Fast vier Jahre nach dem Album „Sylt“ ist es endlich soweit: Die Hamburger Band KETTCAR veröffentlicht ihre neue Platte, diese erscheint einmal als normale CD und einmal als Deluxe Edition mit drei Bonus-Songs. Ist das letzte Album sowohl musikalisch als auch textlich relativ düster ausgefallen, so war man als geneigter KETTCAR Hörer gespannt, in welche Richtung die neue Scheibe driften würde.
Bereits vorab steigerte die Band die Vorfreude, in dem sie alle Anhänger dazu aufrief, ein Foto von sich zu schicken, dessen einziges Kriterium es war, dass man ernst aussehen sollte. Das Ergebnis war das Video zur ersten Single „Im Club“, in welchem Sänger Markus Wiebusch als Nachrichtensprecher agiert und über den größten Club der Welt mit sieben Milliarden Mitgliedern berichtet. Dutzende Fotos dieser Mitglieder, also den Fans, werden dazu im Hintergrund des Videos angezeigt. Die Botschaft des Songs ist, dass wir alle im Großen oder im Kleinen scheitern. Dass wir uns alle nachts voller Sorge hin und her wälzen und uns durch graue Tage kämpfen. Man ist nicht alleine damit, man ist Milliarden. Darum geht’s.
Rein musikalisch ist die Platte relativ ruhig geraten. Keyboard, Bläser und Streicher übertönen laute Gitarren. KETTCAR ist eine Band, die sich durch ihre Texte auszeichnet und da ist „Zwischen den Runden“ keine Ausnahme. Das Schreiben teilten sich dieses Mal Sänger Markus Wiebusch und Bassist Reimer Bustorff. So heißt es in dem Opener „Rettung“, dass Liebe nicht das ist, was man empfindet, sondern das, was man tut. Und wenn das bedeutet, die völlig betrunkene Freundin nach Hause zu bringen und ihr die Kotze aus den Haaren zu puhlen, dann soll es so sein. Bei „Schwebend“ geht es darum, den perfekten Sonntagmorgen darzustellen, während es im nächsten Song „R.I.P.“ schon wieder etwas düsterer zugeht: „Ich wollte nicht ertrinken, fing langsam an zu sinken mit meinen Schwimmflügeln aus Blei“; und schließlich: „Wenn das der Frieden ist, muss man den Krieg nicht noch erfinden.“ Das nächste Stück „Kommt ein Mann in die Bar“ handelt von dem Witz, der sich Leben nennt und sagt „Die Hoffnung ist schon vorgerannt, um das Grab schon mal zu graben“. Das in „Weil ich es niemals so oft sagen werde“ thematisierte Beziehungsproblem dürfte so einigen Paaren bekannt vorkommen: Die Frau wünscht sich, dass er „Ich liebe dich“ sagt, aber er tut es nicht, obwohl er es so fühlt, denn „ich will es zeigen, nicht sagen“. „Schrilles buntes Hamburg“ erinnert musikalisch stark an die Endphase von Markus Wiebuschs Vorgängerband …BUT ALIVE und stellt das gesellschaftskritischste Stück der CD dar. Danach folgen zwei weitere, ruhige Stücke und mit dem Beginn von „Der apokalyptische Reiter und das besorgte Pferd“ findet sich endlich eine schnellere, tanzbare Nummer auf der Platte. „Erkenschwick“ und „Zurück aus Ohlsdorf“ bilden den Abschluss des Albums.
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Album für meinen Geschmack musikalisch ein wenig zu ruhig geraten ist. Zwar mag man KETTCAR gerade wegen der melancholischen Songs. Doch 41 Minuten lang Bläser und Streicher gehen wirklich nur, wenn man sich gerade in einem sentimentalen Tief befindet. Ein, zwei mehr rockige Nummern á la „Deiche“ oder „Ich danke der Academy“ hätten der CD gut getan. Textlich sind KETTCAR auf dieser Platte wieder ein wenig positiver gestimmt als noch auf der letzten. Sie besingen den Traum vom Abhauen und die Wut über die Gesellschaft, aber auch Liebe und Hoffnung.
TIPP: Interview mit exklusiven Fotos geplant für den kommenden WAHRSCHAUER #61!
(VÖ: 10.02.12 – Grand Hotel van Cleef/Indigo)