tischlerei_lischitzki.jpgLiebe auf den zweiten Blick!

Berlin: ...der erste Schritt zum Abbau der eigenen Persönlichkeit.“ Genau das ist der Titel des dritten Albums der Punkrock-TISCHLEREI, erschienen auf dem kleinen Label Elfenart Records. Sicher fragt man sich, was das jetzt wieder zu bedeuten hat und ob uns die Musik nach Hamburg führt, wo jene Schule Schuld an ähnlichen Sätzen ist. Aber das kann ausnahmslos mit „Nein“ beantwortet werden. Und wenn es eine Nähe zu Hamburger Bands gibt, dann befinden die sich außerhalb dieser Schule und haben ausschließlich mit Punk zu tun. Der Titel ...


... bezieht sich im Übrigen auf die Kommunikation der Multimediengesellschaft, die ständig über den einzelnen Menschen hereinbricht und ihm/ihr erzählen will, was wichtig, toll und notwendig ist, womit wir den Album-Titel erklärt hätten.

Und jetzt zum Wesensinhalt des Gesamtwerkes. Präsentiert werden 16 Songs in 50 Minuten, die schwer in vorhandene Kategorien einsortiert werden können, außer natürlich in die des Über-Genres Punk. Die dritte TISCHLEREI-Platte ist sehr überzeugend in punkto Qualität und Eigenständigkeit. Und gleichzeitig hat es dieser Longplayer in sich, denn hier wurden absichtlich nicht alle Ecken rund gehobelt. Deshalb ist er auch nichts für die Liebe auf den ersten Blick – diese benötigt Zeit. Im ersten Durchgang wird es dem Hörer / der Hörerin wahrscheinlich schwer fallen, die LISCHITZKIS mit einer Umarmung zu begrüßen, denn dafür irritiert sie anfangs wohl zu sehr. Eingängig ist das Album nur bedingt. Wer also Melodie und schöne Refrains schätzt, wird wahrscheinlich große Schwierigkeiten haben, es zu mögen. Die 16 Songs sind geprägt von einem kompakten und druckvollen Sound, in dem die Gitarre(n) sehr schön variieren - von fetten Riffs bis hin zu verspielte Tönen - und das Schlagzeug durchweg für den nötigen Drive sorgt. Dadurch klingen selbst die etwas ruhigeren Songs eindrucksvoll nach Punk. Mit „Raupe“ wurde ein schnelles und punkrockiges Stück als Opener gewählt, wohingegen sich der Großteil der restlichen Tracks als etwas differenzierter darstellen lässt und demzufolge auch nicht so straight durchgespielt wird. In der Mitte der Scheibe ertönt mit “Erinnerung / Außen“ dann der wohl schon fast eingängigste Song mit einem sehr melodiös gesungenem Refrain und hinaus geleitet uns das ruhigste Stück des Albums „Wer Hat An Der Uhr Gedreht“. Eine durchaus passende Aneinanderreihung sozusagen.

Generell lässt sich behaupten, dass der vordergründige Gesang den Songs jeweils auch ihren Charakter verleiht. Dabei wirkt die Stimme immer etwas wütend und unangenehm, teils sogar etwas schräg. Die Gesangslinien zerstören des öfteren das musikalisch durch die Instrumentierung entstandene Bild mit ihren leicht kranken und auch etwas disharmonischen Zügen.

Und auch wenn die Band keine Vergleiche mag, so muss ich dennoch einen anführen, weil dieser für mich sehr nahe liegt: Es erinnert mich stark an ältere Stücke der genialen GRAUEN ZELLEN. Passend dazu übrigens auch die politischen Texte, die größtenteils persönlich gehalten sind und den Standpunkt ganz klar vermitteln, ohne sich den Klischee-Stempel abzuholen. Nicht ganz so rein passt da ein Stück wie „Punk Rock Spirit“, welches voller Ironie strotz. Mehr wird nicht verraten, selber hören! So, und jetzt wünsche ich viel Spaß beim Entdecken dieser Scheibe – es lohnt sich auf jeden Fall, denn nur die richtig guten Genussmittel entfalten nach längerer Zeit ihre Klasse!