Neuer Mut zur Häßlichkeit
Berlin: NICK CAVE & THE BAD SEEDS begleiten mich nun schon seit über zwei Jahrzehnten. Mein erstes Album des Australiers und seiner Band war „Your funeral, my trial“ von 1987. Ich war absolut begeistert, hatte ich doch nie zuvor so etwas ausdruckstarkes, düster-stimmungsvolles vernommen und war zuvor musikalisch eher in dark-wavigen Gefilden um Bands wie den SISTERS OF MERCY und THE CURE unterwegs. Ich war derart begeistert, dass ich mir auch umgehend die beiden Vorgängeralben „The firstborn is dead“ und „From her to eternity“ zulegte.
Zudem erstand ich einiges von Caves früherer Band THE BIRTHDAY PARTY, von Nebenprojekten der BAD SEEDS und ehemaligen Bandmitgliedern. Ich war seitdem ein großer Fan von NICK CAVE & THE BAD SEEDS. Nicht nur die Musik, auch seine morbiden, oft von biblischen Themen inspirierten Songtexte über Hass, Liebe, Begierde, Mord und Totschlag faszinierten mich, ebenso Caves Stilbewusstsein und diese düster-dandyhafte Aura. Obwohl die jugendliche Begeisterung des Über-Fans mit dem Älterwerden natürlich etwas verflogen ist, muss ich sagen, dass es auch nie ein wirklich schlechtes Album der Band um Meister Cave gegeben hat. Es gab lediglich stärkere und schwächere Alben und dies ist bis heute so geblieben. „Dig, lazarus, dig!!!“ ist ein Album, welches man absolut der ersten Kategorie zurechnen kann. Zugleich markiert das Album einen Wendepunkt. Nick Cave, mittlerweile fünfzig, scheint sich nicht mehr um sein schickes Dandy-Image zu scheren. Er und seine Band beweisen neuerdings Mut zur Hässlichkeit und kultivieren diese geradezu. Dokumentiert wird dies auf den Schwarzweißfotos im CD-Booklet, auf denen die acht älteren Herren brutal-ungeschönt zu sehen sind, von denen sich zwei auch noch einen Tombstone-Rauschebart stehen lassen. Und Cave selbst trägt einen Schnauzbart, von dem auch Yosemite-Sam beeindruckt wäre. Diese neue Haltung spiegelt sich auch in der Musik wieder. Als Pate des neuen Albums dient passender Weise Lazarus, der Schutzpatron der Kranken, Aussätzigen, Hässlichen und Elenden, den Jesus nach dessen Tod wieder zum Leben erweckt. Und so ist auf „Dig, Lazarus, dig!!!“ auch musikalisch alles geschönte, stilisierte, und dandyhafte eliminiert. Es zählt nur noch die Musik selbst, wobei sich der Musiker in seinen kraftvollen, lyrischen Texten absolut treu bleibt. Der Opener „Dig, lazarus, dig!!!“ und die beiden folgenden Stücke „Today’s lesson“ und „Moonland“ kommen als absolut eingängiger, grooviger Blues, in mal treibendem, mal entspannterem Rhythmus daher, der geradezu zum Mitwippen oder Tanzen anregt. Das folgende „Night of the lotus eaters“ schafft einen Break und bietet mit seiner maschinell-monotonen Düsternis einen experimentellen Einschlag, der etwas an frühe Werke von NICK CAVE & THE BAD SEEDS oder THE BIRTHDAY PARTY erinnert. Danach holt einen das unverschämt poppige „Albert Goes West“ und dessen ‚Whoo-Whoo’ - Refrain mit Macht wieder auf die Tanzfläche zurück. „We call upon the author“ bietet im Anschluss schräge, quitschend-fiepende Klänge, die fast improvisiert wirken, dabei aber nicht minder rhythmisch-tanzbar sind. Und so geht das ungewohnt positiv und eingängig weiter... Lediglich „Hold on to yourself“ und „Jesus of the moon“ bieten zwei bittersüße Balladen, wie man sie von NICK CAVE & THE BAD SEEDS gewohnt ist und auf die man auch nicht verzichten möchte. Das Ganze wird von der Band entspannt virtuos umgesetzt, ohne auch nur im Ansatz routiniert zu klingen. Im Gegenteil: Die Herren klangen noch nie derart frisch und unverbraucht. Meinen allergrößten Respekt.
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Berlin: NICK CAVE & THE BAD SEEDS begleiten mich nun schon seit über zwei Jahrzehnten. Mein erstes Album des Australiers und seiner Band war „Your funeral, my trial“ von 1987. Ich war absolut begeistert, hatte ich doch nie zuvor so etwas ausdruckstarkes, düster-stimmungsvolles vernommen und war zuvor musikalisch eher in dark-wavigen Gefilden um Bands wie den SISTERS OF MERCY und THE CURE unterwegs. Ich war derart begeistert, dass ich mir auch umgehend die beiden Vorgängeralben „The firstborn is dead“ und „From her to eternity“ zulegte.
Zudem erstand ich einiges von Caves früherer Band THE BIRTHDAY PARTY, von Nebenprojekten der BAD SEEDS und ehemaligen Bandmitgliedern. Ich war seitdem ein großer Fan von NICK CAVE & THE BAD SEEDS. Nicht nur die Musik, auch seine morbiden, oft von biblischen Themen inspirierten Songtexte über Hass, Liebe, Begierde, Mord und Totschlag faszinierten mich, ebenso Caves Stilbewusstsein und diese düster-dandyhafte Aura. Obwohl die jugendliche Begeisterung des Über-Fans mit dem Älterwerden natürlich etwas verflogen ist, muss ich sagen, dass es auch nie ein wirklich schlechtes Album der Band um Meister Cave gegeben hat. Es gab lediglich stärkere und schwächere Alben und dies ist bis heute so geblieben. „Dig, lazarus, dig!!!“ ist ein Album, welches man absolut der ersten Kategorie zurechnen kann. Zugleich markiert das Album einen Wendepunkt. Nick Cave, mittlerweile fünfzig, scheint sich nicht mehr um sein schickes Dandy-Image zu scheren. Er und seine Band beweisen neuerdings Mut zur Hässlichkeit und kultivieren diese geradezu. Dokumentiert wird dies auf den Schwarzweißfotos im CD-Booklet, auf denen die acht älteren Herren brutal-ungeschönt zu sehen sind, von denen sich zwei auch noch einen Tombstone-Rauschebart stehen lassen. Und Cave selbst trägt einen Schnauzbart, von dem auch Yosemite-Sam beeindruckt wäre. Diese neue Haltung spiegelt sich auch in der Musik wieder. Als Pate des neuen Albums dient passender Weise Lazarus, der Schutzpatron der Kranken, Aussätzigen, Hässlichen und Elenden, den Jesus nach dessen Tod wieder zum Leben erweckt. Und so ist auf „Dig, Lazarus, dig!!!“ auch musikalisch alles geschönte, stilisierte, und dandyhafte eliminiert. Es zählt nur noch die Musik selbst, wobei sich der Musiker in seinen kraftvollen, lyrischen Texten absolut treu bleibt. Der Opener „Dig, lazarus, dig!!!“ und die beiden folgenden Stücke „Today’s lesson“ und „Moonland“ kommen als absolut eingängiger, grooviger Blues, in mal treibendem, mal entspannterem Rhythmus daher, der geradezu zum Mitwippen oder Tanzen anregt. Das folgende „Night of the lotus eaters“ schafft einen Break und bietet mit seiner maschinell-monotonen Düsternis einen experimentellen Einschlag, der etwas an frühe Werke von NICK CAVE & THE BAD SEEDS oder THE BIRTHDAY PARTY erinnert. Danach holt einen das unverschämt poppige „Albert Goes West“ und dessen ‚Whoo-Whoo’ - Refrain mit Macht wieder auf die Tanzfläche zurück. „We call upon the author“ bietet im Anschluss schräge, quitschend-fiepende Klänge, die fast improvisiert wirken, dabei aber nicht minder rhythmisch-tanzbar sind. Und so geht das ungewohnt positiv und eingängig weiter... Lediglich „Hold on to yourself“ und „Jesus of the moon“ bieten zwei bittersüße Balladen, wie man sie von NICK CAVE & THE BAD SEEDS gewohnt ist und auf die man auch nicht verzichten möchte. Das Ganze wird von der Band entspannt virtuos umgesetzt, ohne auch nur im Ansatz routiniert zu klingen. Im Gegenteil: Die Herren klangen noch nie derart frisch und unverbraucht. Meinen allergrößten Respekt.
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