the-audacity-of-hype.jpgDer South-Park-Lover von Saddam!
 

Berlin / 23.12.2009: Zum Fest der Liebe kuckte der Leibhaftige plötzlich aus meinem Briefkasten raus, eingewickelt in einen Umschlag, wo „Pissed Jeans" in Form eines Aufklebers drauf stand. Der Briefträger wird sich seins gedacht haben. Der rote Teufel kuckt von einem CD-Cover runter und behauptet, Jello Biafra zu sein. Ist ja interessant - den kannte ich bisher „nur" aus der Hölle und als South-Park-Lover von Saddam. Da Jello auch schon mal für die Grünen kandidiert hat, ist der Zusammenhang mit dem Leibhaftigen doch

ganz nett und sorgt für Kichern, vor allem wenn ich bedenke, was die Grünen in Deutschland so alles gebracht haben in den letzten Jahren. Und gleich noch ein Aufkleber befindet sich auf der schönen, aufklappbaren Papphülle der CD: Fans von den JELVINS (ist wohl ein kleiner Druckfehler... teufel ...haha), von DEAD KENNEDYS (ach was...?) sowie LARD (dem Projekt von Jello mit MINISTRY-Mann Al Jorgensen) würden nicht enttäuscht werden. Das kommt hin. Ergänzen möchte ich hier noch NOMEANSNO, denn die Kollaboration von dieser Band und Jello fand ich bis jetzt am spannendsten.

Ein paar Gigs des neuen Projekts hatte es im Vorfeld bereits gegeben, auch in Berlin. Leute, die dort waren, berichteten begeistert von einem großartigen Auftritt mit einem älter gewordenen, aber energetischen Jello Biafra, der viele neue Songs spielte und sich nicht auf Kennedys Lorbeeren ausruhte.

Allein das Line-Up der Band ist schon interessant: Billy Gould von FAITH NO MORE ist dabei, Kimo Ball von FREAK ACCIDENT und Ralph Spight von VICTIMS FAMILY als Gitarrist. Produziert wurde das Ganze - eher ungewöhnlich - von einem HipHop-Experten, nämlich Matt Kelley. Der hat schon unter Anderem TuPac produziert und ist ein alter Buddy von Jello Biafra.

Die Musik vom aktuellen Album „The audacity of hype" setzt da an, wo „Frankenchrist" vor etlichen Jahren aufhörte: schraddeliger Detroit-Punk mit nervösen Gitarren und interessanten Bassläufen... alles klar... das macht nach wie vor viel Spaß und funktioniert in der neuen und ersten regulären Jello-Band seit den DEAD KENNEDYS sehr gut. Jello singt und schreit und tiriliert wie in den zwanzig bis dreißíg Jahren zuvor - schließlich ist er nicht aus der Übung gekommen, hat er doch jede Menge Projekte zum Singen gehabt und ist auch geübt in Spoken Word Performances, was er mit seinem Vielleicht-Kollegen-im-Geiste und nicht Spiel-, aber Alterskameraden Henry Rollins gemein hat.

Textlich gibt es nach wie vor derbe Kritik an der Politik: das erste Lied ist eine Abrechnung mit der Bush-Ära („The terror of Tinytown" und der letzte Track stellt den Sinn von Wahlen in Frage („I won´t give up") Andere Tracks wie „Strength thru shopping", „Panicland" oder „New Fuedalism" legen schon im Titel offen, worum es in den Texten geht, und wer sich mit dem Output von Jello Biafra auskennt, weiß, dass er stets intelligente und provokante Texte zur Lage der Welt formuliert.

Das Outfit der CD ist ebenfalls gelungen. Ein aufklappbares Pappcover und ein großes Poster mit allen Texten auf der Rückseite und einem bunten Bild auf der Vorderseite, welches thematisch wie auch von der Gestaltung ein bisschen an den Berliner Künstler Seyfried erinnert. Ich dachte auch -  vor allem wegen der Farben - an das bekannte rot-blaue Obama-Bild, und siehe da, es ist tatsächlich vom gleichen Künstler. Die gute und liebevolle Gestaltung der Scheibe machen die Sache rund: zusammen mit der gut funktionierenden Band, tollen Texten sowie cooler und spannender Musik eines alten, neuen Idols kommt am Schluss des Jahres noch ein Highlight für die persönlichen Charts 2009...!

TIPP: Shortcut-Story zu Jello Biafra im kommenden WAHRSCHAUER #58!

(Alternative Tentacles Records - VÖ: 27.11.09)