinsam ausgehalten und was würdet ihr Newcomer-Bands raten?
R.: Wenn du anfängst, ist das Wichtigste: spielen, spielen, spielen – für sich selbst aber auch um Leute zu erreichen. Du musst es auch mit vollem Einsatz machen, ansonsten bleibt es ein Hobby. Du musst Energie und viel Zeit aufwenden.
N.: Bevor die Leute nachspielen und klingen wie tausend andere Bands, lieber ordentlich Zeit und Muße in vernünftige Songs investieren. Niemand braucht die X-te Kopie von 30 Vorbildern.
A.: Man muss sich mögen, wenn man eine Band machen will. Man muss miteinander gut klarkommen. Wenn ich an meine Anfangszeit bei den MADLOCKS denke, da wir ich mit 15 Jungs in einem Zimmer untergebracht: schnarchen, rülpsen usw. Da muss man schon bisschen was abkönnen.
N.: Das ist in der Tat ein wichtiges Thema, dass man sich mögen muss. Man muss sich gegenseitig ertragen können. Es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Nicht jeder hat immer gute Laune, damit muss man umgehen.
R.: In den 90ern haben wir uns als Freunde gefunden. Bei vielen Newcomer Bands gibt es einen und der sucht sich dann Leute. Die beherrschen auch alle ihre Instrumente, aber so eine richtige Band ist es dann eben doch nicht. Als ich angefangen habe Musik zu machen, hieß es, „hey, Gitarre! Brauchen wir noch!“, „Wir losen.“ Und dann ging’s los. Dieses Zusammensuchen von Bandmitgliedern heutzutage kann ich nicht mehr nachvollziehen. Das Auswechseln der Leute ist auch witzig, wie schnell das geht und wie skrupellos.
N.: Eine Band wächst zusammen – mit den Jahren, mit den Songs – das hörst du auch.
R.: Deswegen sind manche alte, englische Punkbands dilettantisch im Spiel, aber da ist so viel Spirit, Szenegeist und Freundschaft dahinter. Das kriegen zusammengestellte Bands nicht hin, das ist dann einfach nur Plastik-Style, Mainstream-Schwachsinn, langweilig. Das ist nicht unser Ding.
Foto: d. von junzt
Nächste Konzerttermine:
05.10.2019 – Wild At Heart Berlin
29.02.2020 – JFZ-Revival-Party, Tommy-Haus Berlin